Wenn unser Zugang zur Realität durch Wahrnehmung 'gefiltert' ist, wie unterscheiden wir dann Realität und Illusion (noch mehr Fragen darunter)?
Und sind Träume dann Realität, wenn wir sie wie unsere Wirklich empfinden in dem Moment? Obwohl schmerz erstmal nicht wirklich vorhanden ist, ist die Reaktion zu Schmerzen auch in den Träumen vorhanden Und wieso aber spüren wir nicht wirklich Schmerz im Traum auch? Sind Träume nicht eine Realität in unseren Bewusstsein?
Glaubst du, dass es zwischen Wachzustand und Traum einen grundlegenden Unterschied gibt – oder eher einen fließenden Übergang?
3 Antworten
Hallo,
da hast du gleich mehrere der großen Fragen der Philosophie und auch mancher Religionen aufgegriffen.
Zum Beispiel glaubt der Advaita-Hinduismus, dass alle Erscheinungen unwirklich sind, weil sie nur vorübergehend da sind (auch wir). Und dass es wenig Unterschied zwischen Traum und Leben gibt. Die Argumentation: Nur was für immer bleibt, also nicht der Zeit unterworfen ist, ist real. Was nur vorübergehend aufscheint und vergeht, kann nicht real sein, denn es hat offenbar keine echte und bleibende Substanz. Dieses Denken ist für uns Westler völlig fremd, aber dennoch interessant.
Und auch viele Philosophen und Dichter haben gefragt, ob nicht das Leben ebenfalls ein Traumzustand ist, oder ob uns sogar vielleicht jemand anders träumt und wir nur Teil seines Traums sind.
"Realisten" möchten das Thema ruckizucki lösen, indem sie sagen: Na ja, wenn ich im Traum esse, werde ich trotzdem nicht satt. Ganz stimmt das nicht, denn man könnte ja auch in unserer (angenommenen) Wirklichkeit träumen, dass man isst und satt wird. Es gibt keine einfachen und klaren Antworten auf das, was Wirklichkeit ist.
Hinzu kommt, wie du schon in deiner Überschrift sagst, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit immer subjektiv ist. Was die Wirklichkeit ist, hängt vom Betrachter und seinen Bewertungen ab. Deine Wahrnehmung ist nicht meine, und deshalb leben wir nicht in derselben Welt. Es gibt dazu eine Parabel: Mitten in einer Landschaft steht ein Turm mit vielen Fenstern rundum, die in alle Richtungen gehen. Jeder von uns schaut aus einem anderen Fenster auf die Landschaft. Die Landschaft bleibt völlig gleich, aber jeder beschreibt einen anderen Ausschnitt. So kommt Streit auf, denn jeder hält sein Bild für das richtige.
So kommt es auch, dass manche finden, in einer schlimmen Welt zu leben, und andere, in einer Welt voller Wunder. Beides stimmt, aber die einen sind negativ und traurig und sehen nur das Traurige. Die anderen sind fröhlich und positiv, sie sehen bei allem Schlechten auch die tausend schönen Dinge.
Noch etwas zum Schluss, als Denkfutter für "Fortgeschrittene": Der Advaita-Hinduismus sagt zwar, dass die Welt und sämtliche Erscheinungen darin irreal sind. Er sagt aber auch, dass es trotzdem eine einzige reale Sache gibt: das Bewusstsein. Es wird nach dieser Auffassung nicht geboren und stirbt nicht, ist also nicht der Zeit unterworfen. Sondern es lässt sich nur vorübergehend in der Form (z.B. einem Menschen, einem Tier, einer Pflanze) nieder.
Und das Spannende: Es gibt inzwischen erste Neurowissenschaftler, die ebenfalls glauben, dass unser Gehirn kein Organ ist, das Bewusstsein produziert. Sondern nur ein Organ, das Bewusstsein wahrnimmt.
LG
Danke für deine interessante Antwort, über das Letzte werde ich wohl noch viel nachdenken müssen ohne Ziel 😆😅 jetzt hab ich wieder neues Futter
Alles was du erlebst ist Realität. (Deine "erlebte Realität" ist nicht von dem Atribut "echt" und "wirklich" zu trennen, und somit gibt es sozusagen eine "psychoreale Dimension".
Die Psyche vom Realitätsbegriff zu trennen macht keinen Sinn, denn gäbe es eine Realität die lediglich ein Konstrukt ist, weil es kein Erleben ohne Psyche gibt. (Oder die Realität schmilzt zusammen zu Materiellem was ja wiederum nur ein Teil der Welt ist). Was nicht real ist sind deine Annahmen über die Wirklichkeit. (ZB Angst ist real - das wovor du Angst hast meistens nicht oder nicht so wie prognostiziert).
Natürlich gibt es zwischen wach und Traum einen großen Unterschied. Es ist nur eben so, dass vor allem wenn es ein sehr intensiver Traum ist, deine Psyche das so erlebt als wäre es so - deine Psyche ist dann quasi wach.
Klasse Frage! Einen grundlegenden. Zum Beispiel träumt ein Mann, der am Verhungern ist, nachts ganz allein in einem Supermarkt voll von köstlichsten Sachen sich nach Herzenslust voll zu essen. Oder eine frustrierte Frau von bestem Sex, ein 6-Gängemenue. Beim Aufwachen aber sind aber beide nach wie vor voll am Verhungern, wenn Du verstehst was ich meine. Das ist der Unterschied.