Warum kriegen geistig Behinderte oder Autisten keine Freundin?

11 Antworten

Selbstverständlich zählt nicht ausschließlich der Charakter. Mit einer Person, die man äußerlich nicht ansprechend findet, ist man höchstens befreundet, aber nicht in einer Beziehung. Auf Dauer gesehen ist der Charakter jedoch am wichtigsten. Wichtiger als das Aussehen. Denn du kannst noch so hübsch sein - Das bringt dir nichts, wenn dein Charakter für die Tonne ist.

Ich möchte nicht behaupten, dass Autisten (sowohl männliche, als auch weibliche) es nicht deutlich schwerer hätten in der Partnersuche - genauso wie in der Freundessuche -, denn Tatsache ist: Das haben sie. Es ist jedoch nicht richtig, davon auszugehen, dass man zwingend aufgrund seines Autismus keinen Partner/keine Partnerin findet. Einige Autisten führen liebevolle Beziehungen oder sogar Ehen. Es hängt alles damit zusammen, wie man mit seinem Autismus umgeht und inwiefern man darauf bedacht ist, nur mit Leuten zu verkehren, welche einen so akzeptieren, wie man nun einmal ist.

Ich denke, ein Faktor ist die Tatsache, dass viele Autisten sich bereits seit dem Kleinkindalter schwer damit tun, Freundschaften zu knüpfen, Freundschaften aufrechtzuerhalten etc. Den anderen Kindern scheint das so leicht von der Hand zu gehen, also wieso schaffe ich das nicht?

Wenn man damit Probleme hat, ist es quasi vorprogrammiert, dass es beim Thema Dating nicht sonderlich besser aussehen wird. Die Datingwelt ist selbst für viele neurotypische Menschen grausam. Im Falle von Autismus hat man zwei Möglichkeiten: Hinter seinem Autismus stehen und nur die Leute in sein Leben lassen, die einen auch mit Autismus akzeptieren, oder solange Masking betreiben, bis man eines Tages komplett ausgelaugt ist. Der Autistic Burnout ist fast schon unumgänglich. Doch Fakt ist, dass viele Autisten sich zum Masking genötigt sehen. Insbesondere beim Dating. Und das bringt mich zu meinem anderen Punkt, weshalb einige (nicht alle!) Autisten keine Beziehungen haben bzw. sich schwer damit tun (Punkt Nummer 3 wäre, dass sie einfach ihr Single-Dasein genießen und kein Interesse an einer Beziehung haben):

Das Bild über Autisten in der Gesellschaft.

Ist man kein Autist/keine Autistin, geht das höchstwahrscheinlich an einem vorbei, doch wenn man sich alleine schon aufgrund seines Autismus regelmäßig mit der Thematik beschäftigt und mehr oder weniger auch beschäftigen muss, wird einem beinahe jeden Tag vor Augen geführt, wie sich einige Personen denken, wie wir Autisten sind.

Wir seien ja ach-so-anstrengend (weil sich als neurodiverser Mensch an neurotypische Gegebenheiten anzupassen nicht anstrengend ist, lol), wir hätten keine Empathie, wir wären alle geistig behindert aufgrund unseres Autismus, wir seien alle introvertiert und schüchtern und hach nein, man könne doch nicht und wir Autisten könnten prinzipiell keine Zuneigung zeigen und vertragen, man dürfe bloß nie Ironie und Sarkasmus anwenden, denn das verstehen wir ja grundsätzlich nicht und so weiter und sofort.

Die Liste an Klischees, Fehlinformationen usw. ist ziemlich lang. Und genau aus diesem Grund (bzw. ist das einer der Punkte und auch ein ausgesprochen großer) tun sich viele Autisten schwer damit, Beziehungspartner zu finden. Finde einen, der weiß, dass alle Autisten individuell sind und dann musst du diese Person auch vom Charakter und vom Aussehen her attraktiv finden. Schwierig.

Viele neurotypische Menschen sind nicht bereit, sich auf neurodiverse Menschen einzulassen. Eine Beziehung mit "Behinderten" wird mehr als eine Last empfunden. Doch wenn ein Mensch nicht dazu bereit ist, sich zumindest so weit, wie es ihm möglich ist, an den autistischen Partner/die autistische Partnerin anzupassen, kann man diesen sofort wieder aus seinem Leben entfernen und weiterziehen. Wer so tut, als würde er sich einen Zacken aus der Krone brechen, obwohl unzählige neurodiverse Menschen jeden Tag auf Biegen und Brechen ihren gesamten Charakter verstellen MÜSSEN, nur um überhaupt die Chance auf ein halbwegs normales Leben zu haben, der hat den Schuss eindeutig nicht gehört.

(Anmerkung: Damit meine ich selbstverständlich nicht, dass neurotypische Menschen/Nicht-Autisten sich ebenfalls verbiegen sollen. Ich finde einfach, beide Parteien sollten bereit sein, offen miteinander zu kommunizieren, Kompromisse zu schließen und dazu bereit sein, die Welt des jeweils anderen zu verstehen.)

Es gibt da jedoch auch die Sache mit dem allgemeinen Selbstbewusstsein. Dies darf nicht in Arroganz und Selbstüberschätzung überschwappen, doch im Falle eines Autisten/einer Autistin, denke ich, dass dies bedeutet, sich selbst - als Autist/Autistin - zu akzeptieren und das auch nach außen zu tragen.

Wie gesagt: Es ist falsch, davon auszugehen, als Autist/Autistin wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, einen Partner/eine Partnerin zu finden. Schwieriger - definitiv, aber nicht unmöglich.

Und manchnal hat man einfach noch nicht die richtige Person gefunden. Auch als Autist muss man nicht bereits mit Mitte 20 die Flinte ins Korn werfen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽
Uguran152  01.12.2022, 02:18

Heftig text

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Es gibt auch sehr viele NTs, die keine Partner bzw. Partnerin haben.

Halt also nicht automatisch etwas mit Autismus zu tun.
Denn es gibt auch Autisten, die Beziehungen haben.
Sogar solche, aus denen Kinder hervorgehen.

Oft ist es eher die Schwierigkeit, solch eine Beziehung am Laufen zu halten.
Sei es, dass der autistische Partner es nicht schafft oder der neurotypische Part seine Schwierigkeiten hat, den neurodiversen Partner zu verstehen.

Wobei "den anderen nicht verstehen" auch unter NT-Paaren vorkommt und sie sich trennen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – ASS-Diagnose mit 50 / über 20 Jahren im Thema

Wer sagt denn das nur Charakter zählt? Viele achten sehr wohl aufs Aussehen (auch wenn das nur erstmal vllt. Der entscheidende Punkt für Kontakt ist). Mal abgesehen davon wenn jemand eine geistige Behinderung hat, dann ist das körperliche eig. Nicht davon betroffen? Sondern eher der Charakter den manche dann abstoßend finden (hatten selbe eine Autisten in unsere Klasse es war schrecklich)

Naja, eine solche Beziehung bringt ja auch sehr viele Herausforderungen mit sich. Ich für mich fände es einfach schwierig, mit einem geistig behinderen Menschen zusammen zu sein - man muss halt bereit sein, mehr in die Beziehung zu investieren als üblich.

Autismus wirkt sich erstens einmal auf die Persönlichkeit aus, genauso wie jede andere mentale Behinderung oder Krankheit. Verständlicherweise können gewisse dadurch bedingte Merkmale für manche Menschen als unattraktiv gelten. Da spielt es aber keine Rolle, woher diese Eigenschaften genau kommen und ob man jetzt neurodivergent ist oder nicht.

Ich bin eine Frau mit ADHS und befinde mich gerade in dem Prozess der Autismusdiagnose und über die letzten Jahre des selbstreflektierenden Denkens sind mir durchaus einige Dinge an mir aufgefallen, die nicht nur mich, sondern auch andere stören können. Dass ich nicht alles davon komplett ändern kann ist mir auch bewusst und wenn manche Leute deswegen mit mir nichts anfangen können respektiere ich das auch. Ich mag schließlich auch nicht jeden.

Ruffye135 
Fragesteller
 26.04.2022, 21:37

Hattest du mal eine Beziehung?

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