Ist das Sozialsystem in Deutschland gut und findet ihr es gerecht?
Hallo,
ich wollte mal wissen, ob ihr das Sozialsystem in Deutschland so gut findet wie es ist. Für mich ist es das nicht.
Ich bin der Meinung das der Sinn und Zweck eines Sozialsystems ist, in einer Gesellschaft Alte, Kranke und Behinderte zu unterstützen, Menschen, die sich unverschuldet in einer Notlage befinden und nicht selber zu ihrem Lebensunterhalt beitragen können. ich finde, dass der Sozialstaat diese Kernaufgabe nur mehr schlecht als recht erledigt. Hier mal ein paar Beispiele:
Renten:
Die Durschschnittsrente in Deutschland bei 40 Jahren Arbeit beträgt 1500 Euro. Wenn davon noch Steuern und Sozialabgaben ab gehen bleibt ca. 1200 Euro übrig. In fast jeder süddeutschen Stadt zahlt man inzwischen mindestens 600 euro Warmmiete für eine 1-Zimmer Wohnung. Übrig bleiben dann 600 Euro, d.h. 37 Euro mehr als Bürgergeld. Wenn man bedenkt, dass zum Bürgergeld noch weiter Leistungen kommen, wie kostenlose GEZ, keine Medidamentenzuzahlung etc. steht der, der 40 Jahre gearbeitet hat am Ende kein Stück besser da, als der der gar nichts in die Rentenversicherung eingezahlt hat.
Behinderte und Kranke:
Ich habe einen behinderten Bruder, der 5 h/Tag in einer Behindertenwerkstatt arbeitet, weil er wegen seiner Behinderung nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten kann. Für die Arbeit in der Behindertenwerkstatt bekommt er weniger als 2 Euro/h. Er lebt daher von Grundsicherung, was dem Bürgergeld entspricht + 200 Euro Arbeitslohn. Leben muss er zusammen mit Flüchtlingen und anderen Sozialfällen in einem Sozialwohnungsblock in einer 35m3 Wohnung ohne Balkon. Er leidet sehr unter der Lautstärke, der anderen Bewohner und durch den Schädlingsbefall des ganzen Hauses mit Wanzen und Kackerlacken, gegen die man nichts machen kann, solange einzelne Bewohner des Hauses im Dreck leben und für deren Vermehrung sorgen.
Warum müssten Behinderte in unserem Land so scheiße leben? Ich finde, wer behindert ist und arbeitet, sollte wenigstens so weit aufgestockt werden, dass er ein Einkommen wie in Vollzeit mit Mindestlohn hat.
Arbeitslose
Jemand hat 20 Jahre gearbeitet und wird dann arbeitslos. Nach einem Jahr Arbeitslosengeld I, kommt er automatisch ins Bürgergeld. Hat er sparsam gelebt und sich ein kleines Vermögen für die Altersvorsorge aufgebaut muss er das erst verbrauchen, bevor es Bürgergeld gibt.
Habe ich jedoch noch nie gearbeitet und keinen Cent in die Arbeitslosengeldversicherung eingezahlt, dann noch das Erbe der Eltern verprasst und nie Geld gespart, geht es mir am Ende kein Stück schlechter.
Ich finde es sollte ein Arbeitslosengeld II geben, bei dem die Bezüge abhängig davon sind, wie viele Jahre ich gearbeitet habe, bevor ich arbeitslos wurde. Das ALG II sollte höher sein als das Bürgergeld. Dafür sollte es für die, die nie eingezahlt haben nur eine absolute Grundversorgung geben.
Krankenversicherung
Das derzeitige System ist so ausgelegt, dass die Beitragszahler für die Kosten der Bürgergeldsempfänger aufkommen müssen. Sollten diese Kosten nicht über Steuern finanziert werden, damit alle Bevölkerungsschichten an den Kosten beteiligt sind? Wohhabendere und Beamte sind ja nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ich habe als gut verdienender Mensch 20 Jahre hohe Beiträge in die GKV geleistet. Nun habe ich eine Erkrankung bei der nur eine Behandlung hilft, die 1200 Euro im Monat kostet. Ich habe 7 Jahre lang Duzende andere Behandlungsmöglichkeiten durch, aber nichts hilft so gut wie diese Behandlung. Mein Arzt will die Behandlung nicht machen, weil er Angst hat, am Ende auf den Kosten sitzen zu bleiben, weil die Kasse Probleme bei der Erstattung macht. Ich habe nun nur die Möglichkeit die Behandlung komplett aus eigener Tasche zu zahlen. Die 1200 Euro im Monat kann ich mir nicht leisten. Eine Möglichkeit einen Teil selber zu bezahlen und einen Teil von der Kasse zu bekommen gibt es nicht.
Auf der anderen Seite gibt es Millionen von Menschen, die auch nie einen Cent an Beiträgen geleistet habe, diese muss ich über meine Beiträge finanzieren, während mir medizinisch notwenige Behandlungen aus Kostengründen verweigert werden.
Ich finde es sollte zwei Krankenversicherungen geben, eine für Leute, die Beiträge zahlen in der auch Behinderte und Leute mit Anspruch auf ALG II (siehe oben) enthalten sind und eine Krankenversicherung für Leute, die nie eingezahlt haben und nicht krank oder behindert sind.
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3 Antworten
Unser Sozialsystem lästt viel zu viele Leute im Stich, egal ob Rentner, Arbeitslose, Flüchtlinge und viele andere.
Hmm ja lass uns die Diskussion auf 16 tausend Totalverweigerer lenken während es Millionen Aufstocker gibt.
Ist dir vielleicht mal in den Kopf gekommen das Menschen ohne abgeschlossenen Bildungsweg vielleicht gerade von unserem Sozialsystem im Stich gelassen wurden?
An sich eine gute Idee - ist aber von „Fachkräften“ et al. als willkommenes Rundum-Sorglos-Paket bzw. Hängematte entdeckt worden, während andere auf der Strecke bleiben…
Ich muss sagen, dass du sicherlich absolut reale Missstände beschreibst, ja, aber du ziehst daraus leider die falschen Schlussfolgerungen, und dies machen viele, wenn nicht die meisten. Stichwort: Spaltung...; Das Problem ist nicht, dass andere Arme ''zu viel'' bekommen, sondern dass alle, eben auch die, die arbeiten, und vor allem die, vom System ausgebeutet und in Armut gehalten werden, ganz einfach weil Profit und Kapitalinteressen über sozialen Bedürfnissen stehen. Der Sozialstaat im Kapitalismus dient nicht und diente nie der Gerechtigkeit, der Sozialstaat ist schlichte Verwaltung von Armut und wichtig zur Sicherung des sozialen Friedens, damit das Ausbeutungssystem stabil bleibt.
Also, Fazit für dich und bitte nimm es dir zu Herzen und denk drüber nach: Nicht der ''faule Arbeitslose'' ist dein Gegner, ganz und gar nicht, sondern die herrschende Klasse, die uns alle spaltet und gegeneinander ausspielt. Deine Wut trifft derzeit also die Falschen
Hallo Chaessus, das was Du schreibst klingt gut und logisch einleuchtend. Das Problem ist aber, wie kommt man an das Geld der wirklich Reichen ran? Wer es sich leisten kann, deponiert sein Geld im Ausland und verschleiert alles so, dass es kaum versteuert werden kann. Alle Gesetze bei denen bisher versucht wurde an das Geld der Reichen zu kommen, haben letzendlich die Mittelschicht am Meisten belastet. Siehe z.B. Spitzensteuersatz auf Einkommen. Wenn Du als Alleinverdiener einer Familie mit 3 Kindern 60.000 brutto verdienst, bist Du nicht reich, kannst Dir nichteinmal ein Eigenheim leisten, zahlst aber bereits den Spitzensteuersatz von 50%. Gleiches gilt für die Erbschaftsteuer. Wenn mir meine Eltern ein kleines Häuschen im Wert von 150.000 Euro vermachen, das sie sich durch lebenslange mühsame Lohnarbeit, die auch bereits kräftig versteuert war, vermachen, langt der Staat ordentlich zu.
Der "faule Arbeitslose" ist nicht mein Feind. Ich möchte nur, das die begrenzten Ressourcen gerecht verteilt werden, d.h. der Sozialstaat sollte erstmal seine Kernaufgaben gut erfüllen, d.h. Renter, Behinderte, chronisch Kranke adequat versorgen. Auch sollte die Arbeitslosenversicherung ihren Zweck erfüllen und verhindern, dass es zum totalen sozialen Abstieg kommt, wenn es durch Betriebsschließungen, Alter, struktureller Wandel zu längerer Arbeitslosigkeit kommt. Wenn dann noch genug Geld übrig ist, kann auch der Rest versorgt werden, d.h. Leute, die sich nie um Arbeit bemüht haben.
''wie kommt man an das Geld der wirklich Reichen ran?''
Das Geld, bzw. der gesellschaftliche Reichtum, muss zurückgeholt werden durch entschädigungslose Enteignung und demokratische Kontrolle der Produktionsmittel; klingt radikal, ist es auch, es ist aber gleichzeitig die einzige Möglichkeit.
''Wer es sich leisten kann, deponiert sein Geld im Ausland und verschleiert alles so, dass es kaum versteuert werden kann.''
Tja, das zeigt halt weiterhin, wie das kapitalistische System es den Reichen erlaubt, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern.
''Alle Gesetze bei denen bisher versucht wurde an das Geld der Reichen zu kommen, haben letzendlich die Mittelschicht am Meisten belastet.''
Ja, die Mittelschicht wird zum Sündenbock gemacht, während die echten Profiteure weitgehend unangetastet bleiben; ich nenne das Klassenherrschaft in Reinform.
''Alle Gesetze bei denen bisher versucht wurde an das Geld der Reichen zu kommen, haben letzendlich die Mittelschicht am Meisten belastet. Siehe z.B. Spitzensteuersatz auf Einkommen.''
Kurzfristig und derzeit würde es Sinn machen, die Einkommenssteuer auf Löhne erstmal vollständig unangetastet zu lassen bzw. für viele zu senken, und stattdessen die Kapitalertragssteuer zu erhöhen, aber das alles wäre wieder nur ein Pflaster auf einer riesigen Fleischwunde; echte Gerechtigkeit erfordert einfach tiefere Systemveränderungen, Systemveränderungen welche ich ja bereits erwähnte.
''Wenn Du als Alleinverdiener einer Familie mit 3 Kindern 60.000 brutto verdienst, bist Du nicht reich, kannst Dir nichteinmal ein Eigenheim leisten, zahlst aber bereits den Spitzensteuersatz von 50%.''
Ja, unfair, unvernünftig, eben beschissen
''Wenn mir meine Eltern ein kleines Häuschen im Wert von 150.000 Euro vermachen, das sie sich durch lebenslange mühsame Lohnarbeit, die auch bereits kräftig versteuert war, vermachen, langt der Staat ordentlich zu.''
Ja, ein weiterer Ausdruck der Klassenungleichheit bzw. Ausdruck des Klassenkampfes von oben nach unten im Steuerrecht.
''die Erbschaftsteuer''
Dennoch sollte man sich auf gar keinen Fall gänzlich gegen die Erbschaftssteuer aussprechen! Sie wird ein wichtiges Instrument sein, um die Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen weniger zu brechen, um die generationsübergreifende Perpetuierung des Reichtums und damit der Klassenherrschaft zu brechen.
''Der "faule Arbeitslose" ist nicht mein Feind. Ich möchte nur, das die begrenzten Ressourcen gerecht verteilt werden, d.h. der Sozialstaat sollte erstmal seine Kernaufgaben gut erfüllen, d.h. Renter, Behinderte, chronisch Kranke adequat versorgen. [...] Wenn dann noch genug Geld übrig ist, kann auch der Rest versorgt werden, d.h. Leute, die sich nie um Arbeit bemüht haben.''
Das ist exakt wieder diese gewollte Spaltung unter den Schwächsten; wir haben absolut genug gesellschaftliche Ressourcen, um uns adäquat um jeden einzelnen zu kümmern, um jedem ein anständiges, gutes Leben zu ermöglichen, aber drei Mal darfst du raten, wer genau diese eigentlich vorhanden gesellschaftlichen Ressourcen zurückhält, ganz bestimmt nicht der Langzeitarbeitslose, der sich nicht bemüht um Arbeit. Wir müssen uns den Reichtum dort (zurück)holen, wo er leistungslos und unproduktiv sich konzentriert: bei der besitzenden Klasse. Also, fall nicht auf diese falsche Frontlinie herein, denn genau das ist das Ziel der herrschenden Ideologie, und sehr viele sind ihr schon vollständig erlegen.
Weiß nicht? Das was Du schreibst klingt alles sehr nach Systemwechsel und richt nach Sozialismus. Da hatten wir schon mal. Hat nicht funktioniert und zu extremer Unfreiheit geführt. Kapitalismus ist kein gutes Sysem, aber ich halte es für das einziges was leider halbwegs funktioniert. Ich will eigentlich auch nicht auf einen großen Systemwechsel warten, der alles gerechter macht, sondern überlege mir eher wie man im hier und jetzt mit kleineren Reformen und Gesetzesänderungen im bestehenden System mehr Gerechtigkeit schaffen könnte. Man könnte z.B. auf einen Schlag mindestens 300 Milliarden Euro frei machen, wenn man Leuten, die nie ins Sozialsystem eingezahlt haben und die gesund und arbeitsfähig sind auf ein Bett-Brot und Seife System umstellt. Dann war der Sozialstaat wieder in der Lage seine Kernaufgaben zu erfüllen.
und unterstützt leider arbeitscheue und die ohne schulbildung .