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Ob nur die AfD Deutschland retten kann? Nein.
Ein moderner Nationalstaat ist kein Schachbrett, auf dem eine einzelne Figur den Verlauf der Partie allein bestimmen könnte. Er ist ein Geflecht aus konkurrierenden Interessen, institutionellen Checks and Balances, rechtlichen Bindungen und internationalen Verpflichtungen. In diesem komplexen System ist die Vorstellung, eine Partei könne im Alleingang „retten“, was als bedroht empfunden wird, eine intellektuelle Reduktion – vergleichbar mit dem Glauben, man könne ein Ozeandampfer mit einer einzigen Ruderbewegung auf neuen Kurs bringen. Selbst im theoretischen Fall einer absoluten Mehrheit stünde die AfD vor der Unverrückbarkeit bestimmter Strukturen: Bundesrat, Bundesverfassungsgericht, EU-Recht, völkerrechtliche Verträge, wirtschaftliche Abhängigkeiten – alles Faktoren, die politische Willensbildung in ein Netz aus Machbarkeit und Widerstand einspannen.
Dass die AfD in Teilbereichen – Migration, europäische Integration, nationale Souveränität – eine deutlich abweichende Programmatik vertritt, ist unbestreitbar. Für viele Bürger wird sie dadurch zum Symbol eines Bruchs mit dem Status quo. Doch Symbolik ist nicht gleich Umsetzung. Die politische Geschichte lehrt: Bewegungen, die sich als exklusive Heilsbringer inszenieren, verfangen sich oft in dem, was Max Weber als „Tragik der Macht“ beschrieb – dem Spannungsfeld zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Wer in der Opposition kompromisslos wirken kann, wird in Regierungsverantwortung schnell mit der Notwendigkeit konfrontiert, Kompromisse zu schließen, Mehrheiten zu bilden und Realpolitik zu betreiben.
Die Idee des „Monopolretters“ ist zutiefst menschlich. Sie entspringt dem Bedürfnis nach klaren Feindbildern, eindeutigen Lösungen und der Hoffnung, Komplexität auslagern zu können. Doch gerade in einer Gesellschaft mit pluralen Interessen und offenen Kommunikationskanälen ist Rettung kein einmaliger Akt, sondern ein fortlaufender Prozess, der sich zwischen Widerstand und Anpassung, Vision und Pragmatismus abspielt.
Die AfD kann – wie andere politische Kräfte auch – Impulse setzen, Missstände benennen und Handlungsdruck erzeugen. Aber sie kann Deutschland nicht „allein retten“, weil Rettung in einer Demokratie niemals ein Monopol sein kann. Sie ist, um es in den Worten Hannah Arendts zu sagen, „immer ein gemeinsames Werk vieler“ – und darin liegt sowohl die Begrenzung als auch die Stärke einer pluralistischen Ordnung.
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