Warum nimmt die Hubble-Konstante ab?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

erstmal hut ab dass du bei deinen recherchen darauf gekommen bist und diese frage stellst. die meisten leuten die von der beschleunigten expansion des universums hören wissen nicht dass der Hubble-parameter trotzdem mit der zeit abnimmt

um das zu verstehen musst du wissen was der sog. skalenfaktor a(t) ist. der ist es der dir angibt um welchen faktor die abstände im universum anwachsen. wenn der skalenfaktor zu einem zeitpunkt t1 gleich a(t1)=1 ist und zu einem zeitpunkt t2 gleich a(t2)=2 ist, dann haben sich zB die abstände zwischen zwei galaxien verdoppelt. zwei galaxien die zum zeitpunkt t1 2 Mrd. lichtjahre entfernt waren sind zum zeitpunkt t2 4 Mrd. lichtjahre entfernt, zwei galaxien die bei t1 3 Mrd. lichtjahre entfernt waren, sind bei t2 6 Mrd. lichtjahre entfernt, usw...

die entfernung ist also s(t) = a(t)*s0, wenn s0 der abstand zu dem zeitpunkt war an der skalenfaktor 1 betrug.

wenn der skalenfaktor einfach eine konstante ist, dann gibt es keine expansion, dann ist das universum statisch und die abstände andern sich nicht. wenn a(t) immer größer wird, dh dass die erste ableitung nach der zeit a’(t)>0, dann werden die abstände immer größer und das universum expandiert. wäre die erste ableitung a’(t)<0, so entspräche das eine kontrahierenden universum.

und was ist jetzt eine konstante bzw. beschleunigte bzw. verlangsamte expansion? das sagt dir ob die erste ableitung a’(t) selbst konstant bleibt, oder größer wird oder kleiner wird. also nichts anderes als die zweite ableitung. a’’(t)=0 heißt konstante expansion, a’’(t)>0 heißt beschleunigte expansion, a’’(t)<0 heißt verlangsamte expansion. (und natürlich immer a’(t)>0, wir sprechen ja von expansion).

und wie kommt jetzt der Hubble-parameter ins spiel? dazu musst du dir erst mal klar machen dass der absolute wert des skalenfaktors gar keine bedeutung hat. ich könnte zB den skalenfaktor um einen faktor 2 kleiner definieren, aber gleichzeitig alle abstände s0 um einen faktor 2 größer definieren, und ich würde für s(t) immer exakt das gleiche erhalten wie vorher (ich hätte also eigentlich einfach einen anderen zeitpunkt gewählt an dem ich den skalenfaktor gleich 1 definiere und hätte die abstände s0 eben an diesem zeitpunkt bestimmt.)

aber betrachte jetzt zB mal den fall einer konstanten expansion. sagen wir zum zeitpunkt t1 hat der skalenfaktor a(t)=1 und der abstand zwischen zwei galaxien beträgt 1 Mrd. lichtjahre, und eine Mrd. jahre später beträgt der skalenfaktor a(t2)=2, und der abstand der beiden galaxien beträgt 2 Mrd. lichtjahre (denn der skalenfaktor hat sich ja verdoppelt). oder wir definieren den skalenfaktor so dass der skalenfaktor bei t1 gleich a(t1)=2 (und dee abstand zwischen den galaxien beträgt natürlich wieder 1 Mrd. lichtjahre), und dann bei t2 haben wir a(t2)=4 (und der abstand natürlich wieder 2 Mrd. lichtjahre, denn der skalenfaktor hat sich ja verdoppelt). alle physikalischen resultate (hier die abstände bei t1 und t2) sind also exakt gleich, aber einmal ist die erste ableitung a’=1/Mrd.jahre (von 1 auf 2 in 1 Mrd. jahre) und im anderen fall ist sie a’=2/Mrd jahre (von 2 auf 4 in 1 Mrd. jahre). diese ableitung alleine gibt uns also kein quantitatives maß für die expansion, da sie eigentlich willkürlich ist.

was aber in der tat eindeutig ist, ist das verhältnis der ersten ableitung des skalenfaktors zum skalenfaktor selbst, also H(t)=a’(t)/a(t), wobei das H eben der Hubble-parameter ist. denn wenn ich den skalenfaktor doppelt so groß definiere, wird auch die ableitung doppelt so groß und der faktor kürzt sich raus. sieht man auch am obigen beispiel. zum zeitpunkt t1 haben wir H(t1)=1 (un beiden fällen) und zum zeitpunkt t2 dann H(t2)=1/2 (in beiden fällen). das ist eine eindeutige größe. das ist der Hubble-parameter.

die frage fragt nun nach der änderung des Hubble-parameters mit der zeit, also nach der ersten ableitung. nun, die ergibt sich zu H’=(a’’/a)-(a’/a)² (einfach nur H=a’/a ableiten), und sieht man sofort dass die bloße tatsache dass a’’>0 (beschleunigte expansion) noch lange nicht heißt dass H’>0. hier kommt es auf das exakte verhältnis von a’ und a’’, und das hängt dan vom ganz konkreten fall ab. in unserem universum ist H’<0.

man kann ja ganz einfach mal ausprobieren was denn zB H’=0, also zumindest ein konstanter Hubble-parameter, bedeuten würde. das gibt eine ganz einfache differenzialgleichung a’(t)=H*a(t), mit der lösung a(t) ~ exp(H*t), also eine exponentiell beschleunigte expansion. das ist nicht was wir beobachten.

oder wieder das beispiel einer konstanten expansion a’’=0, also a’=konst. dann haben wir a(t)~t und somit H(t)~1/t, also ganz eindeutig H’(t) <0.


Skyler0003  26.05.2024, 23:59

Danke für die Antwort! Aber nimmt der Hubble-Parameter nicht nach dem ΛCDM-Modell wieder zu?

0
Reggid  27.05.2024, 06:55
@Skyler0003

nein. er nimmt ab.

in ferner, ferner zukunft, wenn das universum komplett durch die dunkle energie dominiert wird, nähern wir uns dem oben beschriebenen fall einer exponentiell beschleunigten expansion mit einem konstanten Hubble-parameter an.

0

Unter der Annahme einer linearen Ausdehnung des Universums ist der Skalenfaktor a(t) =D(t)/D0 einer beliebigen Distanz D und der Distanz D0 zum Zeitpunkt t0 im Universum linear abhängig von der Zeit t: 

a = da/dt*t  (1) mit einer Ausdehnungsgeschwindigkeit

da/dt = H*a (2)

Der Faktor H ist die Hubblekonstante (die besser Hubbleparameter heißen sollte, weil sie nicht konstant ist - in der Tat folgt aus einer linearen Ausdehnung konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit da/dt und damit H = 1/t mit 2 in 1 eingesetzt), hat beim Urknall eine Polstelle und nimmt seitdem ab, wird aber nie null. 

Kosmologischer Horizont

Objekte in der Entfernung r entfernen sich mit der Geschwindigkeit v(r) = H*r von uns. Man kann nun mit der Lichtgeschwindigkeit c einen Radius rH = c/H definieren, der Hubbleradius genannt wird. Für r = rH ist die Geschwindigkeit v(rH) = c, d.h. theoretisch entfernen sich Objekte in dieser Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit von uns (die Spezielle Relativitätstheorie gilt nur lokal und wird dadurch nicht verletzt), und man könnte meinen, dass man dann diese Objekte nie mehr sehen kann, weil ihr Licht nicht gegen die Expansionsgeschwindigkeit ankommt, aber:

1. Licht direkt hinter rH kann es, einmal ausgesandt, mit der Zeit innerhalb von rH schaffen und uns letztlich doch erreichen - die korrekte Rechnung beinhaltet eine Integration der Bewegung mitbewegter Koordinaten und des Lichtsignals von t0 bis unendlich und führt hier zu weit - außerdem...

2. ist die o.g. Annahme der linearen Ausdehnung falsch. Die Ausdehnung unterliegt bremsenden und beschleunigenden Einflüssen (zB die Massendichte einschl. dunkler Materie vs. dunkle Energie), deren Stärke nicht zeitlich konstant war oder sein wird. In Abhängigkeit von diesen Einflüssen kann der Kosmologische Horizont sich bei vorwiegender Bremsung weiter ausdehnen und mehr Objekte sichtbar machen, oder  bei vorwiegender Beschleunigung schrumpfen und mehr Objekte verbergen.

Aus diesen beiden Gründen liegt der Kosmologische Horizont nicht beim Hubbleradius, sondern nach aktuellem Stand etwas dahinter (etwa 16 Mrd LJ statt 13,4 Mrd LJ). Mit weiterer Ausdehnung des Universums und sinkender Massendichte könnte die Beschleunigung gewinnen - dann würde der Hubbleparameter auf einen konstanten Wert sinken: die Lösung für die Differentialgleichung da/dt = const*a ist dann eine exponentielle Ausdehnung, die den Kosmologischen Horizont schließlich bis auf gravitativ direkt gebundene Strukturen schrumpfen ließe, und die Reste der Vereinigung aus Milchstraße und NGC224 wären allein in der Dunkelheit.

Partikelhorizont.

Wo aber sind die  fernsten Objekte, die wir jetzt schon sehen, wirklich? Als ihr Licht ausgesandt wurde, dh kurz nachdem das Universum transparent wurde, waren sie nur einige Mio LJ entfernt. Während ihr Licht im Raum zu uns unterwegs war, bewegte sich dieser Raum aber mit der Expansionsgeschwindigkeit von uns weg und verlängerte die Reisezeit des Lichtes (und seine Wellenlänge), bis das Licht schließlich hier ankam; inzwischen haben sich die damals aussendenden Objekte bis zum sog. Partikelhorizont entfernt (ca 46 Mrd LJ), also weit hinter dem Kosmologischen Horizont.

Die Gravitation bremst die Ausbreitung astronomischer Objekte ab.

Davon unabhängig dehnt sich das Universum aber immer schneller aus.

Astronomische Objekte, mit denen die Hubble Parameter gemessen werden, werden von der Gravitation beeinflusst.

Die Expansion des Raums steht aber nicht in Abhängigkeit zur Gravitation.