Warum bin ich in meiner Beziehung plötzlich so verletzlich?
Ich bin seit einem halben Jahr mit meinem Freund zusammen und es läuft alles gut. Er ist sehr lieb zu mir, was ich so überhaupt nicht kannte. Meine Erfahrungen reichen von narzisstischen Eltern bis hin zu Missbrauch mit Männern in der Vergangenheit. Ich war deshalb auch in Therapie und hatte, bis ich ihn getroffen habe, so große Bindungsängste, dass eine Beziehung nicht möglich war und Sex und Intimität schon gar nicht.
Jetzt stehe ich aber vor einem anderen Problem, auch wenn ich es erstmal nicht sooo schlimm finde, aber schon wissen möchte, was ich dagegen tun kann. Ich war schon früher immer recht sensible und wurde oft verletzt, besonders von meinem Vater. Irgendwann, wenn man älter wird, lässt das nach. Jetzt ist es aber mit meinem Freund wieder stärker geworden. Wenn er etwas sagt, was eigentlich gar nicht böse gemeint war, dann versetzt es mich quasi wieder in die Rolle des Kindes und ich kann nichts dagegen tun, auch wenn ich mit aller Gewalt versuche rational zu bleiben. Kleine Dinge tun mir weh und machen mich so traurig, dass ich oft weine und nicht weiß warum. Ich glaube, dass da immer wieder Zeug von früher angetriggert wird und ich dann automatisch in eine schlechte Gedankenspirale rutsche, die mich noch mehr runter zieht. Wenn das ganze dann vorbei ist, frag ich mich oft, warum ich jetzt so starke Gefühle aus dem Nichts hatte. Er weiß auch bereits alles von früher und hat Verständnis für mich, aber es ist natürlich auch nicht einfach für ihn, weil es manchmal halt wie ein Mienenfeld ist und er eben nicht die Sensibilität hat, wie ich sie habe, um diese Mienen automatisch zu umgehen.
2 Antworten
Mit diesen traumatischen Erlebnissen ist es lange Zeit schwer. Wenn du das Gefühl hast grundlos traurig zu sein ist das schon doof. Aber wie du schon sagst, so ganz von alleine kommt es nicht, sondern wenn dein Freund zufällig was sagt (z. B. "Kleine Dinge tun mir weh").
Denk vielleicht daran, dass das Vergangenheit ist, dass der Typ den du da hast anders und keiner von diesen Personen ist; Er dich glücklich machen kann. Es keinen Grund gibt in alte Muster zu verfallen.
Ruf ihn auch einfach mal her und sag ihm, dass du dich grade Scheiße fühlst. Auch wenn du ihn vielleicht in dem Moment körperlich nicht gebrauchen kannst (Nähe ist ja vielleicht auch dann so eine Sache). Gib ihm eine Aufgabe (z. B. Tisch decken) und schau ihm zu, vielleicht beruhigt dich das und dir rutscht ein Lob raus. Ist nur ein Beispiel. Vielleicht setzt du dich auch vor deine Lieblingsserie (kannst ihm auch als Aufgabe geben, dir die an zu machen). Du solltest auf jeden Fall anders reagieren als du es "gewohnt" bist. Unternehme irgendwas, damit dein Kopf sich nicht selbstständig macht. Das ist wichtig. Alte (gewohnte) Muster sind eher negativ. Versuch dich selbst zu manipulieren, entwickle neue Rituale und er kann dich dabei unterstützen. Sei lieber am Chillen als am Grübeln.
Sicher kannst du dich mal erinnern, aber versuch im Heute zu bleiben, du bist kein Kind mehr. Dein Freund ist nicht dein Vater. Du bist auch nicht mehr die Frau in einer deiner vergangenen Beziehungen. Vielleicht sagt du das auch mal laut um dich zu wecken in so einem Moment wo du dich so fühlst.
Ich glaube mit dem Schmerz hast du schon lange abgeschlossen. Du spürst ihn nur ab und an nochmal als Phantomschmerz.
Wenn du sagst, dass du sensibel bist, dann hinterfrag dich schlicht in so einem Moment, ob dass jetzt ein Trauma-Trigger war oder es einfach nur ein normaler sensibler Moment ist. Nicht alle Probleme und Emotionen in deinem Leben sind in deinen Traumata begründet. Das musst du auch wieder lernen.
Beachte auch, dass es eine Hormonsache ist, wie du schon sagst: "ich dann automatisch in eine schlechte Gedankenspirale rutsche". Die fortlaufende Traurigkeit produziert man auch selber und das musst du unterbinden (wie bei Depressionen).
Sprech auf jeden Fall mal mit deinem Freund. Setzt euch gemütlich zusammen und dann Rede über die aktuelle Problematik, die dir Sorge bereitet. Er wird dir besser zur Seite stehen, wenn du ihn führst.
Sind so nur meine Ideen.
Hey, deine Reaktion ist total verständlich – auch wenn sie sich für dich vielleicht übertrieben anfühlt. Du hast in der Vergangenheit viele schmerzhafte Erfahrungen gemacht, und dein Inneres ist einfach darauf geprägt, besonders vorsichtig zu sein. Jetzt, wo du jemanden hast, der dir wirklich gut tut, kommen genau diese alten Schutzmechanismen wieder hoch – nicht weil er etwas falsch macht, sondern weil dein System auf Nähe plötzlich anders reagiert.
Es ist wie ein alter Alarm, der losgeht, obwohl keine echte Gefahr da ist. Das heißt nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt – im Gegenteil: Es zeigt, dass du dich zum ersten Mal traust, wirklich offen und verletzlich zu sein. Und das fühlt sich ungewohnt an.
Was helfen kann: Versuch, dich selbst nicht dafür zu verurteilen. Nimm die Gefühle ernst, aber bleib dabei liebevoll zu dir. Und red mit deinem Freund genau so ehrlich weiter – auch wenn es manchmal schwierig ist. Er muss dich nicht perfekt verstehen, aber allein dass er da ist, zählt schon viel :)