Warum sollte mich das Wohlergehen meines Zukunfts-Ichs interessieren?

3 Antworten

Wenn ich alles, was ich für eine andere Person tue, letztlich egoistisch ist, ist dann nicht auch alles, das ich für mein Zukunfts-Ich tue egoistisch?

Die Frage ist ja schon fast rhetorisch, so selbstverständlich ist die Antwort. Natürlich ist alles, was man für sich selbst tut, egal ob in Zukunft oder Gegenwart, egoistisch! Das ist buchstäblich die Definition von Egoismus? :D

Dein Denkfehler besteht darin, dass du dein Zukunfts-Ich als getrennte Person betrachtest. Dein Ich existiert in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen und als Einheit. Es spaltet sich nicht auf in 3 getrennte Existenzen, die an bestimmte, relative Zeiträume gebunden sind. Vielmehr musst du dein Ich ganzheitlicher betrachten und unabhängig vom Faktor Zeit. Ähnlich wie du dein Leben ja auch als Ganzes betrachtest und nicht als 3 verschiedene Leben.

Stell dir dein Leben wie eine Einbahnstraße vor, die du (wie an einem Zeitstrahl) entlang läufst und bei der die zurückgelegte Strecke dein Alter bzw. "bereits Gelebtes" repräsentiert. Wenn du dich von außen selbst auf dieser Straße betrachten würdest, sähest du ja auch immer nur eine Person darauf laufen und nicht noch eine zweite weiter hinten und eine dritte weiter vorne. Dein Ich wird verkörpert in genau einer Person, welche sich durch die Zeit bewegt wie ein Zug, der durch einen Tunnel fährt.

Es ist also ein Fehlschluss, sein "Vergangenheits-Ich" zB im Rückblick auf Vergangenes als eine getrennte, unabhängige Person wahrzunehmen, denn dieses Ich mag sich zwischenzeitlich vielleicht weiterentwickelt haben, aber es ist immer noch fester Bestandteil deines Gegenwarts-Ichs, andernfalls wärst du gar nicht in der Lage, Erinnerungen über dich selbst abzurufen. Dein Vergangenheits-Ich lebt also nicht wirklich in der Vergangenheit, sondern als Erinnerung in deinem Gegenwarts-Ich, welches darüber hinaus das Vergangenheits-Ich als fest verbauten Grundbaustein überall mit sich hinträgt.

Und auch dein hypothetisches Zukunfts-Ich lebt in einem ganz ähnlichen Bereich deines Gegenwarts-Gehirns, denn es ist wissenschaftlich belegt, dass unser Gehirn nur dann überhaupt in der Lage ist, sich die eigene Zukunft vorzustellen, wenn ausreichend Erinnerungen an vergangene Lebenserfahrungen vorhanden sind. (Menschen mit Gedächtnisstörungen, die sich an nichts mehr von dem erinnern konnten, was sie bisher in ihrem Leben erlebt hatten, waren ebenso unfähig Erinnerungen an Erlebtes aus ihrem Gedächtnis abzurufen, wie sie unfähig waren, Prognosen über ihre Zukunft anzustellen und bspw. nichtmal so selbstverständliche Handlungen, wie das Aufwachen und Aufstehen am nächsten Tag vorhersehen konnten.) Dein Ich ist also immer als eine Einheit zu betrachten, die zusammengehört und eine menschliche Existenz bildet.

Dementsprechend spielt es im Egoismus keine Rolle, ob eine egoistische Handlung einem Vorteile in der Gegenwart und/oder der Zukunft bringen soll. Was es egoistisch macht, ist, dass du es tust, weil für DICH dabei irgendeine Art von Vorteil rausspringen soll, egal wann oder wie.

Ebenso ist es für die Bewertung als "egoistisch" irrelevant, ob dieser Vorteil tatsächlich auch eintrifft. Wie du schon sagtest, können Handlungen auch ein Risiko mit sich bringen oder potentiell schädlich sein, wodurch der erhoffte Vorteil eventuell verhindert oder geschmälert wird (kann ja immer noch keiner in die Zukunft sehen). Stattdessen ist nur relevant, was die eigene Intention bzw. Motivation dahinter war. Wenn ich zB ein Mittagsschläfchen mache, um nicht mehr so müde zu sein, ist das eine egoistische Handlung, selbst wenn ich nach 1 Stunde wieder aufwachen und mich noch müder fühlen sollte, als vorher.

Diese Logik würde, konsequend zu Ende gedacht, auch den Konsum von Kokain und den kurzfristigen Genuss rechtfertigen

Nein. Hier ist dein zweiter Denkfehler, welcher sich im von dir hinzugedichteten Wort "rechtfertigen" versteckt. Stirners Philosophie beinhaltet lediglich eine alternative Definition bzw. Sichtweise auf den Begriff "Egoismus", nach welcher es keinen wahren Altruismus gibt. Mithilfe seiner Philosophie lassen sich also lediglich Handlungen als "egoistisch" einkategorisieren, mehr nicht! Dass dieser Egoismus irgendwas rechtfertigen würde, geht einen Schritt zu weit! Er rechtfertigt entsprechend keinesfalls (wie du in deinem Beispiel behauptest) den Konsum von Kokain. Stirners Erkenntnissen zufolge könnte man lediglich den Konsum von Kokain als egoistisch einstufen, da auch sowas wie Drogenkonsum mit der Intention passiert, daraus einen Vorteil (Rauschzustand) für sich selbst zu erlangen, auch wenn dieser nur kurzfristig gilt oder sogar Nachteile mit sich bringt.

sodass altruistisches Verhalten gegenüber mir selbst doch rational und keine Verdrängung der Realität ist

Dritter Denkfehler: altruistisch kann man nur anderen gegenüber sein, da (wie gesagt) alles, was man für seinen eigenen Vorteil tut, egoistisch ist. Allerdings verstehe ich nicht ganz, was du mit der Umschreibung "rational und keine Verdrängung der Realität" meinst?

Prinzipiell hab ich den Eindruck, als würde dich die Ansicht, alles Handeln sei egoistisch motiviert, eher traurig machen. Ich denke, das könnte daran liegen, dass der Begriff "egoistisch" in unserer Alltagssprache eine so negative Konnotation hat. Versuch es daher mal etwas neutraler zu betrachten: Umgangssprachlich meinen wir mit "egoistisch" meist, dass jemand nur auf sich selbst achtet und dabei alle anderen benachteiligt. Letzteres ist aber nicht Teil von Stirners Definition, da diese auch die Möglichkeit einräumt, dass Egoismus dazu führen kann, dass andere bevorteiligt werden. Und außerdem: wenn Egoismus doch auch dazu führt, dass du dich gut um dich selbst kümmerst, auf deine Bedürfnisse achtest und ein Leben lebst, mit dem du zufrieden bist, dann kann Egoismus doch nicht nur schlecht sein.

Und selbst wenn man es unbedingt egoistisch nennen möchte, wenn man seinen Mitmenschen hilft und versucht, sie glücklich zu machen - ändert das irgendwas an der positiven Wirkung, die man dabei auf deren Leben hat? Nö! Ich finde es eigentlich sogar echt wunderbar, zu wissen, dass ich für meine Mitmenschen da bin, weil es mich glücklich macht, andere glücklich zu machen. Zeigt doch nur, wie empathisch und mitfühlend wir als Spezies sein können, andernfalls würde es uns ja nicht glücklich machen, andere glücklich zu sehen. Find ich eine ziemlich coole Fähigkeit. :)

Hat dir das etwas weitergeholfen?


Weisskuchen 
Beitragsersteller
 27.06.2024, 19:22
Und außerdem: wenn Egoismus doch auch dazu führt, dass du dich gut um dich selbst kümmerst, auf deine Bedürfnisse achtest und ein Leben lebst, mit dem du zufrieden bist, dann kann Egoismus doch nicht nur schlecht sein.

Klar, aber was sollte das Gegenwarts-Ich vernünftigerweise motivieren, für das Zukunfts-Ich zu dienen und sich quasi aufzuopfern?

Vielleicht geht das nur mir so, aber es fällt mir schwer, mein Gegenwarts-Ich und mein Zukunfts-Ich als eine Einheit zu betrachten. Klar, die Grenze ist fließend, aber dadurch sind sie keine Einheit.

Und selbst wenn man es unbedingt egoistisch nennen möchte, wenn man seinen Mitmenschen hilft und versucht, sie glücklich zu machen - ändert das irgendwas an der positiven Wirkung, die man dabei auf deren Leben hat?

Nein. Mir stört lediglich der Egoismus meines Gegenwarts-Ichs gegen mein Zukunfts-Ich. Das ist nämlich kein Egoismus, bei dem ich es - bis dato - rational begründen könnte, wenn dieser als eine Form des reziproken Altruismus fungieren würde.

Hat dir das etwas weitergeholfen?

Nicht ganz; noch nicht.

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Bellbellbell  06.07.2024, 08:03
@Weisskuchen
Vielleicht geht das nur mir so, aber es fällt mir schwer, mein Gegenwarts-Ich und mein Zukunfts-Ich als eine Einheit zu betrachten.

Ja das ist halt das Problem. Dein Ich existiert natürlich über einen längeren Zeitraum hinweg und es verändert sich stetig von Sekunde zu Sekunde, aber das ändert nichts daran, dass es sich dabei um eine Identität handelt. Betrachtest du andere Menschen denn auch so? Zerteilst du deine Mutter zB auch in Vergangenheits-Mutter, Gegenwarts-Mutter und Zukunfts-Mutter? Oder tust du das generell mit anderen Lebewesen, zB auch mit Tieren oder Pflanzen? Selbst Gegenstände bewegen sich genauso durch die Zeit wie du und müssten demnach in unendliche viele Existenzen zerteilbar sein. Ich versteh zwar wie du das meinst, aber es macht einfach keinen Sinn, weder auf physikalischer, noch auf psychischer Ebene.

Falls diese Zerstückelung nur für dich gelten sollte, würde ich schon fast so weit gehen, zu vermuten, dass du irgendein Identitätsproblem hast. Kontinuität und Betrachten des Ichs als Einheit sind wichtige Aspekte der Identitätsbildung und derer scheinst du nicht fähig zu sein. Schau zB mal hier: https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/identitaet-entwicklungspsychologische-perspektive

Ich denke, mein Leben ist eine Ansammlung von Momentaufnahmen, von denen nur eine real und alle anderen ein Gedankenkonstrukt sind.

Was heißt real und wieso ist es nur eine, die real sein soll? Meinst du damit die Gegenwart? Würde da "aktuell" nicht besser passen als "real"? Die gegenwärtige Momentaufnahme deines Lebens ist genauso Gedankenkonstrukt wie alle anderen. Deine subjektive Wahrnehmung von dem, was du gegenwärtig erlebst, wird genauso in Form von Gedanken in deinem Gehirn zusammengebastelt, wie eine Erinnerung an Vergangenes, sodass diese gegenwärtige, "reale" Momentaufnahme für dich letztendlich auch nicht mehr als ein Gedankenkonstrukt ist. Gedanken und Gefühle sind auch real, auch wenn sie subjektiv sind. Finde das folgende Zitat aus Harry Potter dazu ganz schön :D
Harry: Is this real? Or has this been happening inside my head?Dumbledore: Of course it is happening inside your head, Harry, but why on earth should that mean that it is not real?

Oder hab ich missverstanden, was du mit "real" und "Momentaufnahmen" meinst?

Die Menge der Momentaufnahmen ist von der Menge der Gedanken abhängig.

Warum?

Das Vergangenheits-Ich hat den gleichen Körper wie mein Gegenwarts-Ich, das ist klar.

Nein, auch dein Körper verändert sich im Sekundentakt. Bis in die 20er dauert das Wachstum an, dein Gehirn kann u.U. bis Mitte 30 brauchen, um vollständig entwickelt zu sein. Zellen sterben, teilen sich, mutieren; neue Synapsen bilden sich im Hirn; dein Immunsystem und Hormonhaushalt verändern sich ständig; Ernährungsumstellungen, Verletzungen, Krankheiten oder Medikamente können unterschiedlichste Auswirkungen haben; sogar epigenetische Veränderungen sind möglich.

Aber sie sind aus meiner Sicht vor allem durch die Fluidität des emotionalen und psychischen Zustandes sowie dem jeweiligen, präsenten Wahrnehmen der Welt, also auch seiner Situation, durch die Unterschiedlichkeit der Qualia voneinander abzugrenzen.

Wenn also psychische Veränderungen/Entwicklungen zu einer Abgrenzung führen sollen, muss das analog auch auf den Körper übertragen werden, da sich dieser genauso verändert. Die Fluidität des psychischen Zustands steht sogar in direkter Verbindung mit dem physischen Zustand, da Veränderungen am Körper auch immer bedeuten, dass sich etwas an unserer Psyche verändert. Wenn ich zB durch eine Infektion an den Augen mein Sehvermögen verliere, wird meine subjektive Wahrnehmung der Welt ja deutlich beeinflusst, da visuelle Reize wegfallen. Man kann also Körper und Psyche nicht so strikt voneinander trennen wie du es suggerierst. Die gehen Hand in Hand.

Und ich würde da dann eher die gegenteilige Richtung einschlagen: nur weil sich dein Vergangenheits-Ich in einem anderen psychischen Zustand, einem anderen Körper und einer anderen Situation befand, als dein Gegenwarts-Ich, folgt daraus nicht, dass es dein Ich ist, welches hier voneinander abzugrenzen ist. Was sich voneinander abgrenzen lässt, sind die jeweiligen Zustände und Umstände, in denen du dich befandest bzw. befindest. Die sind nämlich tatsächlich von der Zeit abhängig - Emotionen sind vergänglich, Lebensumstände sind vergänglich, usw. und d.h. dass diese auch je nach relativem Zeitpunkt (Vergangenheit/Gegenwart) voneinander abgrenzbar sind.

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Bellbellbell  06.07.2024, 08:03
@Bellbellbell

[Teil 2]

Aber dein Ich ist, solange es lebendig ist, nicht vergänglich. Egal, was du in deinem Leben erlebst - deine menschliche Existenz, dein Bewusstsein, dein Verstand, deine Fähigkeit zur Sinneswahrnehmung, dein Gedächtnis & Intellekt, deine Instinkte und Emotionalität - das alles bleibt unverändert bestehen. Allein deswegen find ich es schwierig, mir vorzustellen, mein "Vergangenheits-Ich" sei ein komplett eigenes Individuum, das mittlerweile "tot" sei, wenn doch all diese aufgelisteten Eigenschaften noch "weiterleben". Und selbst veränderbare Komponenten des Ichs wie Erinnerungen, Meinungen, Wissen & Erlerntes, Verhaltens- & Denkmuster, Interessen und soziale Bindungen - also alles, was dein Ich, was DICH ausmacht - werden größtenteils kontinuierlich in die Gegenwart "mitgenommen" und "sterben" entsprechend nicht zusammen mit dem Vergangenheits-Ich. Und wenn das Gegenwarts-Ich zu so großen Teilen aus dem Vergangenheits-Ich besteht, dann können das doch keine komplett unterschiedlichen Ichs sein?

Wenn ich jetzt verdampfen und irgendwo anders auf der Welt eine perfekte Nachbildung meines Körpers erschaffen werden würde, dann wäre das ja auch nicht Ich.

Das ist halt die Frage, wärst das tatsächlich nicht Du? Lässt sich auf jeden Fall drüber streiten. Angenommen, die Nachbildung deines Körpers beinhaltet auch eine perfekte Nachbildung deiner Psyche inkl. aller Erinnerungen, allem Wissen etc... Wenn es also weder körperlich noch geistig einen Unterschied gäbe zwischen deinem originalen Ich und der Nachbildung, warum sollte die Nachbildung nicht "Du" sein?

Und passiert genau das nicht ständig, immer dann, wenn das Gegenwarts-Ich durch ein Stück Zukunfts-Ich ersetzt wird?

Nein, finde ich nicht. Da das Gegenwarts-Ich ja nicht komplett verdampft, sondern weiterhin besteht und durch das Zukunfts-Ich nur hinzugefügt oder modifiziert werden kann.

Wenn mein Gegenwarts-Ich so tut, als wäre es mit dem Zukunfts-Ich verbunden und im Grunde das gleiche wie es, nur um diesem vernünftigerweise dienen zu können, dann könnte das unter Umständen als irrational und als Realitätsverdrängung bezeichnen.

Es IST im Grunde das gleiche! Es braucht nicht so zu tun! Und damit wäre diese Sichtweise das Gegenteil von Realitätsverdrängung! :D Beide benutzen dasselbe Gehirn, auch wenn dies sich in jeweils unterschiedlichen Zuständen befindet. Aber es ist dieselbe "Instanz", die sowohl die Gegenwart erlebt als auch später alles erleben wird, was in der Zukunft passiert und genau das ist die Motivation für dich in der Gegenwart etwas für dich in der Zukunft zu tun. Dein Ich in der Zukunft ist grundlegend das gleiche Ich, wie das in der Gegenwart. Wärst du in der Zukunft eine ganz andere Person, gäbe es doch sowas wie Vorfreude oder Sorgen oder Angst vor zukünftigen Ereignissen nicht, weil es ja "jemand anders" wäre, der die durchlebt. Dementsprechend ist es genauso egoistisch, etwas in der Gegenwart für deine Zukunft zu tun (und dafür deine Gegenwart zu "opfern"), wie es egoistisch ist, in der Gegenwart was für dich in der Gegenwart zu tun (und dafür deine Zukunft zu "opfern"), da beides langfristig betrachtet auf's gleiche hinauskommt.

Es kommt letztendlich beides DIR zugute, nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Tut man etwas egoistisches, was einem mit sofortiger Wirkung gut tut, ist man gleich zufrieden ohne große Verzögerung. Tut man etwas egoistisches, was zB erst in einem Jahr Früchte tragen wird, kann man die Zeit zumindest mit Vorfreude überbrücken und ist nach Erreichen des Vorteils vielleicht sogar zusätzlich noch stolz auf sich, dass man es geschafft hat. Was von beidem man wählt, hängt davon ab, was man erreichen will, wie viel Zeit man dafür hat bzw. aufwenden will und was man generell für ein "Belohnungstyp" ist.

Also alles in allem seh ich keinen Weg um eine ganzheitlichere Sicht des Ichs herum führen. Vielleicht schaffst du es ja, deine zerspaltene Sicht deines Ichs etwas zu reparieren :)

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Weisskuchen 
Beitragsersteller
 27.06.2024, 19:13
Es spaltet sich nicht auf in 3 getrennte Existenzen, die an bestimmte, relative Zeiträume gebunden sind.

Eigentlich spalte ich meine Existenz in weit mehr als 3 Existenzen auf; fast unendlich viele; eine große Zahl ohne Obergrenze.

Es gibt nicht nur ein Zukunfts-Ich, sondern ganz viele. Mein Zukunfts-Ich nach einer Sekunde, mein Zukunfts-Ich nach 2 Sekunden, mein Zukunfts-Ich nach einem Tag, Einer Woche, Einem Monat, anderthalb Monaten und so weiter.

Ähnlich wie du dein Leben ja auch als Ganzes betrachtest und nicht als 3 verschiedene Leben.

Ich denke, mein Leben ist eine Ansammlung von Momentaufnahmen, von denen nur eine real und alle anderen ein Gedankenkonstrukt sind.

Die Menge der Momentaufnahmen ist von der Menge der Gedanken abhängig.

Wenn du dich von außen selbst auf dieser Straße betrachten würdest, sähest du ja auch immer nur eine Person darauf laufen und nicht noch eine zweite weiter hinten und eine dritte weiter vorne.

Das stimme, ich sähe immer nur das Gegenwarts-Ich dieser Person. Dennoch könnte ich mich erinnern, wo das Vergangenheits-Ich dieser Person war und vermuten, wo das Zukunfts-Ich dieser später sein wird.

Es ist also ein Fehlschluss, sein "Vergangenheits-Ich" zB im Rückblick auf Vergangenes als eine getrennte, unabhängige Person wahrzunehmen, denn dieses Ich mag sich zwischenzeitlich vielleicht weiterentwickelt haben, aber es ist immer noch fester Bestandteil deines Gegenwarts-Ichs, andernfalls wärst du gar nicht in der Lage, Erinnerungen über dich selbst abzurufen.

Du meinst, das Gegenwarts-Ich wäre, weil es auf dem Zukunfts-Ich aufbaut und diesem folglich sehr ähnlich ist, im Grunde immer noch das Gleiche?

Aber was ist mit eineiigen Zwillingen? Sie bauen nicht unbedingt aufeinander auf, sind aber sehr ähnlich, aber dennoch einzelne Individuen, weil sie unabhängig voneinander handeln und fühlen können.

Dein Vergangenheits-Ich lebt also nicht wirklich in der Vergangenheit, sondern als Erinnerung in deinem Gegenwarts-Ich,

Ja, aber nur, wenn ich über es nachdenke.

welches darüber hinaus das Vergangenheits-Ich als fest verbauten Grundbaustein überall mit sich hinträgt.

Das Vergangenheits-Ich hat den gleichen Körper wie mein Gegenwarts-Ich, das ist klar. Aber sie sind aus meiner Sicht vor allem durch die Fluidität des emotionalen und psychischen Zustandes sowie dem jeweiligen, präsenten Wahrnehmen der Welt, also auch seiner Situation, durch die Unterschiedlichkeit der Qualia voneinander abzugrenzen.

Wenn ich jetzt verdampfen und irgendwo anders auf der Welt eine perfekte Nachbildung meines Körpers erschaffen werden würde, dann wäre das ja auch nicht Ich. Und passiert genau das nicht ständig, immer dann, wenn das Gegenwarts-Ich durch ein Stück Zukunfts-Ich ersetzt wird?

Dein Ich ist also immer als eine Einheit zu betrachten, die zusammengehört und eine menschliche Existenz bildet.

Aus genannten Gründen zweifle ich daran.

Dementsprechend spielt es im Egoismus keine Rolle, ob eine egoistische Handlung einem Vorteile in der Gegenwart und/oder der Zukunft bringen soll. Was es egoistisch macht, ist, dass du es tust, weil für DICH dabei irgendeine Art von Vorteil rausspringen soll, egal wann oder wie.

Und da ist die Sache, dass sich jeweils das Gegenwarts-Ich als auch das Zukunfts-Ich als einzelne Individuen begreifen lassen. Das Gegenwarts-Ich tut etwas für das Zukunfts-Ich. Wenn letzteres den Profit hat, ist ersteres tot. Das neue Gegenwarts-Ich wird sich beim neuen Vergangenheits-Ich bedanken und den Profit für sich alleine haben.

Stirners Erkenntnissen zufolge könnte man lediglich den Konsum von Kokain als egoistisch einstufen, da auch sowas wie Drogenkonsum mit der Intention passiert, daraus einen Vorteil (Rauschzustand) für sich selbst zu erlangen, auch wenn dieser nur kurzfristig gilt oder sogar Nachteile mit sich bringt.

In dem Fall wäre eben das kurzfristige Selbst egoistisch gegenüber dem langfristigen Selbst, das nach ihm existiert. Nach dem Motto: "Nach mir die Sintflut!"

Dritter Denkfehler: altruistisch kann man nur anderen gegenüber sein

Was, wenn für das Gegenwarts-Ich das Zukunfts-Ich ein anderer ist?

Allerdings verstehe ich nicht ganz, was du mit der Umschreibung "rational und keine Verdrängung der Realität" meinst?

Wenn mein Gegenwarts-Ich so tut, als wäre es mit dem Zukunfts-Ich verbunden und im Grunde das gleiche wie es, nur um diesem vernünftigerweise dienen zu können, dann könnte das unter Umständen als irrational und als Realitätsverdrängung bezeichnen.

Prinzipiell hab ich den Eindruck, als würde dich die Ansicht, alles Handeln sei egoistisch motiviert, eher traurig machen.

Die Vorstellung, dass Egoismus kleiner sein kann als das soziale Atom bzw. das Individuum. Ja, durchaus!

Ich denke, das könnte daran liegen, dass der Begriff "egoistisch" in unserer Alltagssprache eine so negative Konnotation hat.

Nein, daran liegt es nicht.

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Der Mensch ist von Natur aus egoistisch und auf Überleben ausgerichtet, wie Max Stirner betont. Jegliches Handeln, selbst altruistisches, entspringt letztlich einem versteckten Egoismus. Langfristige Ziele wie gesunde Ernährung und Bildung sind daher egoistisch motiviert, da sie das zukünftige Wohlbefinden sichern. Das Zukunfts-Ich ist eine Fortsetzung des gegenwärtigen Selbst, wodurch Maßnahmen zu dessen Nutzen ebenfalls egoistisch sind. Ein rationaler Akteur berücksichtigt langfristige Belohnungen, da sie das Gesamtwohl des Individuums erhöhen. Das Ignorieren des Zukunfts-Ichs führt oft zu negativen Konsequenzen, was aus egoistischer Perspektive unklug ist.


Weisskuchen 
Beitragsersteller
 23.06.2024, 09:28
Das Ignorieren des Zukunfts-Ichs führt oft zu negativen Konsequenzen, was aus egoistischer Perspektive unklug ist.

Es führt zu negativen Konsequenzen für das Zukunfts-Ich; für das Gegenwarts-Ich hat das teilweise sogar den gegenteiligen Effekt.

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Warum sollte mich das Wohlergehen meines Zukunfts-Ichs interessieren?

Weil es schneller zu deiner Gegenwart wird, als du denkst.

Vor etwa einem Jahr bin ich auf den Philosophen 'Max Stirner' gestoßen, laut dem jede Handlung letztlich auf Egoismus basiert und jeglicher altruistischen Handlung eigentlich ein versteckter Egoismus zugrunde liegt.

Jeder stolpert irgendwann über diese Philosophie. Ich lehne diese Philosophie entschieden ab. Es ist eine sehr westliche Sicht der Dinge, die sich mit östlichen Werten und Lebensweise der Kollektivität überhaupt nicht deckt.

Nun frage ich mich: Was wäre die philosophische Erklärung dafür, vorrausgesetzt alles Handeln basiert tatsächlich auf Egoismus, irgendwelche Dinge zu tun, die mir kurzfristig schaden oder nichts bringen, dafür aber mittelfristig und langfristig einen positiven Effekt haben wie z.B. Sport, gesunde Ernährung, Bildung, Verzicht auf Konsum, Arbeit an längerfristigen Projekten

Dein Lebenserhaltungstrieb kombiniert mit deiner menschlichen Fähigkeit, vorausschauend zu denken. Man könnte auch Über-Ich, Erwartungshaltungen der Gesellschaft, sowie Religiösität und Sinnsuche als Gründe anführen. Wie du ja festgestellt hast, leben viele auch lieber ihr jetztiges Ich (Drogen) und auch die Politik agiert nicht vorausschauend genug (nachhaltige Energien, Autos) etc.


Weisskuchen 
Beitragsersteller
 20.06.2024, 16:38
Weil es schneller zu deiner Gegenwart wird, als du denkst.

Natürlich! Ohne meine Zukunft wäre ich augenblicklich tot.
Dennoch kann das Gegenwarts-Ich ja auch mehrere Minuten, Stunden oder Tage von meinem Gegenwarts-Ich entfernt sein, sodass in diesem Fall keine direkte Verbindung existieren würde.

Unter kurzfristig schönen und langfristig schädlichen Handlungen leidet erst ein Zukunfts-Ich, das bereits weiter in der Zukunft liegt und mit dem mein Bewusstsein nicht unmittelbar zusammenhängt.

Dein Lebenserhaltungstrieb kombiniert mit deiner menschlichen Fähigkeit, vorausschauend zu denken. Man könnte auch Über-Ich, Erwartungshaltungen der Gesellschaft, sowie Religiösität und Sinnsuche als Gründe anführen.

Der Selbsterhaltungstrieb ist natürlich real und treibt mich sowieso an, alles mögliche zu tun. Dennoch reagiert dieser ja auf das, was unmittelbar passiert und nicht auf das, was passieren wird, es sei denn man denkt bewusst darüber nach.

Warum ich nun die anderen Dinge tun sollte, wenn sowieso alles auf Egoismus basiert, ist mir aber immer noch nicht schlüssig.

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FriendlyAntwort  20.06.2024, 16:55
@Weisskuchen
Natürlich! Ohne meine Zukunft wäre ich augenblicklich tot.
Der Selbsterhaltungstrieb ist natürlich real und treibt mich sowieso an, alles mögliche zu tun. Dennoch reagiert dieser ja auf das, was unmittelbar passiert und nicht auf das, was passieren wird

Du widersprichst dir hier selbst. Die Zukunft, vor allem die nahe Zukunft ist sehr wohl für den Lebenserhaltungstrieb relevant. Deswegen haben wir beispielsweise auch uralte Gefühle wie Ekel, um uns vor Giften und Krankheiten zu schützen, die uns erst bis zu Jahre später betreffen können.

.. , es sei denn man denkt bewusst darüber nach.

Es ist also keine reine Aufgabe des Bewusstseins. Auch ist das Bewusstsein als Erweiterung zum Unbewussten zu verstehen und nicht als völlig davon entkoppelte separate Einheit. Die Teile deines Gehirns interagieren miteinander. Unser Denken ist nicht vollkommen frei von unbewussten Trieben und vice versa die Triebe nicht frei von moralischer Beurteilung. Der Mensch unterscheidet sich höchstwahrscheinlich grundlegend von Tieren, zumindest den "niederen" Tierarten, durch seine Fähigkeit zur Reflexion.

Unter kurzfristig schönen und langfristig schädlichen Handlungen leidet erst ein Zukunfts-Ich, das bereits weiter in der Zukunft liegt und mit dem mein Bewusstsein nicht unmittelbar zusammenhängt.

Genau deswegen entscheidet auch jeder relativ frei und selbst, ob er oder sie ein kurzes, intensives oder langes langweiliges Leben leben möchte. Ob sie Geld ansparen fürs Alter oder lieber ausgeben wollen, wenn sie jung sind.

Warum ich nun die anderen Dinge tun sollte, wenn sowieso alles auf Egoismus basiert, ist mir aber immer noch nicht schlüssig.

Ich weiß jetzt nicht, was du mit "andere Dinge" meinst, das müsstest du näher ausführen. Jedenfalls fällt auf, dass du Egoismus als Grundprämisse annimmst, was ich nicht tue. Wenn du das Wort "sollte" verwendest, beziehst du dich vielleicht auf soziale Dinge. Diese können für dein Leben aufgrund der Reziprozität relevant sein. Wenn du dich auf Selbstsorge beziehst, dann eben um dein Wohlbefinden später beizubehalten. Deine Verwirrung erschließt sich mir nicht ganz.

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Weisskuchen 
Beitragsersteller
 20.06.2024, 17:20
@FriendlyAntwort
Du widersprichst dir hier selbst. Die Zukunft, vor allem die nahe Zukunft ist sehr wohl für den Lebenserhaltungstrieb relevant. Deswegen haben wir beispielsweise auch uralte Gefühle wie Ekel, um uns vor Giften und Krankheiten zu schützen, die uns erst bis zu Jahre später betreffen können.

Gift existiert nur unmittelbar. Daher hat man auch nur Angst vor Gift, wenn es vor einem existiert. Wenn es in der Vergangenheit oder Zukunft existiert, dann ist dieses nur ein Gedankenkonstrukt und man kann davor keine Angst haben. Man hat höchstens Angst vor dem Gedankenkonstrukt, das aber, wie alles andere, nur in der Gegenwart existiert.

Genau deswegen entscheidet auch jeder relativ frei und selbst, ob er oder sie ein kurzes, intensives oder langes langweiliges Leben leben möchte. Ob sie Geld ansparen fürs Alter oder lieber ausgeben wollen, wenn sie jung sind.

Ich stelle mir aber immer noch die Frage, ob hinter dem langfristigen Planen und dem Dienen vom Gegenwarts-Ich dem Zukunfts-Ich nicht letztlich das egoistische Eigeninteresse des Gegenwarts-Ichs steckt, in Form vom Wunsch, sich im hier und jetzt tugendhaft fühlen zu können.

Würde sich an Langzeitplanung im hier und jetzt alles schlecht anfühlen, ganz ohne positiven Beigeschmack, dann würde man das ja nicht betreiben.

Ich meine, wer etwas für sein Zukunfts-Ich tut, der tut das nur, weil es sich für ihn im gegenwärtigen Moment positiv anfühlt, weil die Motivation irgendwo ja herkommen muss. Das ändert aber nichts daran, dass dieses Verhalten auf Grundlage meiner Egoismus-Philosophie irrational ist.

Ich weiß jetzt nicht, was du mit "andere Dinge" meinst, das müsstest du näher ausführen.

Anpassung an soziale Normen, Religiosität, Sinnsuche.

Wenn du dich auf Selbstsorge beziehst, dann eben um dein Wohlbefinden später beizubehalten.

Auf Grundlage des Gedanken, dass alles auf Egoismus basiert könnte ich vernünftigerweise nur nach folgendem Motto denken: "Nein, mach ich nicht! Das ist nicht mein Problem, das ist Problem meines fernen Zukunfts-Ichs."

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FriendlyAntwort  20.06.2024, 18:03
@Weisskuchen
Gift existiert nur unmittelbar. Daher hat man auch nur Angst vor Gift, wenn es vor einem existiert.

Du wenn du alles nur besser weißt und mir in jedem Satz nur widersprechen willst, dann stell bitte keine Frage.

Ich stelle mir aber immer noch die Frage, ob hinter dem langfristigen Planen und dem Dienen vom Gegenwarts-Ich dem Zukunfts-Ich nicht letztlich das egoistische Eigeninteresse des Gegenwarts-Ichs steckt, in Form vom Wunsch, sich im hier und jetzt tugendhaft fühlen zu können.

Kann sein, muss nicht. Es kann viele Gründe dafür geben, die ich ja bereits vorher auch schon aufgelistet habe. Fremde Erwartungshaltungen, innere Zufriedenheit, Vernunft für späteres Überleben etc.

Würde sich an Langzeitplanung im hier und jetzt alles schlecht anfühlen, ganz ohne positiven Beigeschmack, dann würde man das ja nicht betreiben.

Ist so auch falsch, du stellst ständig relativ leere Behauptungen auf, die so einfach nicht stimmen. Das Gehirn funktioniert nicht so einfach. Es basiert auf neuronalen Netzwerken mit Neurotransmittern. Da kommen wir aber zu dem Punkt zurück, dass ich bei dir das Gefühl habe, dass du gar nichts lernen willst, sondern nur ständig rechthaberisch diskutieren willst und daran habe ich trotz deiner anfangs interessanten Frage wirklich kein Interesse. Entweder du bist interessiert daran etwas zu lernen oder du suchst dir jemanden, mit dem du diskutieren und streiten kannst - dafür finden sich sicher auch genug, aber bei aller Liebe nicht mit mir.

Auf Grundlage des Gedanken, dass alles auf Egoismus basiert könnte ich vernünftigerweise nur nach folgendem Motto denken: "Nein, mach ich nicht! Das ist nicht mein Problem, das ist Problem meines fernen Zukunfts-Ichs."

Ja, so KANNST du denken. Sagte ich ja bereits.

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