Was ist im Buddhismus mit „sexuellen fehlverhalten“ gemeint?


21.04.2022, 10:52

Und Wie sollte man sich denn sonst sexuell als Buddhist Verhalten und warum sollte man das nicht tun?

4 Antworten

Damit ist der übermannende Hunger gemeint nach Sex, sich selbst in Wollust zu wühlen, ohne ihm einen anbetungswürdigen Aspekt zu geben. So oder so ähnlich, auch hier braucht es Balance.

Das ist einer der wenigen Dinge, die ich am praktizierenden Buddhismus kritisch sehe. Die Vorstellung, seine sexuelle Energie nicht ins Gleichgewicht bringen zu können, um es somit gleich zu vermeiden.

Shiro5 
Fragesteller
 21.04.2022, 11:14

Also man soll als Buddhist keinen Sex haben?

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MindFlower  21.04.2022, 11:15
@Shiro5

Ne… Es gibt verschieden Auslegungen im Buddhismus. Einige sehen es so, andere nicht. Einige Mönche gehen ins sexuelle, andere nicht. Obgleich es eher die Minderheit ist.

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Abgesehen von grobem Fehlverhalten wie Vergewaltigung oder Missbrauch von Kindern ist der Begriff nicht klar definiert sondern hängt auch von der jeweiligen Kultur ab, in der man lebt.

Ich bin Soto-Zen-Buddhist und möchte mich dazu äußern

Im Theravada-Buddhismus wird die traditionelle Formulierung der Panchasila (Fünf Sittlichkeitsgelübde) in der Pali-Sprache verwendet.

Das dritte Sila lautet dort

"kamesu micchacara veramani sikkhapadam samadiyami"

"Ich nehme das Gelübde, von sexuellem Fehlverhalten Abstand zu nehmen, auf mich"

Es geht hierbei um die Teile kama (sexuell), cara (Verhalten) miccha (falsch)

Traditionelle Bedeutung

Ursprünglich bezog sich dieses Gelübde auf Mädchen/Frauen, die sich bereits in der Obhut einer Gemeinschaft befinden und daher sexuell nicht belangt werden sollen

  • Mädchen im elterlichen Haushalt (maturakkhita)
  • Verlobte (malaguna-parikkhitta)
  • Verheiratete (sassamika)
  • Nonnen (dhammarakkhita)
  • Strafgefangene (saparidanda)

Im Christentum heißt es im entsprechenden Gebot man sollte nicht "die Frau seines Nächsten" begehren. Eigentlich ganz schlüssig, wie ich finde.

Heutige Interpretation

Es gibt im Buddhismus keinen Katechismus der genau vorschreibt, wie die Sittlichkeitsgelübde auszulegen und anzuwenden sind.

Daher liegt es in der eigenen Verantwortung, mit Klarheit auf den Zustand des eigenen Geistes, der Emotionen und der körperlichen Bedürfnisse zu achten.

"Wie verstehe ich selbst die Sittlichkeitsgelübde?"

Heute sehen die meisten Buddhisten dieses Gelübde als Aufforderung zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität an.

Zum einen gilt es, Anhaftungen zu vermeiden. Wer Suchtverhalten im Bezug auf Selbstbefriedigung, Geschlechtsverkehr oder Pornographie zeigt, hat ein Problem

Der Geist ist dann nicht friedlich, weil er nur auf die Befriedigung der Sucht ausgerichtet ist. Hier sollte man sich womöglich Hilfe suchen.

Zum anderen geht es darum, die Entstehung von Leiden zu verhindern, indem man Achtsamkeit bei der Befriedigung sexueller Bedürfnisse walten lässt.

Ein paar Beispiele nach meinem Verständnis:

  • Vernachlässigt man den Partner, führt das zu Leiden
  • Reduziert man ihn auf ein Sexobjekt, führt das zu Leiden
  • Sexuelle Handlung ohne Einvernehmen führen zu Leiden
  • Täuscht man Liebe vor, um Sex zu bekommen, führt das zu Leiden

Formen von Sexualität

Damit ist ausdrücklich nichts über die Art der Beziehung gesagt.

Ob eine polyamore Beziehung mit mehreren Personen vorliegt, ein einvernehmliches D/s-Verhältnis im Kontext von BDSM, eine homosexuelle Partnerschaft..völlig egal.

So lange die Beziehung kein Leiden schafft, keine Abhängigkeit (Sucht) darstellt und die Einvernehmlichkeit gewahrt bleibt, sehe ich keine Grenzen gesetzt.

Manche buddhistische Lehrer äußern sich gegen Homosexualität. Das ist entweder auf den kulturellen Hintergrund, oder persönliche Vorbehalte zurückzuführen.

Tatsächlich gibt es mittlerweile offen homosexuelle Lehrer oder so genannte "Gay-Sanghas" in den LGBTIQ*+ Personen gemeinsam praktizieren.

Richtiger Umgang mit Schriften

Im Zuge feministischer Blickpunkte auf die Lehre des Buddha gab es in der Vergangenheit auch immer wieder mal Vorwürfe von Sexismus.

So müssen Mönche im Theravada-Buddhismus 227 Regeln einhalten, Nonnen dagegen 311. Als Grund hierfür wird manchmal scherzhaft gesagt, Frauen hätten zwei Brüste, so dass sich mehr Regeln ergeben.

Tatsache ist jedoch, dass beispielsweise der buddhistische Priester Fumon Shoju Nakagawa den unkritischen Umgang westlicher Buddhisten mit Sutras kritisiert.

Gerade der Westen habe doch die Textkritik, die historische Analyse usw. hervorgebracht - weshalb wende man sie nicht auch auf "heilige" Schriften an?

Mit anderen Worten:

Selbst wenn der Buddha vor etwa 2.600 Jahren irgendeinen sexistischen Mist erzählt hätte - möglicherweise vor dem Hintergrund seiner Sozialisation - ist kein Buddhist verpflichtet, diese Dinge stillschweigend zu akzeptieren.

Auch hier gilt also - was "unheilsam" ist, müssen wir selbst erkennen.

Ich hoffe, die Antwort war von Nutzen. :-)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist
Enzylexikon  21.04.2022, 13:54

Prostitution

Ergänzend vielleicht noch etwas zur Prostitution.

Erwartungsgemäß ist die Haltung zu Prostitution uneinheitlich. Einige buddhistisch geprägte Länder haben ausgesprochen lebhafte Prostitution.

Der japanische Mönch Ikkyu (1394 - 1481) schrieb sogar bis heute berühmte Gedichte an eine blinde Sängerin (solche "Unterhaltungsdamen" wurden oft mit Prositutierten gleichgesetzt und tatsächlich war das horizontale Gewerbe weit verbreitet)

Sex und spritituelle Praxis

Sexualität und Erwachen werden nicht immer als Unvereinbar gesehen.

So werden in einigen Formen des Vajrayana-Buddhismus, der auch esoterischer oder tantrischer Buddhismus genannt wird, vom Lehrer bestimmte Sexualpraktiken gelehrt, die spirituell förderlich sein sollen.

Hier setzt auch ein Teil der feministischen Kritik an - Frauen würden hier nur auf "Erleuchtungsgehilfinnen" der Männer reduziert.

Historische Studien haben andererseits mittlerweile gezeigt, welche große Bedeutung auch Frauen in der Geschichte des Buddhismus spielten, so dass man Sexismusvorwürfe nicht pauschalieren sollte.

Sex und Missbrauch

Auch im Buddhismus gab und gibt es Fälle von "sexuellem Fehlverhalten" die nach allgemeinem Rechtsverständnis eindeutig als Missbrauch zu bewerten sind.

So wurde etwa in Deutschland ein angesehener Priester, der sich sehr für den interreligiösen Dialog einsetzte, wegen pädophiler Handlungen und der Herstellung von Kinderpornographie verurteilt. Er hatte eine Mutter mit Kindern bei sich aufgenommen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen und diese dann missbraucht.

In den USA nutzte ein bekannter buddhistischer Lehrer über Jahrzehnte hinweg, bis ins hohe Alter und mit stillschweigender Duldung seiner Gemeinschaft weibliche Anhänger zu sexuellen Zwecken.

Sexuelles Fehlverhalten macht also auch vor "Meistern" nicht halt.

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Geraldfragt  19.03.2023, 13:39

Hallo. Ich hänge mich hier mal dran, weil ich deine Antworten sehr schätze.

Untreue…

”Ich frage für einen Freund” ;)

Wie ist es, wenn man von einer verheirateten Frau geliebt wird und mit dieser sexuellen Kontakt hat ohne jedoch mit dem Ziel eine Partnerschaft eingehen zu wollen.
Es ist ein Akt aus Liebe.

Aber ich hab so meine Probleme mit der Vorstellung (auch aus früheren Erfahrungen).
Sie hat keinerlei bewusstes Problem mit ihrer untreue, jedoch zieht sie meiner Meinung nach natürlich Leiden in ihre Ehe. Auch wenn es ihr nicht bewusst ist (er ist angeblich auch untreu).

Ist das mein Verantwortungsbereich ?

Mein Gewissen würde sich im Fall der Fälle bestimmt melden, aber warum? Weil ich mich in ihren Verantwortungsbereich einmische ?!?
es ist ja nicht so als würde ich sie verführen, es ist einfach magische Liebe wenn man sich nahe ist. Und heilsam im Moment, bis sich das Hindernis des Zweifels und die Sorge melden.

Und beim “Leiden” verursachen gilt es doch sehr aufzupassen. Das man eben keine Strategien entwickelt um Hindernissen aus dem Weg zu gehen, es geht ja darum aus ihnen zu lernen.

Hmm….
bin gespannt auf deine Antwort

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Enzylexikon  21.03.2023, 19:19
@Geraldfragt

Eins vorab: Ich bin kein moralischer Richter und maße mir auch nicht an, einen moralisch einwandfreien Lebensstil zu führen. Das Folgende ist nur meine Meinung.

Du weißt, dass diese Frau verheiratet ist und ihren Partner betrügt. Da du beteiligt bist, hast du natürlich auch eine Mitverantwortung an der Situation.

Wenn ich Waffen verkaufe und der Ehemann bringt seine untreue Partnerin damit um, habe ich durch meinen Waffenhandel auch Mitverantwortung.

Wenn ich hier in Deutschland T-Shirts aus Kinderarbeit mit gefährlichen Chemikalien aus Bangladesch kaufe, habe ich auch eine Mitverantwortung.

Manche Formen von "Mitverantwortung" sind offensichtlich, andere weniger.

Welche Schlüsse man für sich selbst daraus zieht, muss natürlich selbst wissen.

Die Rechtfertigung "Er betrügt mich, also betrüge ich ihn auch"...nun, das ist ihre Sicht der Dinge. Ich persönlich sehe beträchtliches Leiden darin.

Ich hoffe, das war erst einmal hilfreich. :-)

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Es gibt verschiedene buddhistische Traditionen, ebenso wie es auch in anderen Religionen (z. B. dem Christentum) verschiedene Gruppierungen gibt, die alle aus EINEM Ursprung hervor gegangen sind. Ich kenne mich vor allem mit dem vietnamesischen Zen-Buddhismus (nach Thich Nhat Hanh) aus, der im besonderen Maß eine moderne westliche Form des Buddhismus ist. Die 5 Silas heißen dort "Die 5 Achtsamkeitsübungen". Für Ordensmitglieder wurden sie auf 14 Achtsamkeitsübungen erweitert. Und in Bezug auf Sexualität wird unterschieden zwischen Mönchen sowie Nonnen und Laienübende.