War das Mittelalter wirklich so schlimm wie alle sagen?
8 Antworten
War das Mittelalter wirklich so schlimm wie alle sagen?
Wenn man als Mensch von heute urteilt, den Lebensstandard, die Freiheiten und Möglichkeiten der Gegenwart für die große Mehrheit der Menschen zugrunde legt, dann ja.
Die Menschen des Mittelalters empfanden ihre Zeit vielleicht als weniger "schlimm", je nach Stand und persönlichen Verhältnissen. Sie hatten auch kaum Vergleichsmöglichkeiten, da die Lebenssituation der Menschen von Generation zu Generation kaum unterschiedlich war und den Menschen ansonsten in der Mehrheit die Bildung fehlte, sich mit der Vergangenheit und der Lebenssituation anderer Epochen auseinanderzusetzen.
Es fehlte nicht die Bildung
Doch, der Mehrheit der Menschen im Mittelalter fehlte auch die notwendige Bildung, sich mit den erwähnten Themen zu befassen. Das ist eine Tatsache, aber keine Schuldzuweisung!
Das Mittelalter war eigentlich besser als sein Ruf. Nach den Wirren des Frühmittelalters, als die Reiche in Europa noch um ihre Gestalt rangen und auch der christliche Glaube oft mit sehr radikalen Methoden durchgesetzt wurde, trat im Hochmittelalter eigentlich eine relativ ruhige Epoche ins Weltgeschehen.
Das lag auch an den vergleichsweise günstigen klimatischen Bedingungen in Europa, die eine durchgängige Besiedelung möglich machten und meistens für ausreichend Nahrung sorgten. Die Menschen hatten natürlich nicht unsere heutigen Freiheiten und wer einen schlechten Herrn hatte, hatte nicht viel zu lachen.
Sehr viel schwieriger wurde das Leben im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit ab etwa 1500, als erst die Pest in mehreren Wellen und dann mit Einsetzen der "kleinen Eiszeit" vermehrt Hungersnöte und viele Kriege stattfanden, die mit dem Bauernkrieg und später mit dem 30-jährigen Krieg ihre Höhepunkte fanden. Auch die Hexenverfolgung fand ihre ersten Höhepunkte erst im ausgehenden Mittelalter und aus der allgemeinen Not heraus waren in diesen Jahrhunderten auch viele entwurzelte Raubritter oder Räuberbanden zugange.
"und wer einen schlechten Herrn hatte, hatte nicht viel zu lachen." Das ist sicher auch ein paar Mal vorgekommen allerdings niemals so verbreitet, dass man es erwähnen müsste. Das kommt aus der Vorstellung heraus, dass man sich als Herr ja alles erlauben konnte. Dem ist aber nicht so. Damals kannte jeder jeden und war auf gute Beziehungen bedacht. Wenn dann ein Herr über die Strenge schlug, wurde ihm von der Gemeinschaft Paroli geboten. Am Ende waren alle voneinander abhängig und das viel mehr als heute.
Das kommt darauf an was du unter schlimm verstehst. Das Leben der einfachen Leute war hart, insbesonderer der Bauern, die weit über 80% des Volkes ausmachten. Viel Arbeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, Leibeigenschaft, hohe Abgaben an den jeweiligen Landesherrn und der Kirche. Zudem war das Leben nicht nur hart, sondern meistens auch kurz durch Kriege, Hungersnöte, Krankheiten usw. Noch schlimmer war es aber am Übergang zur Neuzeit bzw. in der frühen Neuzeit selbst, durch ein ungünstiges Klima (kleine Eiszeit) waren die Sommer kurz und verregnet, was zu noch größeren Ernteeinbußen führten. Auch die Hexenverfolgung erreichte zu dieser Zeit ihren Höhepunkt und der 30- jährige Krieg führte zu großem Leid in der Bevölkerung, dort gab es auch die meisten Opfer des Krieges. Kurzum, das Mittelalter war hart, aber die Menschen gewöhnten sich quasi daran. Es gab auch Phasen im Mittelalter, wo es den Menschen besser ging (z.B. im Hochmittelalter) als im Spätmittelalter, zudem war es von Land zu Land und auch von Region zu Region unterschiedlich. Der ungünstigste Höhepunkt der schlimmen Zeit lag aber in der frühen Neuzeit.
Das sprichwörtliche "Finstere Mittelalter" ist ein wenig begründetes Klischee. Wie in jeder Geschichtsepoche gab es auch im Mittelalter bessere und schlechtere Zeiten - zum Teil auch auf Regionen begrenzt - aber aine Pauschalisierung ist unzutreffend.
Ich empfehle zur Lektüre darüber das Buch der US-Amerikanischen Historikerin Barbara Tuchmann: 'Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert'. München, dtv 1983 (ISBN 3-423-10060-5), kenntnisreich und gut geschrieben.
Bei weitem harmloser als die Zeit seit der Französischen Revolution. Im Mittelalter (500-1500) gab es in Europa im Durchschnitt nur 20 Mio Tote durch Kriege, Verfolgungen und andere Gewaltakte, in der Neuzeit (1500-2025) in Europa im Durchschnitt 150 Mio Tote, seit der säkularen, atheistischen Zeit, die mit der Frz. Revolution begann, begann die Zahl zu explodieren.
Es fehlte nicht die Bildung sondern eher die Zeit und die Möglichkeiten, sich mit der Vergangenheit zu befassen. Schriftstücke waren selten und teuer.