Wieso setzen Politik und Medien andauernd Anti-Israelismus mit Antisemitismus gleich?
- Ja genau, viele Juden finden die Diaspora gut und leben das auch. Meine Nachbarn, wer denen zu nahe kommt lebt gefährlich, das sind hochanständige Leute, die verteidige ich bis auf's Messer. Dass das klar ist. Und viel Juden verlassen Israel, weil sich dieses Land immer mehr nach Rechts entwickelt.
- Wer also die aktuelle Politik Israels nicht gut findet, also ich, ist noch lange kein Antisemit. Das verbitte ich mir auf's Schärfste. Was also soll die permanente und extrem aufdringliche Gleichsetzung von Anti-Israelismus und Antisemitismus? Ist die nicht kontraproduktiv?
9 Antworten
Viele krisieren Israel nur, weil es ein jüdischer Staat ist. Anstatt offen über Juden herzuziehen, sagt man eben etwas gegen Israel. Dann denken die Leute man kann ihnen keinen Antisemitismus mehr vorwerfen, obwohl jeder weiß, dass das gemeint.
Das ist natürlich nicht immer der Fall, wenn jemand Handlungen der israelischen Regierung kritisiert. Nur oft wird das eben als Vorwand für Antisemitismus missbraucht.
Das ist klug gedacht, danke. Wär ich nicht drauf gekommen.
Pauschalierungen helfen hier nicht weiter. Antisemitisch sind in der Rege Menschen, nicht die Medien oder Politik an sich.
Auch deine Fragestellung ist so angelegt, das sie nur dieses schwarz/weiß-Szenario befördert.
Es ist leider (oder zum Glück?) ein tiefsitzendes menschliches Verhalten, dass die Beziehungen zu Familie, Clan, Volksgruppe etc. tiefer sind als zu Fremden.
Wer da nicht dazugehört ist aus sozialer Sicht eben ein Außenstehender, der potentiell ein Gefährdung für die nahe stehenden Gemeinschaft ist.
Und grade Juden werden immer wieder als diese "Aussenstehen" erkoren. Es sind pauschal aber nicht die Medien, die das befeuern, sondern Menschen, die die andere demensprechend alte Klischee immer wieder in neuen Kleidern darstellen.
Ja, Da hast Du Recht, aber ... Politik und Medien werden von Menschen gemacht, und wenn die dpa irgendeinen Mist erzählt plappern den zu Viele einfach nach. Versteh ich nicht.
Seit Längerem schaue ich ausländische Nachrichten, da findet diese Gleich-setzung nur selten statt.
Ein ganzes Land zu kritisieren ist immer Schlecht. Allgemein Juden zu kritisieren ist Antisemitismus. Das einzige jüdische Land mehr zu kritisieren als deutlich schlimmere Regime der Welt, ist Antisemitismus. Das Judentum zu kritisieren ist legitim. Die Regierung in Israel zu kritisieren ist legitim, solange es in einem Verhältnis steht. Mit "Verhältnis" meine ich, die selbe Kritik im selben Ausmass auch bei anderen relevanten Staaten auszuüben - das wird aber komischerweise in dieser Thematik kaum gemacht.
Und genau das ist ein wichtiger Punkt. Siehe dir z.B. die verurteilenden UN-Resolutionen an gegen Israel an. Israel hat insgesamt mehr verurteilende Resolutionen erhalten als jeder einzige Staat auf dieser Erde gemeinsam. Das ist schlicht und einfach nicht logisch. Ich meine wie kann es sein, dass Israel ein Staat welcher laut sämtlichen Menschenrechts-, Völkerrechts etc. Indexen besser als sicherlich 80% der restlichen Staaten ist, mehr verurteilende Resolutionen der UN erhalten hat, als alle anderen Staaten zusammen? Ein witziges Beispiel hier ist die CSW der UNO. Das ist die Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau welche sich für die folgenden Punkte einsetzt:
„die Situation von Frauen zu verbessern, unabhängig von Nationalität, Rasse, Sprache oder Religion, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in allen Bereichen menschlichen Handelns zu erreichen und jede Diskriminierung von Frauen in Gesetzgebung und Rechtspflege zu beseitigen.“
Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau – Wikipedia
Finde ich super! Aber wieso wählt man denn frauenfeindliche Regime in Führungspositionen solcher Kommissionen - das ist doch ein Widerspruch? 2019 wurde z.B. der Iran in die CSW-Arbeitsgruppe für Mitteilungen über die Rechtsstellung der Frau gewählt, ein Gremium, das Beschwerden über Frauenrechtsverletzungen beurteilt. Zugleich wurde auch der Irak zum stellvertretenden Vorsitzenden der CSW gewählt, eine Position, die zur Festlegung der Agenda der Organisation beiträgt.
Ein kurzer Blick auf den "Women's civil liberties index, 2022", welcher die folgenden Punkte bei Staaten darstellt:
Based on the expert assessments and index by V-Dem. It captures the extent to which women are free from forced labor, have property rights and access to the justice system, and enjoy freedoms of movement. The variables ranges from 0 to 1 (most rights).
Women's civil liberties index, 2022 (ourworldindata.org) (Map)
- Es gab nie eine verurteilende Resolution gegen Saudi-Arabien.
- Es gab nie eine verurteilende Resolution gegen Yemen.
- Es gab nie eine verurteilende Resolution gegen Irak.
- Es gab nie eine verurteilende Resolution gegen Libyen.
- Es gab nie eine verurteilende Resolution gegen Sudan.
- ...
Diese Kommission hat seit 2006 vier verurteilende Resolutionen verabschieden, alle Resolutionen gingen gegen einen einzelnen Staat. Israel! Das ist weder Verhältnismässig, noch sonst was.
Danke für Deine Ausführungen. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.
Wieso setzen Politik und Medien andauernd Anti-Israelismus mit Antisemitismus gleich?
Ich denke nicht, dass das wirklich gleichgesetzt wird, sondern es überlappt sich leider sehr oft sehr stark.
Dein Denkfehler liegt vor allem darin, dass Kritik an der israelischen Regierung keine Anti-Israelismus ist. Natürlich darf man Ministen, Gesetze, Verwaltung und dergleichen kritisieren.
Vergleiche mal, wie viele Deutsche derzeit die Ampel-Regierung kritisieren -- keine von denen ist anti-deutsch. Im Gegenteil wird die Regierung kritisiert, weil man das beste für Deutschland möchte und sich selbst mit Deutschland identifiziert.
Im Kontrast dazu ist die meiste Kritik an Israel tatsächlich anti-israelisch, nämlich gegen den Staat als solches, gegen sein Existenzrecht, gegen seine Legitimation. Das ist definitiv Israel-feindlich.
Wer also die aktuelle Politik Israels nicht gut findet, also ich, ist noch lange kein Antisemit.
Das ist richtig. Zumindest nicht zwangläufig.
Aber in der Praxis sind diese Kritiker aus dem muslimischen oder linken Lager leider doch faktisch stark israelfeindlich, nicht nur im Detail kritisch.
Was also soll die permanente und extrem aufdringliche Gleichsetzung von Anti-Israelismus und Antisemitismus?
Nochmal: Du verwechselst Kritik an Israel mit Anti-Israelismus.
Natürlich darf man Israel kritisieren. Das muss nicht anti-israelisch sein.
Aber wenn es anti-israelisch ist, dann ist es fast immer auch antisemitisch motiviert. Oder anders herum formuliert: Viele Antisemiten formulieren ihren Hass auf Juden als Kritik an Israel. Ist leider so.
- Deutsche Geschichte, muss ich denke ich nicht näher ausführen.
- Jahrzehnte lange Propagandabemühungen Israels selbst, aber auch der lokalen Vertreter des Zionismus, Israelkritik mit Antisemitismus gleichzusetzen um diese zu erschweren
- Europäisches Überlegenheitsdenken. Die Staaten mit europäischen Wurzeln, was Israel mit einschließt, folgen "rechtsstaatlichen Prinzipien" und einer "wertebasierten Ordnung." Ergo "zivilisiert." Staaten die dieser Ordnung nicht folgen: "unzivilisiert." Unterstützung der "zivilisierten" Staaten, egal ob diese selbst massiv Kritikbehaftet sind, ist dabei immer der Unterstützung von "unzivilisiert" Staaten vorzuziehen. Sprich in diesem Rahmen müssen die "zivilisierten" Staaten auch immer verteidigt werden. Im Falle von Israel geht das am Leichtesten mit dem Antisemitismusvorwurf,
Das ist das Schöne an gutefrage, alle unsere Gedanken zusammen geben dann ein Gesamtbild.
Der zweite Punkt, nachdenkenswert, wegen dem "erschweren". Das wäre eine Erklärung.
Punkt 1 und 3 sind klar, gut geschrieben..
Der letzte Satz, darauf wäre ich nicht gekommen. Du wirst wohl Recht haben, Deine Überlegungen jedenfalls sind ein astreiner Beitrag für ein gemeinsames Miteinander, und dafür ist gutefrage doch da: Meinungen austauschen und weiterkommen. Ich sage ja nur das was ich gerade denke, als Anregung, das hat nix mit Rechthaben zu tun. Von Anderen lernen hilft die eigene Beschränktheit zu überwinden. Mir geht's jedenfalls so.