Warum wird die DDR von der BRD nur staatsrechtlich und nicht völkerrechtlich anerkannt?

4 Antworten

Ich bin in einem kleinen Stadtteil von Magdeburg aufgewachsen, aus dem auch ein ehemaliger DDR-Botschafter kam. Über den und die Hallsteindoktrin steht in Wiki u. a. folgendes:

1960 trat er [Karl Nohr] in den diplomatischen Dienst der DDR und wurde Mitarbeiter des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA). Zwischen 1960/61 war er zeitweise Leiter der Vertretung beziehungsweise designierter Botschafter der DDR in Conakry, Guinea. Der Austausch von Botschaftern zwischen der DDR und dem zwei Jahre zuvor in die Unabhängigkeit entlassenem Guinea löste zwischen Bonn und Conakry eine diplomatische Krise aus: Im Sinne der Hallstein-Doktrin brach die Bundesrepublik Deutschland die wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen mit einem Land ab, wenn dieses die DDR diplomatisch anerkannte. Guinea wäre der erste nicht-sozialistische Staat gewesen, der die DDR diplomatisch anerkannt hätte. Nachdem die DDR-Nachrichtenagentur ADN den Botschafteraustausch als fait accompli gemeldet hatte, berief Bundesaußenminister Heinrich von Brentano daher den bundesdeutschen Botschafter Herbert Schroeder zeitweilig ein. Der guinesische Staatspräsident Ahmed Sékou Touréle hnte jedoch Mitte März 1960 – nicht zuletzt aufgrund des Drucks aus Bonn und Washington – eine Akkreditierung Nohrs als Botschafter ab. Nohr, der bereits vor Ort war, kehrte daraufhin in die DDR zurück. Von 1961 bis 1963 war Nohr Botschafter der DDR in Hanoi, Vietnam.

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Nohr

PeVau  12.11.2012, 20:21

edit: Der guinesische Staatspräsident Ahmed Sékou Touré lehnte ...

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Ein Anmerkung zu dem, was offen geblieben ist: mit der Unterscheidung zwischen "staats"- und "völker"rechtlich sollte wohl der Spagat gelöst werden, zu behaupten, man erkenn die DDR völkerrechtlich nicht an, obgleich man in vielen Dingen sie in der Realität eben als einen solchen behandelte. Indem man nämlich mit ihrer Regierung verhandelte.

Das wäre ein Widerspruch in sich gewesen, da die Behandlung einer ausländischen Regierung als Regierung - dadurch, dass man mit ihr verhandelt, denn das tut die Bundesregierung mit Dir und mir so wie irgendwelchen ausländischen Bürgern nicht - eben nicht dazu passt, sondern bereits de facto eine Anerkennung ist.

Als Paralelle dazu folgender interessanter Vergleich: Israel verlangt stets von den Palästinensern, dass die das "Existenzrecht Israels anerkennen" sollten. Dazu meint ein Bekannter von mir, der in ISrael als Schriftsteller sehr bekannt ist (sinngemäss): dadurch, dass die Palästinenser mit Israels Regierungen schon seit Jahrzehnten bereit sind, zu verhandeln und auch Abkommen geschlossen haben, haben sie Israel ja bereits anerkannt!

Man könne von ihnen aber nicht verlangen, dass sie Israel in der Form durch öffentliche Erklärung anerkennten, wie Israel es von ihnen erwartet: nämlich als einen Staat in einer Begrenzung, die ihren eigenen erwünschten Staat unmöglich macht. Denn Israel als "Staat des jüdischen Volkes in seiner historischen Heimat" definiert offiziell nicht die Grenzen des Landes, das zu ihm gehört. Es lässt offen, dass zu ihm alles Land vom Mittelmmer bis zum Jordanfluss gehören könnte. Und dann hätten die Palästinenser selbst gar kein Land. Das können sie nicht anerkennen, richtig?

So wie sich die Palästinenser vorbehalten, mit einem Staat Israel zu verhandeln und damit auch grundsätzlich anzuerkennen, dass es ihn grundsätzlich gibt, aber eben nicht alles anzuerkennen, was er darstellt, so wollte die BRD nicht anerkennen, dass es den kommunistischen/sozialistischen Staat DDR eigentlich nicht geben dürfte.

Staaten die mit der BRD verbündet waren, etwa in der Nato, sahen das grundsätzlich ganz genau so.

Man kann nicht auf Dauer den Kampf gegen etwas fortführen oder daran erinnern, dass etwas anders sein sollte, als es ist, wenn man es offiziell und mit Handschlag und Unterschrift vor aller Welt als berechtigt und richtig anerkennt.

Mit der feinen Unterscheidung wollte sich die westdeutsche Politik wohl irgendwie zwischen teilweiser Anerkennung der Realität und dem Wunsch, wie es sein sollte, "durchwurschteln".

virgyl 
Fragesteller
 13.11.2012, 17:30

Das Forum hier ist echt effektiv ;) danke für die gute und ausführliche antwort!

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derdorfbengel  13.11.2012, 18:37
@virgyl

Es kann effektiv sein. Hört man natürlich gerne:)

Seit ein oder zwei Wochen werden Fragen zu "Geschichte" wieder zugelassen, nachdem sie einige Monate gebannt waren. Hast Glück gehabt ^^

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Die DDR wurde spätestens mit Ihrer Aufnahme in die UNO 1972 völkerrechtlich anerkannt (vorher war sie von allen Staaten des RGW und anderen auch schon völkerrechtlich anerkannt). Deine Aussagen, dass sie "nie völkerrechtlich anerkannt" wurde, ist also komplett falsch (ich hoffe, Deine Lehrer erzählen Dir nicht solchen Unsinn!).

In der damaligen BRD wurde sie nicht als selbständiger, unabhängiger Staat anerkannt, da dort immer der Anspruch auf Alleinvertretung herrschte (schau bei Google z. B. unter "Hallstein-Doktrin").

"Andere" Staaten (ich weiß jetzt nicht, welche Du konkret im Sinn hast) hatten eben sehr starke politische und wirtschaftliche Interessen, der BRD nach dem Mund zu reden und deren Position gegenüber der damaligen DDR zu unterstützen.

virgyl 
Fragesteller
 13.11.2012, 17:29

Danke für Deine Antwort! hab mich da vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt.. mit "nicht völkerrechtlich anerkannt" hab ich nicht "nie" gemeint =)

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BigTumbler  13.11.2012, 21:48
@virgyl

virgyl - kein Problem!

Das Problem ist, dass diese "unglücklichen Ausdrücke"" immer mehr zum Allgemeinwissensgut und täglichem Sprachgebrauch dieser Bevölkerung hier werden!

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DerWizzyy  06.06.2015, 14:28
@BigTumbler

Es stimmt, es ist zwar etwas unglücklich ausgedrückt vom Fragesteller, ABER wenn man Ahnung von der Materie hat dann kann man sich auch selber denken was gemeint ist, denn klar haben über 130 Staaten die DDR nach ihrem Beitritt in die UNO 1973 (nicht 1972) weitestgehend völkerrechtlich anerkannt, aber eben nicht die BRD, die bis zum Schluss nur die staatsrechtliche Anerkennung mit souveräner territorialer Integrität anführte. Ich bin mir sicher, dass der Fragesteller dies gemeint hat. Für den Fragesteller: Wie schon oben erwähnt, hätte eine völkerrechtliche Anerkennung auch gewissermaßen eine Anerkennung des sozialistischen Systems impliziert, was eine Wiedervereinigung verkompliziert hätte und sich mit dem Alleinvertretungsanspruch der 50er Jahre (übrigens nur 50er Jahre ab dem Mauerbau in 1961 politischer Richtungswechsel) nicht hätte vereinbaren können. 

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Vielleicht hilft Dir das Stichwort "Hallstein-Doktrin".

Gruß, earnest

virgyl 
Fragesteller
 12.11.2012, 20:52

Danke für den Denkanstoß ;)

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virgyl 
Fragesteller
 12.11.2012, 21:05
@earnest

eine frage hätte ich noch: was ist der unterschied zwischen: einen staat diplomatisch, staatsrechtlich und völkerrechtlich anerkennen?

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