Was ist "Unglück"? Also im Gegensatz zu häufig ja konkreten Glückszuständen?
Genau um des Gegensatzes Willen, steht in der Frage nicht, "was ist ein Unglück", denn eine Bombe auf wartende Menschen, oder zwei sich treffende Züge sind ja hochgradig konkret und genau deshalb auch nicht gemeint.
Ist die Abwesenheit von Glück schon Unglück? Ist das Erdenreich ein Jammertal?
4 Antworten
In der antiken Philosophie etwa war Glück ein Zustand des gelungenen Lebens, während Unglück nicht einfach nur dessen Abwesenheit war, sondern das Misslingen der Lebensführung, geprägt durch Leid, Ohnmacht und innere Zerrissenheit.
In der christlichen Tradition, wurde das irdische Dasein oft als „Jammertal“ verstanden, ein Ort der Prüfung, in dem Leid das Normale und Glück die Ausnahme ist.
In der Aufklärung verschob sich die Perspektive, Glück wurde als erreichbares Lebensziel gesehen, während Unglück eher der Sammelbegriff für alle Hindernisse auf diesem Weg wurde.
LG aus Tel Aviv
Unglück ist nicht, wenn dir etwas Konkretes Schlimmes passiert, wie ein Unfall. Sondern es ist eher so ein tiefes Gefühl von Unzufriedenheit und Leere. Man könnte sagen, es ist die Abwesenheit von Glück. Es ist nicht so, dass man aktiv traurig ist, sondern es fehlt einfach diese Freude, dieses Kribbeln im Bauch. Man hat alles, was man sich wünscht, aber trotzdem fühlt sich alles irgendwie sinnlos an. Es ist dieses Gefühl, dass das Leben einfach nur an einem vorbeizieht und man nicht so richtig dabei ist. Es ist wie ein grauer Schleier, der sich über alles legt. Manche sagen, das Erdenreich sei ein Jammertal, aber das ist eher eine alte Redewendung. Im Grunde ist es einfach die Erfahrung, dass das Leben eben auch seine melancholischen Seiten hat und nicht immer nur Sonnenschein ist.
Für mich persönlich ist die reine Abwesenheit von Glück noch kein Unglück. Dazwischen liegt ein riesiger, oft übersehener Ozean, den ich "Zufriedenheit" oder einfach "Normalität" nennen würde. Glück sind für mich die sonnigen, leuchtenden Inseln in diesem Ozean. Ein Unglücksfall ist ein plötzlicher, heftiger Sturm. Aber die meiste Zeit verbringen wir nicht auf den Inseln oder im Sturm, sondern auf dem weiten, ruhigen oder leicht bewegten Meer dazwischen. Dieser neutrale Zustand ist die Grundmelodie unseres Lebens.
"Unglück" als Zustand ist für mich, wenn diese neutrale Grundmelodie in einen permanenten, tiefen Moll-Ton übergeht. Es ist nicht der kurze, scharfe Schmerz eines Unglücksfalls, sondern der chronische, dumpfe Schmerz der Sinnlosigkeit oder der Hoffnungslosigkeit. Es ist das Gefühl, fundamental im falschen Leben festzustecken, eine tiefe und unüberbrückbare Kluft zwischen der Realität und den eigenen Sehnsüchten zu spüren. Es ist die Stille, nachdem die Freude gegangen ist, die aber nicht friedlich, sondern hohl und schwer ist.
Und ist die Welt ein Jammertal? Ich glaube nicht. Sie ist eher eine Bühne, auf der Glück und Unglück die dramatischen Hauptrollen spielen. Aber der Großteil des Stücks besteht aus dem stillen, unspektakulären Alltag, der weder das eine noch das andere ist und vielleicht liegt genau darin die Kunst, das Leben zu meistern.
Glück ist etwas stark positives und Unglück ist etwas stark negatives.
Allerdings heißt Unglück in dem Fall nicht, das es zu einer Tragödie (wie einem tödlichen Verkehrsunfall) kommen muss. Unglück kann auch schleichend ins Leben kommen, wie eine Depression, welche einem subjektiv das Glück nimmt.