Hubble Gesetz und Raumdehnung?

3 Antworten

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Immer wieder wird über das Hubble Gesetz diskutiert,

was meinst du? wo wird was immer wieder diskutiert?

ist die Überlegung des Dopplereffekts hierbei eigentlich nicht falsch und das Hubble Gesetz gilt also nur als „Annäherung“ für das Verständnis wie sich möglichst nahe Systeme relativ zueinander verhalten

so etwas wie eine geschwindigkeit lässt sich in einer dynamischen raumzeit nicht eindeutig definieren, da sich auch distanzen nicht eindeutig definieren lassen. die übliche konvention ist allerdings dass man in der kosmologie für entfernungen die proper distance at equal cosmic time verwendet, das bedeutet

 wobei s die proper distance, a(t) der skalenfaktor des universums (dessen größerwerden mit der zeit genau das ist was wir expansion nennen) und x die comoving distance. d.h. für die großen strukturen im universum die im großen und ganzen der expansion folgen und keine relevante eigenbewegung aufweisen gilt x=const.

wenn du nach der zeit ableitest hast du

 die ableitung der entfernung nach der zeit nennen wir geschwindigkeit v, die letzen beiden faktoren ergeben genau wieder das urprüngliche a(t)*x=s, und mit der definition des Hubble parameters

 erhalten wir damit das bekannte

 diese relation für v, wenn man v eben so definiert als ds/dt, gilt also ganz allgemein, nicht nur für kurze distanzen. man muss aber im kopf behalten dass das eine letztendlich willkürliche konvention ist die keine direkte physikalische bedeutung hat.

was man NICHT allgemein machen kann und nur für kurze distanzen als näherung gilt, ist dieses v jetzt einfach zu nehmen und in die Doppler-formel für eine flache, statische raumzeit (= spezielle relativitätstheorie)

 einsetzen. das ist in der tat nur eine näherung.

wir können für v<<c entwickeln und für v obige relation einsetzen

 nun ist s die entfernung, c die lichtgeschwindigkeit, d.h. s/c ist einfach die zeit die zwischen heute (t_0) und zu dem zeitpunkt als das licht ausgesandt wurde (t_e) vergangen ist, also



die rotverschiebung aus der expansion ergibt sich korrekt aus

 diese formel stimmt immer exakt. aber wir können sie jetzt für kleine zeitdifferenzen, d.h. dass das licht nicht lange (im vergleich zum inversen Hubble-parameter) unterwegs war ebenfalls entwickeln.

dazu entwickeln wir

 das in die formel für die rotverschiebung eingesetzt ergibt dann näherungweise

 also genau das selbe wie vorhin. in dieser näherung kannst du also die geschwindigkeit v definiert als v=H*s in der tat einfach in die formel für den Doppler-effekt einer flachen raumzeit einsetzen. aber das ist wie gesagt nur eine näherung.

für die galaxien, supernovae, etc... die wir heute in der kosmologie beobachten wenn wir aussagen über die expansion des universums treffen wollen, gilt diese näherung selbstverständlich nicht mehr.

martyxfly 
Fragesteller
 10.06.2022, 22:17

Wow danke für die sehr ausführliche Antwort. Inwiefern ist das berechnen des „v“ als „Geschwindigkeit“, die man durch die Ableitung wie oben beschrieben, überhaupt dann sinnvoll? Meinst du mit „dass das eine letztendlich willkürliche konvention ist die keine direkte physikalische bedeutung hat“, dass es im Prinzip eigentlich sinnlos ist sich solch eine Geschwindigkeit zu errechnen? Welche Bedeutung hat dann das Hubble Gesetz v = H * s, wenn sich Geschwindigkeiten nicht genau definieren lassen?

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Reggid  11.06.2022, 00:03
@martyxfly
Inwiefern ist das berechnen des „v“ als „Geschwindigkeit“, die man durch die Ableitung wie oben beschrieben, überhaupt dann sinnvoll? 

diese "geschwindigkeit" sagt dir eben die änderung der proper distance mit der zeit, aber diese ist nicht direkt beobachtbar oder messbar. wenn man in der kosmolgie z.B. rotverschiebung als funktion der entfernung betrachtet, dann braucht man ein messbares entfernungsmaß, wie z.B. die scheinbare helligkeit vs absolute helligkeit. das kann man messen. rotverschiebung kann man messen. proper distance (und damit auch deren zeitliche änderung) kann man nicht messen.

Welche Bedeutung hat dann das Hubble Gesetz v = H * s

für größere distanzen, wo es keinen linearen zusammenhang zwischen rotverschiebung und abstand gibt, eigentlich keine.

das heißt ja nicht das irgendwas falsch ist oder so, aber man muss sich halt im klaren darüber sein was es bedeutet und was es nicht bedeutet.

wir geben alle unsere entfernungsmaße in der kosmologie in proper distance an (wenn du z.B. liest wie groß das beobachtbare universum ist, wie weit der kosmische ereignishorizont entfernt ist, usw..). aber das ist halt einfach eine konvention. eine relativ naheliegende und sinnvolle, aber eben dennoch keine tatsächlich messbare physikalische größe.

so hat z.B. auch der Hubble radius R=c/H0, definiert als jene entfernung bei der die geschwindigkeit (nach obiger definition) aufgrund der expansion die lichtgeschwindigkeit erreicht, keinerlei physikalische bedeutung.

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martyxfly 
Fragesteller
 11.06.2022, 01:37
@Reggid

Danke für deine Antwort, habe nächsten Montag meine mündliche Physik Matura und tatsächlich ist der Themenpool Astronomie und eigentlich alles andere ziemlich oberflächlich und „einfach“ gestaltet. Gerade so etwas haben wir leider nie genauer und eigentliche sogar ansatzweise besprochen. Wäre relativ lustig wenn ich dann tatsächlich das als Thema ziehen würde und dann über das hier alles sprechen könnte.

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Reggid  11.06.2022, 09:02
@martyxfly

wenn du über das bei der matura sprechen willst dann solltest du dir sicher sein dass

a) du das alles wirklich verstanden hast

und b) dein lehrer/prüfer das alles weiß und verstanden hat (wäre ich mir nicht so sicher)

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In diesem Sinne ist die Rotverschiebung keine "Doppler-Verschiebung", sondern ein Ausdehnen der Lichtwellen zusammen mit dem Raum selbst.

(Vielleicht könnte man auch "Gravitationsrotverschiebung" sagen, verursacht durch das "Sich-Entfernen" des Raums vom weniger ausgedehnten Zustand, wo alles, einschließlich des Raumes selbst, dichter beieinander ist, aber das ist ein ziemlich ungeprüfter Gedanke)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium, Hobby, gebe Nachhilfe
martyxfly 
Fragesteller
 09.06.2022, 19:06

Ja stimmt macht total Sinn, wenn man hier in dem Zusammenhang überhaupt von einem Sinn reden kann, schließlich können wir das Universum einfach „noch“ nicht verstehen. Aber bezüglich des Hubble Gesetzes, das ist doch in diesem Sinne dann eigentlich falsch oder? Viel genauer bzw. weiter (wenn auch komplizierter zum Berechnen) kommt man mit der Allgemeinen Relativitätstheorie?

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Soweit mir bekannt waren die Hubble-Parameter schon immer ein Streitthema in der Astronomie, da sich je nach Messmethode unterschiedliche Werte ergeben und die Expansionsrate offensichtlich zunehmend wächst.

Die entscheidende Erkenntnis ist wohl eher: je weiter Galaxien entfernt sind, um so schneller entfernen sie sich (in Relation zum Bezugspunkt).

Der Dopplereffekt ist ja ein rein kinematischer Effekt, welcher überall auftaucht, wenn bspw. ein Auto mit Blaulicht an dir vorbeifährt und die Schallwellen sich unterschiedlich ausbreiten (in Relation zu deinem Bezugspunkt).

martyxfly 
Fragesteller
 09.06.2022, 19:23

Stimmt das ist sicher erstmals die entscheidende Erkenntnis. Könnte man dann nicht diese „Fluchtgeschwindigkeit“ im übertragenen Sinn als Entfernungsgeschwindigkeit bezeichnen, die man mit dem Zusammenhang von Hubble „v=H*d“ berechnet, wobei natürlich wie von dir angesprochen der Hubble Parameter nicht konstant oder eindeutig ist.

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