Wieso gilt Faust I von Johann Wolfgang von Goethe als das bedeutendste und meistzitierte deutsche Literaturwerk?
Ja, was macht dieses Werk eigentlich so besonders?
5 Antworten
Es ist nicht "das" bedeutendste. Viele Werke haben eine hohe Bedeutung. Ob nun Faust, oder die Räuber oder der Proceß...
Das besondere an Faust ist, dass es komplett in Reimform verfasst ist. Aber natürlich auch eine gesellschaftskritische Handlung hat. Das macht es natürlich auch leicht zu zitieren. Viele Sprichwörter, die wir haben, sind auch Reime.
Die Räuber mit seinem extrem geschmacklosen Ende spielt aber wirklich nicht in der gleichen Liga wie Faust oder Der Process.
Dr. Faust soll zwar in Deutschland gelebt haben, war aber durchaus international bekannt. Vor Goethe hat Christopher Marlowe "The Tragical History of Doctor Faustus" geschrieben und aufführen lassen. Es ist aber auch eine tolle Geschichte und insofern ist es kein Wunder, dass sie Dichter und Komponisten inspiriert hat.
Die Reimform allein würde es bestimmt nicht ausmachen - andere Dramen sind auch komplett in Reimform verfasst und trotzdem haben sie nicht so einen nachhaltigen Erfolg gehabt wie Faust. Und ich sehe die Handlung auch nicht so unbedingt "gesellschaftskritisch", denn die im Faust angesprochenen Probleme reichen über die Gesellschaft der Zeit, in der Faust geschrieben wurde, hinaus.
Zudem: Kein Werk hat unsere deutsche Sprache so sehr beeinflusst und sich in unseren alltäglichen Gebrauch integriert.
Des Pudels Kern, Redewendungen wie "Was hält die Welt im innersten zusammen?", wenn die Sache einen Pferdefuß hat usw.
"Mir dünkt, die Alte spricht im Fieber"
LG
Goethe hat im Faust ein paar "Grundsatzthemen" aufgenommen und ausgearbeitet. Das ist ein Grund für die Bedeutung des Faust. Ein zweiter ist m.E. die Sprache. Obwohl ich mit Goethes "Philosophie" meine Probleme habe, empfinde ich seine Sprache auch als unglaublich schön. Gerade im Faust ist er zu Höhen aufgestiegen, die kaum ein anderer erreicht hat. Mir fallen da Sätze ein wie "So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit und wirke der Gottheit vergängliches Kleid". Oder der Osterspaziergang: "Vom Eise befreit sind Strom und Bäche /Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; / Im Tale grünet Hoffnungs-Glück; / Der alte Winter, in seiner Schwäche, / Zog sich in rauhe Berge zurück ..."
Er schafft da Bilder und seine Sprache klingt. Ich denke, der Faust war für die deutsche Sprache fast so prägend wie Luthers Bibelübersetzung. Und ich staune manchmal, wie viel aus dem Faust in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist. Von "des Pudels Kern" über die "Gretchenfrage" - man setzt eigentlich immer noch voraus, dass ein einigermaßen gebildeter Deutscher den Faust kennt.
Weil da ähnlich wie bei Shakespeare das ganze Menschenleben eingefangen ist: die Spannung zwischen Gott und dem Bösen, die Zerrissenheit des modernen Menschen, der nach Erkenntnis und Erfüllung strebt, die Satire über die leerlaufende Wissenschaft, das Aufeinandertreffen von Verführung und Unschuld und die obszönen Schweinereien lustvoller Orgien.
Außerdem ist es sprachlich einzigartig und hat den Reiz eines Werke, das von einem 20-Jährigen begonnen und von einem 80-Jährigen vollendet wurde.
Ich weiß nicht, ob es das meistzitierte Werk ist, aber Faust ist einfach gut.
Zum einen ist das Werk in sich stimmig, und Faust ist ein interessanter, sehr gut ausgebauter Charakter, und er scheitert auf eine interessante Art und Weise in einer vielschichtigen, vielfältig lesbaren Handlung. Zum anderen ist die Sprache extrem geschliffen, und daher haben sich viele Zitate („des Pudels Kern“, „Blut ist ein ganz besondrer Saft“, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ und viele mehr) ins kulturelle Gedächtnis eingegraben.
....weil wir unsere Charlotte doch nicht vergesen wollen :-)
Das ist nicht gerade bedeutend.
Der Faust vereint fast sämliche literarische Epochen in sich, der Sturm und Drang, die Aufklärung, die Romantik, die Klassik, zudem zeichnet er komplexe und verschiedene Menschenbilder, angefangen beim Seelendualismus von Heinrich!
Goethe hat hier einen uralten deutschen Mythos verarbeitet, der aus der Reformationszeit stammt, Melanchthon und Luther sollen diesen Faustus gekannt haben.
Meiner Meinung nach ist das der Grund, warum der Faust so kulturell bedeutend ist für die deutsche Literatur.
LG