An die AfD-Wähler: Wie steht ihr zu Tino Chrupallas Israel-Aussagen?
Vor ein paar Tagen hielt der AfD-Chef Tino Chrupalla eine Rede im Bundestag, in der er Aussagen tätigte, die vielen seiner Parteikollegen so gar nicht passten.
Er forderte das Ende „exklusiver Solidaritätsbekundungen“ und „einseitiger Parteinahmen“ Deutschlands in Bezug auf den Nahen Osten. Es sei „an der Zeit, sich kritisch und objektiv auch mit der israelischen Regierung auseinanderzusetzen“. Auch einen Stopp der Waffenlieferungen forderte er deutlich: „Mit Ihren Waffenlieferungen an Israel akzeptieren Sie die Entmenschlichung aller zivilen Toten auf beiden Seiten“. Doch was mich besonders verwunderte, er kritisierte sogar „pauschale Islamfeindlichkeit“.
Nach Informationen von WELT AM SONNTAG hat Chrupalla mit seinen Äußerungen in Teilen seiner Fraktion für große Verärgerung gesorgt. Hinter vorgehaltener Hand sprechen AfD-Abgeordnete von „linkem, pazifistischem Unfug“, „unverständlichen Anwandlungen“ und einem „Tiefschlag gegen die Fraktionslinie“, der die AfD bei Konservativen „ins Abseits“ stelle. „Es wäre erfrischend, wenn Chrupalla mal eine außenpolitische Position vertreten würde, die sich von der Moskaus unterscheidet“, sagt ein Mitglied der Fraktion. „Er kritisiert Israel, aber nicht die Hamas. Was hält ihn davon ab, zum BSW zu gehen?“, fragt ein anderes Fraktionsmitglied. „Sich so krass gegen Israel zu wenden, ist nicht Beschlusslage.“
Doch er hat auch Unterstützer, die von einem „konsistenten Friedenskurs“, dem „Gebot der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Mächte“ sowie Deutschland als „neutralem Mittler“ sprechen.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl aus Thüringen unterstützt Chrupalla mit einem Video, welches er mit „Großes ist gestern passiert“ einleitete. Er übte harsche Kritik an seine pro-israelischen Parteikollegen: „Westdeutsch sozialisiert, Israel darf alles, die anderen dürfen nichts und wir sollen das auch noch unterstützen“. Er benutzte den Begriff des Völkermordes bezüglich des Gaza-Krieges und forderte seine Kollegen auf, über ihren Kurs nachzudenken: „Überlegt mal, ob die Einstellung dieser vermeintlichen Staatsräson wirklich so richtig ist.“.
Von daher würde mich interessieren wie ihr als AfD-Wähler dazu steht.
Gebt gerne auch eure Einschätzung ab, ob es in Zukunft vielleicht zu einem Kurswechsel der AfD in diesem Thema kommen könnte, ggf. wollen manche AfD Politiker ja auch konservative Muslime in Deutschland mit Kritik an Israel abholen.
Quellen:
Reaktionen von Chrupallas Parteikollegen: https://www.welt.de/politik/deutschland/article254080382/AfD-Kritik-an-Chrupalla-Ich-verstehe-nicht-wieso-wir-als-AfD-nun-Israel-in-den-Ruecken-fallen.html
Chrupallas Rede: https://youtu.be/o08Q2HmRXQI?si=3HnnVzeGaijqZwG-
Video von Jürgen Pohl: https://x.com/Freddy2805/status/1847201411001458987
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3 Antworten
Die in Hessen, also in Westdeutschland, gegründete AfD ist ihrem Parteiprogramm nach solidarisch mit Israel und der sogenannten "westlichen Wertegemeinschaft". Das ist auch der in der West-AfD vorherrschende Kurs.
Chrupalla ist jedoch das Sprachrohr der Ost-AfD. Diese ist durch Ostdeutsche geprägt, denen die bedingungslose Solidarität gegenüber dem Judenstaat weniger wichtig ist. Dies liegt an ihrer politischen Sozialisierung in der Deutschen Demokratischen Republik, die sich ja als sozialistisch und anti-imperialistisch verstand und in dieser Tradition Israel kritisch beäugte als ein letztes Relikt des westlichen Imperialismus.
Sachlich hat Chrupalla durchaus Recht. Die bedingungslose Unterstützung Israels hat keinen praktischen Nutzen für uns Deutsche. Doch unsere BRD ist nun einmal an die „westliche Wertegemeinschaft“ gebunden, kann da nicht so einfach ausscheren. Zu deren ideologischen Grundlagen gehört der unbedingte Philosemitismus und auch die ostentative und möglichst tatkräftige Unterstützung des jüdischen Staates wird gerne gesehen. Die Briten und Amerikaner haben dies sehr früh begriffen, die Westdeutschen wurden nach der Stunde Null aber auch in diesem Sinne erzogen.
Nicht aber die Ossis, für die Gerechtigkeit gegenüber den „ausgebeuteten Völkern“ der Erde ihrer marxistischen Erziehungstradition nach wichtiger ist. Im Westen gab es während der 68er-Revolte zwar die Anti-Imps und selbsternannten „Maoisten“, aber diese sind nach ihrem Marsch durch die Institutionen längst zu neulinken bzw. „grünen“ Antideutschen mutiert, die sich fest hinter die jüdisch-westliche Wertegemeinschaft stellen und für deren Interessen agieren. In den USA nennt man die entsprechenden Kräfte NeoCons.
Die politische DNS von West- und Ostdeutschen ist also eine andere und in allen Fragen, in denen es um Israel geht, unverträglich. Chrupalla wird im Osten den Beifall des antiwestlichen Ressentiments erheischen können, im Westen jedoch ostentative geheuchelte Empörung ernten.
Ich bin kein AFD Wähler, aber politisch schon etwas rechts orientiert und finde seine Aussagen im Kern ganz vernünftig.
Kann aber auch sehr gut verstehen, warum es der Partei selbst überhaupt nicht gepasst hat.
Man muss aber auch generell sagen, dass sich Chrupalla von den aktuellen "Werten" der AfD schon öfter distanziert hat.
VG
Die Äußerungen und die anschließende Reaktion innerhalb der AfD verdeutlichen die starke Polarisierung in der Diskussion über den Nahostkonflikt und Deutschlands Rolle darin. Seine Forderung, die israelische Regierung kritisch zu hinterfragen und Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, bedeutet einen klaren Bruch mit der bisher häufig unkritischen Unterstützung Israels durch viele AfD-Mitglieder.
Die Reaktionen seiner Parteikollegen zeigen, dass es innerhalb der AfD unterschiedliche Strömungen gibt, die sich stark in ihrer außenpolitischen Haltung unterscheiden. Während einige Mitglieder seinen Ansatz als pazifistisch und unverständlich ansehen, betrachten andere ihn als Chance, sich als neutraler Vermittler im Konflikt zu positionieren.
Diese Debatte über den Nahostkonflikt ist nicht nur für die AfD von Bedeutung, sondern spiegelt auch größere gesellschaftliche Diskussionen wider. Themen wie Solidarität, Menschenrechte und die Rolle von Staaten in internationalen Konflikten sind emotional belastet. Wie sich diese internen Spannungen auf die künftige Positionierung der AfD auswirken werden und ob Chrupalla weiterhin Unterstützung in seiner Fraktion finden kann, bleibt abzuwarten.
LG aus Tel Aviv
(keine AFD Sympathisantin)