Wieso bin ich nicht traurig obwohl mein Opa den ich sehr geliebt habe gestorben ist?
Vor rund 5 Monaten ist mein Opa gestorben. Ich habe ihn sehr geliebt, früher habe ich oft bei meinen Großeltern geschlafen, er hat mir viele Werte vermittelt und wir haben viel zusammen gemacht. Auch jetzt liebe ich ihn noch sehr. Nur bin ich nicht traurig. Ich verstehe es einfach nicht. An dem Tag wo es mir mitgeteilt wurde war ich kurz geschockt, bin aber abends noch vollkommen normal ins Fitnesstudio mit einem Freund gegangen, da ich Angst hatte meine Mutter oder meinen Bruder weinen sehen zu müssen. Ich habe immer angenommen die Trauer würde noch einsetzen aber nichts. Es ist so als wäre sein Tod eine Lüge, als wäre er immer noch da. Ich habe mich freiwillig gemeldet die Urne zu tragen, da ich gehofft habe, ich könnte damit abschließen und trauern, aber auch da nichts. Es ist nicht so, dass ich nicht trauern kann, als vor 2 Jahren mein anderer Opa (den ich viel seltener gesehen hab) gestorben ist war ich sehr traurig. Zeigen tue ich meine Trauer nie, weinen tue ich schon seit ich 5 bin nicht mehr. Zudem belastet mich die Schule seit 3 Jahren extrem (werde nicht gemobbt, ist schwer und lange zu erklären, wurde von vielen dort ansässigen Instanzen psychisch extrem terrorisiert). Diese schulische Belastung hat dazu geführt, dass ich ein Jahr wiederholen musste obwohl ich momentan ein recht guter Schüler bin, aber ich mache mir Vorwürfe weil mein Opa, welcher immer sehr interessiert an meiner schulischen Laufbahn war, ohne die Wiederholung noch mitbekommen hätte, wie sein erster Enkel das Abitur schafft. Ich finde es einfach unnormal, dass ich um einen Menschen, der mir so viel bedeutet, nach 5 Monaten immer noch nicht trauere. Vielleicht könnt ihr mir ja helfen. Einen angenehmen Abend noch.
7 Antworten
Emotionen sind nunmal nicht steuerbar. Als im Jahr 2011 mein Opa starb war ich auch nicht traurig. Es war ein bisschen ein mulmiges Gefühl, aber ich habe nicht geweint oder so. Als im Jahr 2014 mein Lieblingsmusiker Udo Jürgens ganz plötzlich starb, habe ich geheult wie ein kleines Kind. Da habe ich mich auch gefragt: Warum weine ich um jemanden, mit dem ich nie persönlich gesprochen habe, aber nicht um meinen Opa?!
Als mein anderer Opa ein paar Jahre später die Krebsdiagnose bekam, war ich total geschockt und habe geweint. Als er dann gestorben ist, war ich nicht wirklich traurig. Nur auf der Beerdigung war ich kurz davor, zu weinen. In der Öffentlichkeit kann ich aber nicht weinen; nur wenn ich allein bin.
Ich habe mich einfach damit abgefunden, dass Emotionen nicht steuerbar sind. Ein Erwachsener würde es nie verstehen, warum ein Kind um seinen Teddy weint. Andersrum versteht das Kind nicht, warum Erwachsene vor Freude weinen. Emotionen sind nicht erklärbar.
Oft versucht der Körper, traurige Gefühle abzuwehren, der Körper ist komplett überfordert. Die Emotionen fahren Achterbahn. Es gibt Menschen, die nach der Beerdigung ihres Ehepartners plötzlich ein starkes sexuelles Verlangen verspüren und deswegen dann ein schlechtes Gewissen haben. Aber wie gesagt: Die Emotionen fahren Achterbahn.
Heute - knapp 8 Jahre nach dem Tod meines einen Opas - fange ich an, um ihn zu trauern.
Ich möchte Dir gern mitteilen, dass ich, als ich vom Tod von Udo Jürgens hörte, auch ca. eine halbe Stunde lang bitterlich geweint habe - dabei war ich noch nicht einmal ein Fan von ihm gewesen. - Udo Jürgens hat für eine Integrität gestanden, die es immer weniger gibt.
Es kann sein dass die Trauer noch kommt. Es kann Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Als der Hund meiner Großeltern verstorben ist habe ich auch viele viele Jahre keine Trauer verspürt. Wir haben ihn sogar noch in einen Sarg gelegt. Selbst da kam keine Trauer hoch. Nur ein unwohliges Gefühl dass er plötzlich nicht mehr da war, sich nicht mehr bewegte.
Plötzlich nach zig Jahren hat mich etwas an ihn erinnert und da traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich habe Stunden lang durchgeheult und fing an zu trauern.
Gibt halt Menschen die weniger Emotionen "haben" bzw. zeigen. Vielleicht war der Tod deines ersten Opas auch sozusagen eine Vorbeugung. Ich meine du hast es ja schonmal erlebt und warst somit geistig vorbereitet bzw. hast schon geahnt das dieser Tag auch kommen wird.
Manche Lebenden sind "tot", manche Toten sind "lebendig". Wahrscheinlich hast Du in positiver Weise soviel von Deinem Opa bekommen, dass Du heute von ihm nichts mehr brauchst, sondern Eure Beziehung sich er-füllt hat. Durch das, was er dir gegeben hat, bleibt er sowieso immer lebendig in Dir, und dies ist für Dich nun wohl genug.
Ich finde es eigentlich gesund, bei den Großeltern nicht allzusehr zu trauern. Sie sind nicht dafür bestimmt, einen allzu großen Teil unseres Lebensweges mit uns zu gehen. Außer, dass wir sie vielleicht im Himmel wiedersehen : )
Ich glaube, dass du das noch immer nicht wirklich verarbeitet hast. Ich denke auch immer "ich könnte meiner Oma ja noch das und das kaufen" und da fällt mir ein, dass sie schon mehr als ein halbes Jahr tot ist.
Zu ihrem Tod hatte ich gerade in der Uni viel zu tun und habe das ganze bewusst etwas verdrängt, um nicht von den Klausuren abgelenkt zu werden. Ich glaube aber, das mich das ganze irgendwann nochmal vollkommen unerwartet einholen wird.
Bei meiner Oma im Kleiderschrank liegen noch die Kleider meines Opas. Wenn man die Schranktür aufmacht, kommt einem richtig der Parfüm-Geruch meines Opas entgegen. So, als ob er hinter mir stehen würde. Das haut mich jedes Mal um; da muss ich weinen.