Weshalb hassen sich Nazis und Kommunisten so sehr?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Kommunismus zielt auf die Abschaffung der Klassengesellschaft und des Kapitalismus ab. Kommunisten vertreten die Interessen der ausgebeuteten Klassen und bekämpfen das System, das ihre Unterdrückung durch die ausbeutende Klasse ermöglicht. Nationalismus und Rassismus werden von Kommunisten abgelehnt, weil sie die arbeitende Klasse aufgrund von unwesentlichen Unterschieden spalten und die Gegensätze zwischen den Klassen einer Nation wiederum verschleiern.

Der Nationalsozialismus oder allgemein der Faschismus nutzte historisch immer die Abstiegsängste des Mittelstands und die Frustration der Arbeitslosen, richtete sie aber nicht gegen das kapitalistische System, das deren Probleme eigentlich verursacht, sondern gegen Minderheiten (Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle...), die politische Linke sowie äußere Feinde, d.h. andere Nationen. Faschisten propagieren die Einheit einer Nation über Klassengrenzen hinweg, die Organisationen der Arbeiterklasse, wie Gewerkschaften und Arbeiterparteien, wurden von den Nazis deshalb zerschlagen und ihre Mitglieder verhaftet, vertrieben und umgebracht.

Zusammenfassend geht es Kommunisten also um die Gegensätze zwischen Klassen und internationalen Zusammenhalt, Faschisten hingegen um nationalen Zusammenhalt und Ausgrenzung bzw. Vernichtung von allem, was als Fremdkörper in der Nation wahrgenommen wird sowie die Unterwerfung von anderen Nationen.

Da die Faschisten nicht auf den Sturz des Kapitalismus abzielen, sind sie absolut fähig zu Bündnissen mit der "politischen Mitte" aus Liberalen, Konservativen und rechten Sozialdemokraten gegen die antikapitalistische Linke. Die weitverbreitete Hufeisentheorie, die Linke und Rechte gleichsetzt, täuscht über diese Tatsachen hinweg.

Kommunismus fußt auf der Idee des Sozialismus. Der Kerngedanke des Sozialismus ist die Gleichheit der Menschen. Der Kerngedanke des Nationalsozialismus oder des Nationalismus im Allgemeinen ist, dass die eigne Nation (Gesellschaft, Rasse...) anderen überlegen ist.

Die beiden Ideologien fußen also auf gegensätzlichen Idealen und einem diametral gegensätzlichen Menschenbild, insofern ist es verständlich, dass die jeweiligen Vertreter sich als 'natürliche Feinde' ansehen.

Vermutlich weil Extremisten keine anderen Ideologien, neben der eigenen dulden wollen.

In beiden Fällen wird bspw. auch der Bezug zur Kirche, Opposition etc. abgelehnt.

Wie schmal der Grad zwischen beiden ist, zeigt sehr schön Mussolini in Italien. Er war ursprünglich ein extrem Linker und nutzte die Arbeiterbewegung später für sich (Schwarzhemden) zur Machtergreifung. Später wurde er zum Gründer des Faschismus und bot die Blaupause für den Nationalsozialismus.

Auch wenn der Faschismus als Gegenbewegung zum Kommunismus verstanden wurde, kann man ihn gleichzeitig als "braunen Bolschewismus" bezeichnen, so wie man den Sowjetkommunismus auch "roten Faschismus" nennen könnte.

Es sind sozusagen zwei unterschiedliche Töne, welche aber beide mit der selben Flöte gespielt werden ;)

Außerdem muss man bedenken, dass das nationalsozialistische Deutschland einen Nichtangriffspakt mit der kommunistischen Sowjetunion hatte, was durchaus eine politische Annäherung braucht.

DiegoderAeltere  30.05.2023, 19:43
Wie schmal der Grad zwischen beiden ist, zeigt sehr schön Mussolini in Italien. Er war ursprünglich ein extrem Linker und nutzte die Arbeiterbewegung später für sich (Schwarzhemden) zur Machtergreifung. Später wurde er zum Gründer des Faschismus und bot die Blaupause für den Nationalsozialismus.

Wenn du dich davon beeindrucken lässt, wird es dich umhauen zu erfahren, wie leicht Konservative und Liberale zum Faschismus übergelaufen sind, wie ihre Parteien beim Ermächtigungsgesetz abgestimmt haben und wie viele Altnazis nach dem Zweiten Weltkrieg ihre neue politische Heimat in CDU und FDP gefunden haben.

0
II99II  30.05.2023, 21:59
@DiegoderAeltere
wie leicht Konservative und Liberale zum Faschismus übergelaufen sind

Ich denke, bei einer umfassenden Revolution oder gesellschaftlichen Umstrukturierung versucht auch jeder seinen Platz zu finden, oder den Trend einer Entwicklung frühestmöglich richtig zu deuten.

Anpassungsfähigkeit ist ein Grundprinzip des Überlebens, auch wenn man das im Bezug auf gesellschaftliche/politische Veränderungen schnell mit Opportunismus vergleichen kann - also per Definition: "jemand, der sich aus Nützlichkeitserwägungen schnell und bedenkenlos der jeweils gegebenen Lage anpasst".

 wie viele Altnazis nach dem Zweiten Weltkrieg ihre neue politische Heimat in CDU und FDP gefunden haben.

Das Problem bei dieser Rechnung ist allerdings, dass einfach jeder Deutsche zwangsläufig ein "Nazi" war, noch nach dem 2. WK. Man ist in der HJ aufgewachsen, war Mitglied in der NSDAP aus Prestigegründen und wäre ansonsten vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen oder schlimmeres.

0
DiegoderAeltere  31.05.2023, 14:15
@II99II
Ich denke, bei einer umfassenden Revolution oder gesellschaftlichen Umstrukturierung versucht auch jeder seinen Platz zu finden, oder den Trend einer Entwicklung frühestmöglich richtig zu deuten.
Anpassungsfähigkeit ist ein Grundprinzip des Überlebens, auch wenn man das im Bezug auf gesellschaftliche/politische Veränderungen schnell mit Opportunismus vergleichen kann - also per Definition: "jemand, der sich aus Nützlichkeitserwägungen schnell und bedenkenlos der jeweils gegebenen Lage anpasst".

Wer vor 1933 als Kommunist, Sozialdemokrat oder Gewerkschafter organisiert war oder aus anderen Gründen ein politischer Gegner der Nazis war, hat eben keinen Platz in ihrem Apparat gefunden. Es liegt also vielmehr an grundsätzlichen Brücken zwischen den Ideologien von Liberalen und Konservativen zu den Faschisten, dass sie ihnen an die Macht verholfen haben und sich größtenteils sehr leicht mit ihnen arrangierten.

Das Problem bei dieser Rechnung ist allerdings, dass einfach jeder Deutsche zwangsläufig ein "Nazi" war, noch nach dem 2. WK. Man ist in der HJ aufgewachsen, war Mitglied in der NSDAP aus Prestigegründen und wäre ansonsten vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen oder schlimmeres.

Das ist nichts weiter als eine müde und falsche Rechtfertigung für die fehlende Entnazifizierung nach dem Krieg. Es war eben nicht jeder Deutsche ein Nazi. Hunderttausende sind ins Exil geflohen, Millionen wurden als politische Gegner oder Angehörige von Minderheiten verhaftet. Von der übrigen Bevölkerung war bei Kriegsende ungefähr ein Zehntel in der NSDAP und damit nachweislich Anhänger der faschistischen Ideologie, der größere Teil waren Mitläufer.

Es war eine politische Entscheidung unter Adenauer (der ja selbst Opfer der Nazis war), außer einer Handvoll Regierungsmitglieder alle führenden Nazis zu entlasten, sie in ihren Posten in Wirtschaft, Militär, Polizei, Justiz, Verwaltung und Lehre zu belassen und ihnen politische Karrieren in FDP und CDU zu ermöglichen, und stattdessen erneut die Kommunisten zu kriminalisieren, deren bloße Existenz schon bewies, dass es möglich gewesen war, sich gegen die Nazis zu stellen und sie zu bekämpfen.

Dass der Aufbau der Bundesrepublik auch ohne die Einbeziehung von Naziverbrechern hätte erfolgen können, beweist die DDR, wo NSDAP-Mitglieder vom Schul- oder Polizeidienst ausgeschlossen waren (auch wenn die Entnazifizierung in der DDR aus anderen Gründen unvollständig blieb).

0
II99II  31.05.2023, 16:49
@DiegoderAeltere
Wer vor 1933 als Kommunist, Sozialdemokrat oder Gewerkschafter organisiert war oder aus anderen Gründen ein politischer Gegner der Nazis war, hat eben keinen Platz in ihrem Apparat gefunden

Genau. Gerade weil sie von den Nazis verfolgt (und teilweise ermordet) wurden, sind auch viele Menschen aus profaner Angst und Opportunismus auf die Seiten der Nazis gewechselt, nicht immer aus purer Überzeugung.

Es liegt also vielmehr an grundsätzlichen Brücken zwischen den Ideologien von Liberalen und Konservativen zu den Faschisten, dass sie ihnen an die Macht verholfen haben und sich größtenteils sehr leicht mit ihnen arrangierten.

Das ist grundlegend falsch. Die Konservativen der damaligen Zeit stammten noch aus dem Kaiserreich. Unter dem deutschen Adel gab es eine große Ablehnung gegen die NSDAP, besonders da sie damals als "moderne" und progressive Bewegung auftraten. Liberalismus ist in allem das Gegenteil der nationalsozialistischen Werte.

Dass der Aufbau der Bundesrepublik auch ohne die Einbeziehung von Naziverbrechern hätte erfolgen können, beweist die DDR

Das halte ich für utopisch. Nicht jeder der von den Nazis verfolgten deutschen wäre auch befähigt gewesen, politische Ämter zu führen o. ä.

Die Sowjets in der DDR boten selbst keinen Spielraum für Andersdenkende. Auch dort wieder die selben Mechanismen mit Opportunität zum Selbsterhalt, Parteitreue, etc.

Die Amerikaner entnazifizieren in ihrer Zone sehr streng: Die Betroffenen werden in fünf Kategorien eingestuft und verurteilt – Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer, Entlastete.

Es war eine politische Entscheidung unter Adenauer

In der Nachkriegszeit wurde wohl kaum etwas von Deutschen im Alleingang entschieden. Die Entnazifizierung wurde 1948 durch die USA offiziell beendet. Die politischen Akteure der BRD hatten ohne Zweifel fast alle eine Nazi-Vergangenheit, einfach aus dem Grund das sie während des Nazi-Regimes in Deutschland am leben waren. Helmut Schmidt war in der HJ. Gustl Bayrhammer - der liebenswerte Schreiner aus der TV-Serie "Pumuckl", stand selbst mit 18 Jahren in Berlin am FLAK und schoss auf US-Flugzeuge...

Aus heutiger Sicht unvorstellbar, bis man selbst mitten drin steckt und sehen muss, wo man selbst bleibt.

0

Vielleicht, weil die Ideologien mehr oder weniger komplett gegensätzlich sind? Nur so ein Vorschlag...

Dass das nicht offensichtlich ist...

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe mich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt...
DirtyKennedy  30.05.2023, 12:02

ach du meine Güte...

0
Norjakeista  30.05.2023, 12:07
@DirtyKennedy

Nun ja, Demokratie und Diktatur, Gleichheit und Führerkult, Machtzentralisierung und ausgeglichene Machtverhältnisse, flache Hierarchien und klare Abstufungen diesbezüglich... Das sind schon klare, sehr klare Unterschiede. Und das nur aus der grundsätzlichen Definition, also daraus, was die Systeme auszeichnet.

Die Realität würde noch viel mehr Unterschiede bringen, da haben wir leider aktuell einfach keine in dem Sinne "gleichwertige" Systeme von beiden Seiten, die man angemessen vergleichen könnte.

0

Weil die zu ähnlich sind.

Am Ende ist das Ergebnis gleich, nur der Weg dahin ist anders.