Was habt ihr in euren Berufen gesehen, was der Öffentlichkeit eigentlich verschwiegen wird?

12 Antworten

Hallo fentanylgirl,

bei mir ist es mein Beruf an sich. Der Beruf von uns Medizinischen Fachangestellten (kurz: MFA, altdeutsch: Arzthelfer/innen) - und auch andere medizinische Fachberufe wie...

  • Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA)
  • Zahntechniker
  • Tiermedizinische Fachangestellte (TFA)

... sind schon längst nicht mehr so anspruchslos, wie die Gesellschaft sich das noch immer vorstellt. In den Köpfen der Leute hält sich hartnäckig das Vor-2000er-Jahre-Bild der dummen, kleinen Helferchen, die nur gemütlich im Büro bzw. an der Anmeldung säßen und vielleicht hin und wieder etwas Blut entnähmen.

Aber auch an unseren Berufen ist die Zeit nicht spurlos vorüber gezogen. Die Anforderungen und Kompetenzen, die auch medizinische Fachberufe schon seit mindestens zwei Jahrzehnten mit sich bringen, sind immens. Das Stresslevel ist offenkundig mit dem von Lehrern und Erziehern zu vergleichen, was ich vorher auch nicht gedacht hätte. Als ich bis vor sechs Jahren noch in einer Facharztpraxis für Innere Medizin, Diabetologie und Allgemeinmedizin tätig war, kamen mal zwei jüngere Damen - die Eine eben Lehrerin und die Andere Erzieherin - für je ein Praktikum zu uns, da sie mit ihren jeweiligen Berufen wohl überfordert waren und sich mit der Tätigkeit als MFA/Arzthelferinnen einen vollkommen chilligen Job versprachen. Schon nach wenigen Tagen stellten beide erschrocken fest, dass unser Beruf ja genauso nervenaufreibend bzw. sogar noch "schlimmer" ist. Die Erzieherin kehrte nach meiner Kenntnis in ihren Beruf zurück, was hingegen aus der Lehrerin wurde, weiß ich nicht.

Uns geht es genauso wie beispielsweise den Pflegekräften. Denn auch bei uns bleibt die Höhe des Gehalts hinter dem, was wir leisten, weit zurück. Während meiner Zeit in Arztpraxen war ich trotz hochanstrengendem Vollzeitjob froh, dass ich mir überhaupt noch die Wohnungsmiete leisten konnte; dafür, dass ich mir unter der Woche neun bis zwölf Stunden lang pro Tag für andere Leute den A... aufgerissen habe (Wochenend- und Feiertagsdienste sind da noch gar nicht mitgerechnet). Deshalb wechselte ich 2023 ins Labor. Der Job dort ist nicht mal annähernd so schön wie der in der Arztpraxis, weil mir der direkte Kontakt zu den Patienten wahnsinnig fehlt. Im Labor wird man allerdings wesentlich besser bezahlt und lebt nicht mehr trotz Arbeit in Vollzeit direkt an der Armutsgrenze.

Dass etwa Pfleger/innen und Kräfte des öffentlichen Dienstes für ihre geleistete Arbeit mehr Gehalt und Wertschätzung erhalten sollten, befürworte ich ebenso voll und ganz. Trotzdem haben sie es immer noch besser als wir MFA, ZFA und andere medizinische Fachberufler, denn von ihnen nimmt die Gesellschaft wenigstens überhaupt Notiz. Wir hingegen können selbst von etwas Applaus nur träumen.

Liebe Grüße,

Matsi.

Einen überfahrenen Menschen, der es nicht in die Zeitung, das Internet und den Teletext geschafft hat.

Als ich meinem Sohn davon erzählte, sagte er nur "Rest in pieces".


Kurzeilig007  08.01.2025, 11:12

Man glaubt man findet alles im Netz. Dabei stimmt das gar nicht - bei mir auf der Strecke gab’s mal einen Fall, da hat sich eine Person vor den Zug gestürzt und kam dabei auch um‘s Leben. Das einzige was man dazu finden konnte war die Verspätung vom ICE.

dvdfan  08.01.2025, 11:50
@Kurzeilig007

Ja, so wars da auch.

Hauptsächlich hielt das die Regionalbahnen auf.

Romy0  14.01.2025, 12:38
@dvdfan

Ich meinte aber den Fall von Kurzeikig007, das ist wohl eher kein Unfall gewesen.

Meine Tätigkeit ist sogar innerbetrieblich nur einem sehr begrenzten Personenkreis bekannt.

In der öffentlichen Verwaltung am Telefon sagt man, dass die Kollegen in einer Besprechung sind, wenn sie nicht erreichbar sind, auch wenn man nicht weiß, was sie gerade machen oder warum sie nicht abheben. :)


fentanylgirl 
Beitragsersteller
 07.01.2025, 23:24

Wow. Gibt es noch so Geheimnisse in der Verwaltung?

kklszjklm  07.01.2025, 23:27
@fentanylgirl

Sonst fällt mir gerade nichts ein. Allerdings finde ich, dass das Gerücht, dass in der öfftl. Verwaltung wenig zu tun ist, nicht stimmt. Habe bereits in 3 verschiedenen Behörden gearbeitet und ich und meine Kollegen hatten jeweils alle viel zu tun.

Als Architekt, der oft öffentliche Projekte bearbeitet, denke ich oft, dass der Öffentlichkeit verschwiegen wird, dass die öffentlichen Baumaßnahmen zum Großteil korrekt in Kosten- und Zeitplanung ablaufen. Die wären ja langweilig für die Presse. Die bekannten Skandalbauten, Flughafen Berlin, Elphi, Stuttgart 21...haben in der Bevölkerung eine festbetonierte negative Meinung erzeugt.


Fantho  14.01.2025, 18:31
dass die öffentlichen Baumaßnahmen zum Großteil korrekt in Kosten- und Zeitplanung ablaufen

Wenn man stetig steigende Kosten während der Bauphase zur korrekten Kostenplanung hinzuzählt, dann läuft alles wie geplant und am Schnürchen ab...

Gruß Fantho

kubamax  14.01.2025, 19:51
@Fantho

Ja, das nennt man Kostenindex und das gibt es seit Jahrzehnten. Leider kostet die Schachtel Zigaretten nicht mehr eine deutsche Mark wie 1972.