Wäre die Sowjetunion unter Trotzki besser als unter Stalin gewesen?

Das Ergebnis basiert auf 27 Abstimmungen

Nein, wäre genauso schlimm 48%
Ja, unter Trotzki wäre es besser 33%
Nein, es wäre sogar noch schlimmer 19%

4 Antworten

Es wäre falsch zu behaupten, dass die Errichtung der stalinistischen Diktatur und die Parteisäuberungen unvermeidlich gewesen wären oder gar auf die Ideen Lenins oder das kommunistische Programm zurückgehen würden (wie das manche antikommunistische Historiker behaupten).

Ein Sieg Trotzkis über Stalin hätte darum sicher wichtige Spielräume für eine sozialistische Entwicklung und Demokratisierung der Sowjetunion geschaffen, aber eine Garantie für deren Erfolg kann es natürlich nicht geben.

Andererseits wäre es ebenso falsch, für den tatsächlichen Verlauf der Geschichte keiner tieferliegende Ursachen zu sehen als einfach nur die Persönlichkeit Stalins, seine Brutalität und Paranoia. Es ist wichtig, die Umstände zu kennen, die Stalins Aufstieg ermöglichten.

Russland war bereits zu Zarenzeiten die technisch rückständigste Großmacht in Europa und wurde durch Weltkrieg und Bürgerkrieg weiter verwüstet, es kam zu Entvölkerung, Mangel und Hungersnöten. Als die sozialistischen Revolutionen in anderen Ländern (z.B. Deutschland 1918-1923 und Ungarn 1919), auf die Lenin und die Bolschewiken große Hoffnungen gesetzt hatten, scheiterten bzw. blutig niedergeschlagen wurden, führte das zur internationalen Isolation Russlands und der Einkreisung durch feindliche Mächte.

Sozialismus bedeutet Verwaltung und Verteilung von Überfluss. Der Mangel in Russland musste hingegen zu Ungleichheit führen und ermöglichte die Entstehung einer privilegierten bürokratischen Schicht, die an der Verteidigung ihrer Position interessiert war. Stalin sicherte sich über sein Amt als Generalsekretär der Partei die Spitzenposition der Bürokratie, indem er alle Posten mit seinen treuen Anhängern besetzte.

Lenin und Trotzki hatten zunächst wohlgemerkt ihren Anteil daran, die Entstehung der Bürokratie zu ermöglichen, aber sie gehörten auch zu den weitsichtigsten Kritikern dieser Entwicklung und forderten schon früh Stalins Absetzung. Lenin starb aber zu früh und Trotzki war nach Lenins Tod zu passiv und zu überheblich, um gegen Stalin Erfolg zu haben.

Der Konflikt zwischen den "Linken" um Trotzki, dem "Zentrum" um Stalin und den "Rechten" um Bucharin nach Lenins Tod war nicht einfach nur ein Machtkampf zwischen austauschbaren Cliquen, sondern auch ein Kampf zwischen unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Programmen, und viele der späteren Entscheidungen Stalins hatten katastrophale Folgen, weil sie nur auf die Sicherung seiner Machtposition und die der sowjetischen Bürokratie gerichtet war statt auf die Entwicklung des Sozialismus.

Stalin verweigerte die von Trotzki geforderte Rückkehr zur Rätedemokratie, die nach der Oktoberrevolution bestanden hatte, und überließ die Planung der Wirtschaft der bürokratischen Führung, ohne irgendwelche demokratischen Kontrollinstrumente. Langfristig führte dies zum Scheitern der Sowjetunion, weil mit der zunehmenden Differenzierung der Wirtschaft in den 70er und 80er Jahren die Fehleinschätzungen der Bürokratie immer größere Versorgungsengpässe und Krisen bewirkten.

Trotzki forderte außerdem vor seiner Entmachtung das Ende der marktwirtschaftlichen Elemente der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP), die 1921 von Lenin eingeführt wurde, zugunsten einer Planwirtschaft. Stalin setzte das scheinbar 1928 mit dem Fünfjahresplan und der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft um, tat das aber übereilt und ohne Rücksicht auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Kapazitäten, wie von Trotzki gefordert. Die Folge war eine Hungersnot und die Ausbremsung der sowjetischen Entwicklung.

Trotzki propagierte außerdem die internationale Ausweitung der sozialistischen Revolution, während Stalin die ausländischen kommunistischen Parteien den nationalen Interessen der sowjetischen Bürokratie unterordnete, und die Entwicklung des Sozialismus in einem Land sowie ein starres Etappenschema der gesellschaftlichen Entwicklung propagierte. In vielen Ländern verhinderte Stalin dadurch gerade Erfolge der sozialistischen Bewegung.

Den chinesischen Kommunisten beispielsweise befahl er während der Revolution 1925-1927 die Unterordnung unter die nationalistischen Kuomintang und die Ablieferung ihrer Waffen; die Folge war ein Massaker der Kuomintang an zehntausenden Kommunisten, von dem die Partei sich nie mehr erholte.

Die deutschen Kommunisten wurden durch ihn in der Weimarer Republik lange dazu gebracht, die Sozialdemokraten mindestens ebenso hart zu bekämpfen wie die Nazis. Ohne diese Spaltung wäre die Bildung einer sozialdemokratisch-kommunistischen Einheitsfront (unter Ausschluss der opportunistischen sozialdemokratischen Führung) möglich gewesen, die reale Aussichten gehabt hätte, den Aufstieg der Nazis durch ihre Überzahl zu verhindern.

Nach dem Aufstieg der Nazis verfolgte Stalin die Anbiederung an die liberal-kapitalistischen Regierungen Frankreichs und Großbritanniens und opferte diesem Bündnis die sozialistische Revolution in Spanien. Auf Stalins Anordnung verteidigten die spanischen Kommunisten im Bürgerkrieg 1936-1939 die republikanische Einheitsregierung nicht nur gegen das Franco-Regime, sondern auch gegen sozialistische aufständische Arbeiter! Diese Strategie ging ebenso wenig auf wie die Spalterei in Deutschland und auch in Spanien kamen die Faschisten an die Macht.

JohannDoukas  20.01.2024, 12:14

1. Das Wirtschaftswachstum Russlands war in der späten Zarenzeit das höchste in Europa. Die bolschewistische Diktatur hat das Land punktuell industrialisiert (militärrelevante Industrie, der Marxismus strebt ja nach Weltherrschaft), insgesamt aber einen schäbig-rückständigen Haufen hinterlassen. Ohne die massiven Demontagen deutscher Industrie nach 1945 wäre die Sowjetunion noch weiter zurückgeblieben. Ohne "Kommunismus" wäre Russland heute wahrscheinlich eines der führenden Länder der Erde. Es ist ja nicht nur die Unterbrechung des Wirtschaftswachstums (jährlich nur noch 2-3% gegenüber über 10% in der späten Zarenzeit), sondern aus die massenweise Ausmordung des besten intellektuellen Potentials, das Russland vorher hatte. Es waren vor allem die Eliten, die von den bolschewistischen Massenmördern massakriert wurden.

Heute liegt der durchschnittliche IQ in Russland nur bei 95 - das sind 5 Punkte unter dem Niveau Westeuropas! Eine klare Folge der dysgenischen Ausmerze durch die blutroten Massenmörder. Dabei hatte Friedrich Nietzsche als zentrales Ereignis des 20. Jahrhunderts noch dein „Eintritt der Russen in die Kultur“ prognostiziert. Anstelle dessen kamen die Kommunisten mit ihrer Zwangskollektivierung, ihrem Polizeistaat, den Gulag-Lager und massenweises Sterben durch Tscheka-Terror, Gulag und Hungersnöte. Entsprechend ärmlich, häßlich und rückständig sieht das Land heute immer noch aus. Viele Russen sind vor dem Terror der Kommunisten auch in den Westen geflohen.

2. Stalins Verbot an die deutsche KPD, mit der SPD zusammenzuarbeiten gegen die Nationalsozialisten hing damit zusammen, daß Stalin Hitler als "Eisbrecher" benötigte, um Westeuropa durch Kriege zu destabilisieren. Sein Kalkül: Hitler-Deutschland sollte im Krieg gegen Frankreich ausbluten (wie im Weltkrieg bereits geschehen) und die Sowjetunion sollte dann im entscheidenden Moment zuschlagen, um als lachender Dritter Deutschland in Ostpreußen anzugreifen, das ganze Land und danach auch noch das ebenfalls geschwächte Frankreich niederzuwerfen und damit sein Regime in Europa zu installieren. Hat 1940 nur deshalb nicht geklappt, weil Deutschland Frankreich in nur sechs Wochen besiegt hatte, womit vorher niemand rechnen konnte.

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Ja, unter Trotzki wäre es besser

Unter Trotzki wären sicherlich auch Leute ermordet worden, die seine Art von Kommunismus nicht gut gefunden hätten oder gefolgt wären (Stichwort Kronstadt)...aber ich glaube längst nicht so viele.

Ich bin auch davon überzeugt, dass der Kommunismus dann dort kein so bürokratischer Staatskapitalismus geworden wäre. Die Wirtschaft wäre besser gelaufen. Ob so gut im Vergleich mit dem USA und anderen westlichen Staaten ist eine andere Frage...ich glaube eher so wie Jugoslawien unter Tito und Ungarn nach 1956 oder vielleicht sogar die UdSSR als Kosygin auf dem Höhepunkt seiner Macht war (1965-74).

Trotzki konnte eher aus Fehlern lernen als Stalin. Außerdem hätte die UdSSR sicherlich nicht so viele Todesopfer im 2.Weltkrieg gehabt. Auch militärisch hatte Trotzki viel mehr drauf und viele fähige Offiziere hätten überlebt.

Übrigens: Stalin war nie Staatsoberhaupt der Sowjetunion, sondern Parteichef der KPdSU und eine zeitlang auch Regierungschef. Staatsoberhäupt der Sowjetunion zu Stalins Zeiten waren Kalinin und Schwernik.

Nein, es wäre sogar noch schlimmer

Die Theorie der permanenten Revolution, die Trotzki selbst entwickelt hatte hätte sehr schnell nach der gewaltsamen Übernahme der Regierung innerhalb der Sowjetunion zu einem Krieg mit dem als schwächsten empfundenen Nachbarn geführt.

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/archiv/525275/leo-trotzki/

In den Methoden gegen innere Gegner unterschieden sich Trotzki und Stalin nicht wesentlich.

Ja, unter Trotzki wäre es besser

Von gerecht kann bei einem sozialistischen Staat keine Rede sein!Es wäre vlt. nicht ganz so mörderisch geworden,vlt. auch schon.Sozialismus steht für Elend,Ungerechte Gleichschaltung...,oder auch Massenmord,zB. Stalin,Mao,Pol Pot,auch Lenin... !