Worin liegt der Unterschied zwischen dem Schicksal und dem Determinismus?

7 Antworten

ganz kurz: Schicksal = mystisch

Determinismus = wissenschaftlich

In der östlichen Philosophie wird Schicksal gleichgesetzt mit selbstverursachtem Karma aus früheren Inkarnationen. In der europäischen Lehre der Wiederverkörperung (Pythagoras, Platon, Lessing, Steiner) taucht dieses Begriffspaar ebenfalls auf. Schicksal bedeutet hier der Ausgleich von individueller Schuld. Insofern ist es ein Weg zur Vervollkommnung des Ich. Es ist also hier kein Widerspruch zur Freiheit, sondern eine Bedingung von individueller Entwicklung.

Determinismus ist ein Standpunkt/eine Auffassung, nämlich des Vorliegens einer Determiniertheit (Bestimmtheit). Schicksal ist dagegen etwas, das jemand möglicherweise als Faktor beim Vorliegen einer Determiniertheit annimmt. Ein angebliches Schicksal ist dabei nicht der einzige denkbare Faktor, sondern nur eine Variante unter mehreren denkbaren. Determinismus kann auf der Annahme einer Existenz eines Schicksals als bestimmende und notwendig festlegende Macht beruhen, sich aber auch auf eine deutlich andere Begründung berufen.

Determinismus stammt vom lateinischen Verb determinare („abgrenzen“, „bestimmen“), wobei das französische Substantiv déterminisme Vorbild war. In Bezug auf Willensfreiheit (die Frage, ob Personen bei ihrer Willensbildung frei sind) verneint ein harter/radikaler Determinismus ihre Existenz und behautet, Ereignisse, Zustände und Abläufe seien auf notwendige Weise bestimmt. Die Zukunft liegt demnach fest.

Für einen Determinismus in Bezug auf Willensfreiheit in einem weiten Verständnis des Begriffes sind verschiedene Faktoren denkbar, auf die sich dieser Standpunkt beruft/mit denen er argumentiert. Eine Variante ist die Annahme der Existenz und des Wirkens eines Schicksals. Mit Schicksal ist in diesem Fall eine Kraft/höhere Macht gemeint, die alles Geschehen, darunter das menschliche Leben, auf notwendige Weise bestimmt, ein Lenken, das nicht nur eine Beeinflussung ist, sondern darüber hinausgeht und das Geschehen festlegt. Ein Schicksal dieser Art, Heimarmene (εἱμαρμένη), enthielt z. B. die Lehre der Stoiker.

Determinismus ist in Bezug auf die Frage einer Willensfreiheit jede theoretische Annahme, bei der die das Wollen determinierenden (bestimmenden) Motive (Gründe) als zwangsmäßige beschrieben werden. Notwendige äußere oder innere Ursachen bestimmen nach dieser Lehre die Handlungen und Entscheidungen. Andere denkbare Faktoren als Schicksal sind Gottheiten (im Unterschied zu Schicksal immer personenartig und damit Subjekte) und Gesetzmäßigkeit einer Ursache-Wirkungs-Kette.

Es gibt auch ein enges Verständnis des Begriffs Determinismus als Auffassung, alles sei durch unabänderliche Naturgesetze bestimmt. Die Wirklichkeit sei durchgängig gesetzmäßig bestimmt. Daher sei alles Geschehen aus Wirkursachen her (Kausalität) erklärbar und zukünftige Ereignisse grundsätzlich vorhersehbar (vgl. Gerhard Frey, Determinismus/Indeterminismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2: D – F. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1972, Spalte 155 – 157).

Der Glaube an ein festlegendes Schicksal kann als Fatalismus (vgl. zu diesem Begriff Jürgen Ruhnau, Fatalismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2: D – F. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1972, Spalte 913 – 915) auftreten.

Fatalismus stammt von dem lateinischen Substantiv fatum („Ausspruch“, „Götterspruch“, „Schicksal“, „Verhängnis“, „Götterwillen“, „Bestimmung“, „Geschick“) und dem Adjektiv fatalis („vom Schicksal bestimmt/beschlossen/verhängt/verfügt/herbeigeführt“, „verhängnisvoll“, „Verderben bringend“). Fatalismus ist die Auffassung, jedes Geschehen vollziehe sich absolut notwendig als unausweichliches Schicksal.

Immanuel Kant hat unter Fatalismus die Lehre von a) der blinden Notwendigkeit in Entstehung und Ablauf der natürlichen Welt und b) dem Idealismus der Zweckmäßigkeit, die Kausalität eines höchsten Wesens, die unmittelbar den Grund der Handlungen der Menschen in der Zeit enthält, verstanden.

Johann Gottlieb Fichte verstand in einer Begriffsausweitung unter Fatalismus jede Lehre, die eine ausschließliche Bestimmung des Ich durch sich selbst in Frage stellt.

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling hielt beim Fatalismus freies Handeln und Geschichte durch ein blindes Schicksal für prädeterminiert (vorherbestimmt).

Fatalismus hält alle Prozesse der Natur und Gesellschaft für von einer höheren, unabwendbaren Macht (Gott, Gesetz, kosmische Ordnung) abhängig und von ihr vorherbestimmt und gelenkt. Eine unausweichliche Kausalkette oder Fügung (Schicksal) herrschten, denen der Wille des Menschen nichts entgegensetzen könne. Fatalisten ergeben sich in das (sinnlose oder zumindest unbeeinflußbare) Schicksal (bejahend oder resignativ). Sie haben ein Gefühl des Ausgeliefertseins.

Das Bedeutungsfeld und der Begriffsumfang von Determinismus und Fatalismus überschneiden sich erheblich.

Albrecht  02.10.2012, 03:55

Unterschiede:

Bei einem weiten Verständnis von Determinismus (keine Einschränkung auf naturwissenschaftliche erforschbare Gesetzmäßigkeit der Ursachen) ist jeder Fatalismus ein Determinismus, aber nicht jeder Determinismus ein Fatalismus (ein Gedanke einer Schicksalsfügung einer höheren Macht kann fehlen).

Fatalismus ist nicht nur eine theoretische Lehre, sondern auch eine Einstellung.

Determinismus kann sich auf eine bemerkbare und erforschbare regelhaften Zusammenhang mit vorausliegenden Umständen und Gesetzmäßigkeit beziehen, bei der die Ursachen im Einzelnen festgestellt werden. Fatalismus dagegen sieht einfach nur einen durch ein Schicksal unabänderlich festgelegten Ablauf, ein Gesamtergebnis ohne nähere Untersuchung der Verursachung im Einzelnen mit bestimmten Gesetzen (deshalb vollzieht sich für ihn eine blinde Notwendigkeit).

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Im Grunde geht es um eine Frage der Metaphysik. Da gibt es die Sicht von "unten nach oben", die empirische, die von der Erfahrung ausgeht und uns Menschen ganz und gar als Teil der Natur sieht? Gegensätzlich dazu ist die Sicht von "oben nach unten", die über uns als Ursprung ein Göttliches, ein Geistiges sieht und Welt als Schöpfung? Für diese beiden Sichtweisen bedeuten ICH und FREIHEIT etwas Grundverschiedenes!

In beiden Sichtweisen gibt es eine Neigung zum Determinismus wie zu Indeterminismus, doch jeweils anders begründet. In der empirischen Fraktion ist Demokrit als Vertreter eines strengen Determinismus jemand, der die Welt als "großes Uhrwerk" sieht, Rädchen greift in Rädchen. Das ist die totale Gesetzmäßigkeit, der niemand entrinnen kann. Sein Gegenpart ist Epikur, der zwar den Menschen als Teil der Welt, eingebettet in Gesetze der Natur und Gesellschaft sieht, aber nicht so streng, dass kein Raum für Entscheidungsfreiheit bleibt. Doch auch bei ihm ist Freiheit nicht beliebig, sondern wir sind als Menschen immer auch Teil der Welt und unserer selbstgeschaffenen Gesellschaft.

Die "Himmels- oder Geistabteilung" unterscheidet sich, je nachdem, welchen Anteil wir als „Teilgeist“ am großen Geist haben. Die einen setzten das ICH fast mit Gott gleich und heraus kommen fast göttliche Freiheiten, deren wir nur nicht teilhaftig sind, weil in Welt und Körper eingesperrt. In einer anderen Sicht dominiert die göttliche Vorsehung alles (Kismet im Islam), und unser Leben liegt ganz und gar in der Hand Gottes. Was er in seiner Weisheit entschieden hat, ist unser Schicksal. Das Christentum ist diesbezüglich in sich widersprüchlich.

Differenzierter ist die Stoa. Sie sah Freiheit als Einsicht in die göttliche Ordnung des Logos, in die Notwendigkeit, die unser Schicksal ist, an dem wir uns jedoch mit mehr oder weniger Erfolg „abarbeiten“ können. Da ist auch der zentrale Unterschied zum Epikureismus, der anstelle der göttlichen Ordnung des Logos die sich prozesshaft, zukunftsoffene Fügung der natürlichen Prozesse setzte. Innerhalb dieser Prozesse gibt es nach Epikur auf die Zukunft gesehen immer wieder Wahlfreiheit zwischen Alternativen. Diese Prozesse sind nach vorne offen und wir lassen uns zu gern täuschen, wenn wir die Frage nur im Rückblick bewerten. Für Epikur ist „unser Schicksal“ im Rahmen der natürlichen Ordnungen gestaltbar.

Tigrillo  28.09.2012, 18:33

Prima!

"Demokrit als Vertreter eines strengen Determinismus .... der die Welt als "großes Uhrwerk" sieht, Rädchen greift in Rädchen. Das ist die totale Gesetzmäßigkeit, der niemand entrinnen kann."

Ich kann es hier nicht beweisen (vielleicht braucht es einen Gödel dazu), aber mir scheint eine solches Gesetz nicht vereinbar mit der Existenz von Bewusstsein und sogar mit der Frage nach Vorbestimmtheit. M.a.W. : Eine Welt, in der alles deteminiert ist, kann es keine Bewusstheiten geben, die dieses anzweifeln.

"Das Christentum ist diesbezüglich in sich widersprüchlich. "

Gibt es einen Unterschied zwischen Erstem und Zweitem Testament?

" Diese Prozesse sind nach vorne offen und wir lassen uns zu gern täuschen, wenn wir die Frage nur im Rückblick bewerten"

Eben! Ein ähnlicher Trugschluss entstand auch wegen des Erfolges des Mechanistischen Weltbildes.

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Hi! Beim Schicksal geht es gleichsam darum, daß "höhere Mächte" unser Leben steuern (beeinflussen). Determinismus hingegen meint, daß alles in einem "mechanischen" Sinn vorherbestimmt ist, also determiniert ist. LG