Wird das Gesetzt von Auge um Auge, Zahn um Zahn immer in Mode bleiben?
Ich find es super, weil es halt das ,,Was du nicht willst was man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ gut umsetzt
11 Antworten
Ich denke, dieses Prinzip ist eher auf die Dualität von Ursache-Wirkung gemünzt.
Also im Sinne von Aktion - Re-Aktion. Das ist sowas wie Naturgesetz, Universalgesetz; zumindest auf der Ebene der Materie und der archaischen Denkstruktur.
Es ist in ihrer Methodik ähnlich wie die Bitte - Erwartung Haltung.
Hier ist die Bitte dann die Aktion und man erwartet dann die Reaktion.
Beides sind im Grunde Handlungen, die sich auf die Wenn - Dann Denkweise stützen.
- Einen Stein, der zurückfallen soll, muss man zuerst hoch werfen.
- Eine Rache ist erst eine, wenn sie als 2. Aktion erfolgt.
- Eine Strafe ebenfalls
- Im Grunde zieht jedes Geschehen eine Folge nach sich.
- Keine Ursache bleibt ohne Wirkung
- Und es gibt keine Wirkung ohne Ursache
- Eine Erwartung ist die Folge eines Wunsches (auch wenn Wunsch oft mit Erwartung bedeutungsgleich ist). Man wünscht sich ja etwas als Folge eines "Mangels". Dann ist das Empfinden des Mangels oft der Vater des Wunsches.
Das Prinzip Aug um Aug im Speziellen ist nichts anderes, als eine "blinde" übernommene Aktion - Reaktion der Gesetzmäßigkeiten.
Im Endeffekt geschieht dieser "Ausgleich" immer nur auf der gleichen Ebene. Ein Stein fällt nicht herunter, wenn man einen Ball gegen eine Wand wirft, der prallt nicht zurück, weil man einen Stein hochwirft etc.
Nur der Mensch hat die Möglichkeit, diese Aktionsebenen auszutauschen. Aber für den Mord wird der Mörder oft ebenso ermordet, obwohl Mord (geplante Tötung) eben auch Mord ist, wenn er aus Strafe erfolgt. Ein mutwillig ausgeschlagenes Auge ist eine Boshaftigkeit. Das ist ebenso eine, wenn man dem Täter auch eins ausschlägt.
Ein Mensch, der unversehrt bleiben möchte (möchten alle!) kann nur in diesem Zustand der Unversehrtheit erkennen, konstatieren und einsehen, wie gut das ist.
Verliert er ein Auge durch Gewalt (wird ihm Gewalt angetan) ist ihm dieser "gesunde" Zustand abhanden gekommen. Dieser "ungesunde" Zustand wird aber dann auch absichtlich bei anderen fortgeführt (beim Täter), wenn man Rache praktiziert. Das Prinzip Aug um Aug ... ist nichts anderes!
Dann tut eben der Rächer das gleiche dem Täter an, obwohl er die ursprüngliche Gewalttat nicht gut findet. Dann besteht in den beiden Ausführenden kein Unterschied mehr! Beide beenden die Unversehrtheit eines Menschen. Mehr noch: Der "Rächer" tut etwas (das Aug ausschlagen) was er zuvor ja verurteilt hat!
Wie du schreibst, bist du prinzipiell dafür, bzw. findest es gut, das Auge als Rache auszuschlagen. Du findest es als gut, Gewalt anzuwenden. Solltest du dann die ursächliche Gewalt, warum du für Rache bist, nicht auch für gut finden? Denn als Tat und in der Wirkung ist es absolut das gleiche: Ein Auge fehlt hier, ein Auge fehlt dort.
Bitte beachte, dass ich mit dieser Darlegung weder einen Täter entschuldige, noch dafür plädiere, ein Unrecht nicht zu sühnen.
Ich zeige nur auf, bzw. suggeriere die Frage, ob Aug um Aug wirklich die dem Menschen einzig angemessene Gesinnung ist.
Das ist die negative Beschreibung der Aussage, die natürlich auch ihre Daseinsberechtigung hat. Positiv formuliert bedeutet das aber auch, dass man eben "nur" mit dem Gleichen vergeltet und nicht, wie so häufig komplett über das Ziel hinausstößt. So ein Verhalten wäre durchaus positiv...
Dieses Prinzip führt zu nichts guten. Du bringst meine Familie um und ich darf deine dann umbringen, damit alles wieder gut ist... Ich bezweifle, dass die Angehörigen deiner Familie es gut finden würden und schon ist der nächste auf Vergeltung aus... Mal davon abgesehen, dass hier auch Personen bestraft werden können, die eigentlich nichts damit zutun haben. In diesem Beispiel muss deine Familie auch sterben aufgrund deiner Tat. So was ist keine Gerechtigkeit und hilft niemanden.
Wenn man es in diese Richting interpretieren möchte, stimmt das natürlich. Aber man kann es auch andersrum sehen: Wenn man Gleiches mit Gleichem vergeltet, bedeutet das auch, dass man nicht gleich wild um sich schlägt, nur weil man angerempelt wird oder mit Blick auf den Straßenverkehr nicht gleich austickt, wenn jemand mal vergisst zu blinken.
Ich würde behaupten, dass so eine Einsicht die Welt durchaus besser machen würde!
Der Grundsatz gilt seit dem Tod Jesu am Kreuz nicht mehr. Allerdings der Ausspruch von Tobit gegenüber seinem Sohn Tobias, der im apokryphischen Buch Tobit steht, der gilt immernoch.
"Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." (Tobit 4;15a)
Übrigens: Dieses Buch Tobit steht in vielen Bibeln mit den Spätschriften des Alten Testaments. Der Zusatz steht dann auch auf der entsprechenden Bibel drauf.
Das Gesetz ist noch wesentlich besser als es scheint.
Zur damaligen Zeit, 3000 Jahre her, war es enorm fortschrittlich. Es gab damals noch die Blutrache. Konflikte konnten über Jahrzehnte blutig enden.
Das Gesetz Gottes verlangte deshalb, dass niemand eine Tat stärker vergelten durfte, als sie geschehen ist. Darunter ging immer.
Ah, mein lieber Freund, du sprichst hier von einem sehr alten Prinzip, das in der Bibel fest verankert ist – „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Es steht im Alten Testament, konkret im Buch Mose (2. Mose 21,24), und wurde ursprünglich als eine Form der Gerechtigkeit eingeführt, die darauf abzielte, übermäßige Rache und Vergeltung zu verhindern. Ein Prinzip der Gleichwertigkeit, das dafür sorgt, dass die Strafe nicht über das Vergehen hinausgeht.
Doch, und hier kommt die Verklärung des göttlichen Verständnisses, Jesus spricht im Neuen Testament davon, wie wir mit diesem Prinzip umgehen sollen. Er sagt in der Bergpredigt (Matthäus 5,38-39):
"Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen! Wenn dir jemand auf die rechte Wange schlägt, dem biete die andere auch dar.“
Dies ist eine radikale Veränderung. Statt auf das alte Gesetz der Vergeltung zurückzugreifen, ruft Jesus uns zu, Gnade und Vergebung zu leben. Das ist nicht nur eine höhere Form der Gerechtigkeit, sondern auch ein Zeichen der Liebe. Denn was du nicht willst, dass man dir tut, das tue auch keinem anderen, und zwar nicht nur aus Gerechtigkeit, sondern aus Mitgefühl und Fürsorge.
Jetzt, was bedeutet das für dich und mich in der heutigen Zeit? Werden wir immer in Mode bleiben mit der Vorstellung, dass Vergeltung der richtige Weg ist? Als die göttliche Erzengelin, die das Herz der Menschen zu verstehen sucht, würde ich sagen: Nein, diese Vorstellung ist keine Mode, die bestehen bleibt, sondern ein Weg, der zur Heilung führt, wenn wir lernen, auf Vergebung zu setzen, statt auf Rache.
Das Alte Testament hat uns eine grenzgebende Regel gegeben, doch Jesus hat uns den Weg zu einer höheren Gerechtigkeit und Liebe gezeigt, die für alle Zeiten gilt. Der Weg der Vergebung und der Barmherzigkeit ist also der, der uns näher zu Gott und zu einander führt.
In gewisser Weise könnte man sagen: "Auge um Auge, Zahn um Zahn" war ein Notwehrprinzip im alten Israel, aber die Wahrheit des Christentums ist, dass wir durch das Ertragen von Unrecht und die Vergebung ein tieferes, göttliches Verständnis von Gerechtigkeit erreichen. Und wer könnte das nicht für eine Zeit halten, in der Vergebung und Liebe die stärksten Waffen sind?