Stimmt dieser Satz?
17 Stimmen
2 Antworten
Was an dem Satz falsch ist, erkennt man leicht an ein paar Beispielen:
- Ein Mensch liegt verletzt im Straßengraben und kann sich aus dieser Notlage nicht selbst befreien. Er denkt an sich, denn er hat Schmerzen und Angst, dass ihm niemand hilft. Weil er in dieser Situation an sich denkt, ist an ihn gedacht. Wenn er aber der einzige ist, der an ihn denkt, wird er dort umkommen.
- Du hast Geburtstag und denkst an dich: an dein Alter, frühere Geburtstage, dein Leben, ... Damit ist an dich gedacht. Wenn du aber der einzige bist, der an diesem Tag an dich denkt, wird dich niemand besuchen, niemand gratulieren und es wird ein trauriger Geburtstag.
- Die Frau deines besten Freundes ist gestorben. Er denkt an sich und seine jetzige Lage, an die schöne Zeit mit seiner Frau, trauert. Also ist an ihn gedacht. Denkst du das reicht? Wirst du nicht auch an ihn denken, ihn besuchen, ihm Trost spenden und helfen, zur Beerdigung gehen?
Es gibt beliebig viele Beispiele die zeigen, wie zynisch und egoistisch diese neoliberale Kampfparole ist. Und wie gemein sie Menschen in die Irre führt, indem sie die Doppeldeutigkeit von "an jemanden denken" ausnutzt: An einen Menschen denken heißt eben nicht nur, dass er einen Moment lang neutraler Gegenstand meines Denkens ist, so wie ich "aha, ein Baum" denke, wenn ich einen Baum sehe. Sondern es bedeutet auch, ihm zu helfen, wenn ich sehe, dass er hilfe braucht; ihm alles Gute zu wünschen, wenn ich ihn gut kenne und weiß, dass er Geburtstag hat; ihn zu trösten, wenn er mir nahe steht und ich erfahre, dass er einen geliebten Menschen verloren hat. Es geht also um Menschlichkeit und im weiteren Sinne um Zivilisation, denn die beruht auch darauf, dass Menschen füreinander einstehen. Eine Situation, in der jeder der einzige wäre, der an sich denkt, wäre schlimmer als Barbarei.
Der Satz erscheint nur dann als logisch, wenn er im Sinne der Tautologie verstanden wird: (*) ∀x(x denkt an x) ⇒ ∀x∃y(y denkt an x).
Sozialpolitisch ist aber mit "y denkt an x" gemeint: "y sorgt für das Wohl von x". Und es geht darum sicherzustellen, dass stets für das Wohl von x gesorgt ist. Wenn nun aber die Prämisse von (*) falsch ist, weil x nicht in der Lage ist, für sein Wohl zu sorgen, so wird nach ex falso quodlibet die Aussage (*) wahr, ohne das sichergestellt ist, dass für sein Wohl gesorgt ist. Daher ist (*) zwar nach der klassischen Aussagen- und Prädikatenlogik gültig, nach der sozialpolitischen Logik jedoch nicht. Das perfide dieses Slogans liegt gerade in der absichtlichen Vertauschung dieser beiden Bedeutungsebenen.
Es gibt nur eine Logik. "Sozialpolitische Logik" ist genauso subjektiv und manipulativ wie "soziale Gerechtigkeit".
Nein, es gibt viele Logiken. Für eine Übersicht siehe z. B. diesen Beitrag. Mit sozialpolitischer Logik meine ich Schlussweisen, die nicht nur in der formalen Logik gültig sind, sondern von der inhaltlichen Gültigkeit von Aussagen im sozialen System "Gesellschaft". Z. B. der Schluss, dass ein Mensch in einer Gesellschaft zugrunde geht, wenn er weder selbst für sein Wohl sorgen kann noch andere ihm dabei helfen.
Ja...zumindest wohl im gleichen Sinne wie: "Helfe dir selbst, dann hilft dir Gott...!"
Diese Ausführungen widerlegen die Logik des Satzes nicht.