Warum gehen so wenig Menschen in die Pflege?

24 Antworten

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Die Arbeit ist nicht ohne. Alten Menschen die Windeln zu wechseln und zu waschen usw. nicht jeder kann das. Da muss man schon hart im Nehmen sein. Ich könnte es nicht.

olsen  08.11.2022, 19:37

Danke für den Stern lg.

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Pflegeberufe sind in der Regel überaus belastend. Es ist eine unglaubliche Verantwortung, denn man arbeitet mit Menschen, die von einem abhängig sind. Damit hängt auch zusammen, dass man keine klaren Grenzen im Job ziehen kann. Man muss darauf reagieren was eben gerade Sache ist. Dadurch steht man unter Dauerstrom. Dazu kommen Probleme wie der Mangel an Personal, was schließlich dazu führt dass sowieso alle überlastet sind, denn bei menschlichen Leben kann man nicht einfach sagen "na gut dann fahren wir die Produktion für 2 Monate runter", resultierend daraus sind viele auch massiv unzufrieden weil sie sich nicht so intensiv um die Menschen kümmern können wie sie es gerne würden, sondern fast schon fließbandartig einen Menschen nach dem anderen schnell abhandeln müssen. Menschen die in die Pflege gehen haben grundsätzlich oft ein gewisses Sozialverständnis, welches der Art und Weise wie man arbeiten muss stark widerspricht, wobei das Problem in der Arbeitsweise und nicht im Sozialverständnis liegt. Anders kann man aber aufgrund der Sachlage nicht arbeiten.

Hinzu kommt, dass viele Menschen sich scheuen vor der Art der Arbeit. Fremde Menschen duschen, anziehen, eventuell auch bei Klogängen helfen, Windeln wechseln, etc., das sind Aufgaben vor denen die meisten Menschen zurückschrecken. Zudem wird man zu einer wichtigen Bezugsperson für Menschen, die man sich nicht aussucht. Um solch einen Beruf zu wählen braucht man gewisse menschliche Voraussetzungen, die viele nicht mitbringen. Und schließlich hat man oft auch noch eine eigene Familie, die schon viel emotionale und soziale Kapazität erfordert. Und das alles dann dafür, dass jemand der Toilettenschüsseln am Computer entwirft höhere Aufstiegschancen und teilweise ein höheres Gehalt hat.
Pflege ist ein Beruf, welcher nicht unbedingt attraktiv für die Allgemeinheit ist, nur eine kleine Gruppe von Menschen geht in dieser Tätigkeit voll auf, und die Stellschrauben die es politisch beispielsweise gibt werden leider weitestgehend ignoriert.

Wir leben in einem Wirtschaftssystem, welches wortwörtlich "Produktivität", also produktive Güter bevorzugt. Das ist mitunter auch ein Grund, weshalb insgesamt soziale Dienstleistungen weniger vergütet werden.

Weil der Beruf unterbezahlt wird. Man verhält sich innerhalb der Branche zunehmend ausbeuterisch und auch wenn es seltsam klingen mag aber es währe sozialer NICHT in die Pflege zu gehen damit politisch Druck entsteht und sich die Bedingungen ändern.

Diejenigen die sich in der Branche befinden sollten wiederum mehr Druck ausüben.

Es ist nur traurig, dass die Entscheidungsträger die Verantwortung nicht übernehmen und selbst den Antrieb dafür haben, denn die Herangehensweise geht am Ende auf Kosten der Pflegebedürftigen.

Selbstlos zu handeln ist allerdings nicht die Lösung und würde im Gegenteil die Situation nur verschlimmern, da sonst politisch kein Handlungsbedarf entsteht, die Ausbeutung würde sogar zunehmen.

Knochenjimmy 
Fragesteller
 01.11.2022, 16:15

Ich fühle mich überhaupt nicht ausgebeutet. Ich krieg 2400 Euro netto Vollzeit in Wien, werde vom Staat in puncto Weiterbildung gefördert wo es nur geht und der soziale Prestige ist sehr hoch. Die Leute sprechen einem ihre Bewunderung aus und sagen, dass sie das nie könnten. Pflege hat einen hohen sozialen Prestige. Die Arbeitszeiten find ich jetzt auch super bzw. normal.

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DoctorBibber  01.11.2022, 19:52
@Knochenjimmy

Zuerst einmal ist es gut, dass du zufrieden bist mit deiner Arbeit und das wünsche ich dir auch vom ganzen Herzen. Menschen, die in der Pflege arbeiten, haben es auch verdient!

Aber genau das ist doch der Fehler. Wir können uns nicht einen "statistischen Messfehler" herausnehmen und dabei die gesamte Grundgesamtheit ignorieren. Es geht nicht allen so gut wie dir.

Es wurden 2500 Pflegekräfte befragt und 37,3% also fast 1000 Pflegekräfte gaben an ihren Job in den kommenden 5 Jahren wechseln zu wollen. Meinst du echt, dass alle 1000 Pflegekräfte angst vor "Urin" und "Stuhl" haben? Aus meiner Sicht ist das lediglich ein Vorurteil. Ich bezweifle nicht, dass es in deinem Umfeld natürlich das eine oder andere schwarze Schaf verbirgt, das aber auf die gesamte Zahl auszuweiten halte ich für etwas übertrieben.

Ausgerechnet systemrelevante Berufe wie die Pflege werden oft unterdurchschnittlich bezahlt.

https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.792728.de/diw_aktuell_48.pdf

Außerdem wird in kaum einem anderen Beruf so viel an Überstunden geleistet 2016 wurden über 9,5 Millionen Überstunden geleistet, davon ein Drittel unbezahlt!

Schichtdienst macht außerdem Job und Privatleben schlecht vereinbar.

Die Pflege wurde über Jahre durchökonomisiert und zwar politisch gewollt. Sodass eben gemacht wird, was Geld bringt mit Einspardruck eben mit Folge, dass am Personal gespart wird UND DAS IST DER EIGENTLICHE Grund und nicht, weil die Menschen angst vor Urin und Stuhl haben. Das ist zu oberflächlich gedacht und viel zu wenig differenziert.

Die Privatisierung des Gesundheitssystems führte zu einem enormen Kostendruck und damit einer der Hauptursachen für den Notstand.

Die DRG-Fallpauschalen sind seit 2004 verpflichtend, was dazu geführt hat, dass die Krankenhäuser für jeden Fall, den sie behandeln, eine pauschale bekommen.

Das bedeutet, wenn ein Krankenhaus das Geld ausgibt für mehr Ärzte oder mehr Geräte, dann bedeutet das mehr Umsatz.

Wenn ein Krankenhaus aber für Pflege Geld ausgibt, bedeutet das mehr Kosten, aber kein Umsatz.

Das hat Lauterbach 2018 im Deutschen Bundestag selbst gesagt. Wozu das führt, wenn es um Pflegepersonal geht, kannst du dir hoffentlich denken.

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Knochenjimmy 
Fragesteller
 01.11.2022, 20:01
@DoctorBibber

"Das bedeutet, wenn ein Krankenhaus das Geld ausgibt für mehr Ärzte oder mehr Geräte, dann bedeutet das mehr Umsatz.

Wenn ein Krankenhaus aber für Pflege Geld ausgibt, bedeutet das mehr Kosten, aber kein Umsatz."

Was soll der Unterschied in der Hinsicht zwischen Ärzten und Pflegern sein?

Ich geh übrigens jetzt eh in den Bereich Sozialbetreuung, weil ich den medizinischen Sektor überhaupt nicht mag. Aber würde ich ihn mögen - hätte ich kein Problem mit dem Job. Eigentlich mag ich Krankenhäuser. Aber irgendwie, hab ich das Gefühl (oder es so erlebt), es steht nicht die Arbeit am Menschen im Vordergrund sondern halt das Medizinische. Ich hab oft das Gefühl, dass die Menschen nur Objekte sind - oder eigentlich immer. Und das mag ich nicht.

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DoctorBibber  01.11.2022, 23:21
@Knochenjimmy

Das ist kein Unsinn, sondern entspricht exakt deiner Beobachtung, denn die Ökonomisierung hat auf diese Weise dazu geführt, dass Pfleger wie "Objekte" behandelt werden. Pfleger bringen eben kein Gewinn. Das ist der direkte Ausdruck der Profitgier. Der Pfleger ist bloß mittel zum Zweck und zwar ein Mittel, bei dem der Druck besteht, den Aufwand in Form von Bezahlung und verbesserter Arbeitsbedingung so gering wie möglich zu halten.

Das trifft übrigens nicht nur auf Pfleger zu, sondern auf alle ökonomisierte Systeme wie Unternehmen, Industrien usw. Heißt nicht, dass die Bedingungen immer schlecht sein müssen.

Es ist durchaus möglich, mittels vernünftiger Planung das Wirtschaftsprinzip zu erfüllen, auch wenn Ressourcen nicht unbegrenzt verfügbar sind und ohne ausbeuterisch zu handeln.

Dennoch. Das Interesse, den Mitarbeiter klein zu halten, schlecht zu bezahlen und Druck auf sie auszuüben, um sie auszudrücken wie Zahnpastatuben, war schon seit der Industrialisierung da.

Arbeiter arbeiteten von 6 bis 21 Uhr. Mit Druck aus der Seite der Arbeitnehmer wurden Gesetze durchgedrückt, die es verboten haben, Kinder unter 8 Jahre zu beschäftigen. Heute ist das unvorstellbar.

Alle Gesetze, die wir heute haben, wurden über Jahrhunderte durchgedrückt und zwar immer im Interesse der Arbeitnehmer. Das heißt, wenn Arbeitnehmer wollen, dass sich die Bedingungen für sie bessern, dann MÜSSEN sie Druck ausüben und fordern.

Arbeitgeber wiederum sehen Arbeitnehmer wie eine teure Ressource, sie muss gedrückt werden, um den Aufwand zu verringern, damit das Ziel des ökonomischen Prinzips erreicht werden kann zumindest sehen es vor allem konservative Arbeitgeber.

Deshalb heißt es auch immer, wenn du Stress mit einem Vorgesetzten hast: "Es, liegt an dir und nicht an deinem Vorgesetzten, du hast ein Autoritätsproblem." Und deshalb ist es auch so "Unerhört", wenn die heutige Generation sagt: "Nein, ich arbeite nicht mehr als ich muss!" Das übt natürlich gesellschaftlichen Druck aus und natürlich zum Gunsten der Arbeitgeber. Mit anderen Worten: Wir werden nach Strich und Faden verar**** und nennen uns oben drein scheinheilig einen "sozialen Staat.".

Psychologische Manipulationen sind dabei ein lukratives Mittel. Du wirst z.b. mit Überinformationen manipuliert, um Verträge zu unterschreiben, die natürlich nicht nach deinen Gunsten ausgelegt sind. Du vertraust auf deinem Vertragspartner, der dir doch so sympathisch war. Gaslighting ist eine beliebte Strategie, um dich dazu zu bringen Probleme bei dir selbst zu sehen: "Wenn du es als unethisch empfindest, dass ich Kinder schlage, dann liegt es nicht an mir, sondern an deiner Wahrnehmung, du bist das Problem und nicht ich. Ein Kind zuschlagen ist halt eine pädagogische Maßnahme. Du bist hier die kranke Person, aber ich? Niemals!"

Oder um etwas aktuell zu bleiben: "Du, willst dich nicht Impfen, weil du anderer Meinung bist? Das ist richtig asozial gegenüber deinen Mitmenschen. Aber deinen Standpunkt nicht anzuhören, auch deine Meinung für eine differenzierte Sicht der Dinge zu berücksichtigen, nein! Das ist nicht asozial."

Auch ein typisches Manipulationsmittel ist das Framing. Hierbei geht es um die Umdeutung von Wörtern oder gar einprägen ganzer Glaubenssätze: "Wenn du dieses oder jenes nicht tust, bist du nicht fleißig" Du möchtest aber fleißig sein, also arbeitest du wie ein Tier und im Streit heißt es: "Weißt du, was ich schon alles gemacht habe? Ich habe dieses und jenes getan.", aber dein Gegenüber möchte auch gesellschaftlich anerkannt und begehrt sein und damit "Fleißig" sein, also sagt er: "Ach, das ist doch gar nichts! Ich habe dieses und jenes getan!"

Früher hieß es: "Wenn du dieses und jenes getan hast, dann bist du ein Sünder! Und nur ich kann dich von deiner Sünde befreien, denn wir sind die Boten Gottes!" Es mag auf dem ersten Blick banal klingen, aber diese Glaubenssätze, die wir auch in der heutigen Zeit unserer Gesellschaft haben, dienen dazu, dich zu lenken und sogar so weit zu gehen, dass du deine eigene Gesundheit aufs Spiel nur um gesellschaftlich z.b. innerhalb des Unternehmens dazu zugehören.

Ständig werden Menschen manipuliert, um das ökonomische Ziel mit so wenig aufwand wie möglich zu erreichen bzw. auszunutzen. Dabei ist es egal, ob du dadurch unter psychologischen Problemen leidest. Brauchst du dann einen Psychologen, wird es schwierig, denn Psychologen haben zu wenig Plätze bei Krankenkassen, was zu ewigen Wartezeiten führt. Die Krankenkasse sagt dazu: "Geht arbeiten! Das spart Geld!".

Lass dich also nicht über den Tisch ziehen! Es ist sozial, dich um dein Wohl zu bemühen und Druck auszuüben und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern oder nach Arbeitgebern zu schauen, die das Bieten, weil Arbeitgeber dann gezwungen sind, etwas zu ändern, was sich wiederum positiv für deine Nachfolger ausübt. So funktioniert das Wirtschaftssystem, in dem wir leben, schon seit Jahrtausenden nur das es früher noch extremer war.

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Knochenjimmy 
Fragesteller
 02.11.2022, 08:17
@DoctorBibber

Ich habe gemeint, dass ich den Eindruck habe, die Patienten werden in der Pflege wie medizinische Objekte behandelt und nicht wie Menschen.

Darum will ich da weg in den sozialen Bereich. Mir ist die Arbeit mit Menschen wichtig.

Ich finde die Arbeitsbedingungen und das Gehalt okay. Sicher, Bill Gates wird man nicht dadurch, aber das interessiert mich gar nicht. Ich brauche auch kein Haus mit Auto. Ich hab eine normale Wohnung und komm mit dem Geld sehr schön aus.

Ich brauche im Monat 1000 Euro zum Leben und bekomme 2400.

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DoctorBibber  02.11.2022, 10:32
@Knochenjimmy

Das eine schließt in dem Konzept das andere nicht aus. Aber wie gesagt, wenn es dir in deinem Umfeld gut geht, dann gibt es auch nichts zu beklagen und dann brauchst du dich auch nicht unnötig verrückt machen.

Aber wie gesagt nicht jeder hat es so gut wie du und das Glück beim richtigen Arbeitgeber gelandet zu sein. Das es aber immer passieren kann, dass gewisse Dinge nicht ganz passen, man neue Herausforderungen sucht oder gewisse Werte nicht mehr passen ist normal und wenn alle Stricke reißen und auch eine Verhandlung mit dem Arbeitgeber zu keinem Ergebnis führt, ist ein Jobwechsel zu einem passenderen Arbeitgeber die logische Konsequenz.

Heißt Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen am Ball bleiben und dürfen nicht statisch sein, die Welt dreht sich und ist eben dynamisch und veränderlich. Die Werte von Heute sind nicht gleich die Werte von morgen.

Schon Albert Einstein sagte: "Das Leben ist wie Fahrradfahren. Mann muss immer in Bewegung bleiben um Voranzukommen."

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Knochenjimmy 
Fragesteller
 01.11.2022, 16:17

Es geht glaub ich in Wahrheit nur um die Angst vor Stuhl und Urin und ab und zu eine Leiche und Wunden und solche Dinge.

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Geld!

Also zu schlechte Bezahlung für einen Job, bei dem man in Früh Rente kommt, da man Arbeitsunfähig wird, weil der Job so körperlich anspruchsvoll ist.

Ein solcher Job muss richtig gut bezahlt sein, damit man dafür seine Gesundheit aufgibt.