W123 günstiger als w124 warum?

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Deine Beobachtung entspricht der Wahrheit. Der Grund ist die geringere Nachfrage bzw. die veränderte Lage im Youngtimerbereich: Der W123 war vor 15 Jahren "der letzte echte Benz". Entsprechend hoch waren die Preise selbst für richtigen Schrott - und meist waren die angebotenen Fahrzeuge damals auch einfach nur Schrott, weil Gutes kaum verkauft worden ist: Wer damals einen guten 123er schon besessen hatte, der hat den auch behalten oder im Falle eines Falles unter der Hand dafür gesorgt, dass er zu fairem/marktgerechtem Kurs zu einem anderen Fan der Baureihe gekommen ist.

https://www.youtube.com/watch?v=cLyQmcesK6o

Wir hatten damals den W124 als 230E Automatik in "Rauchsilber-Metallic" satte 23 Jahre lang von 1989 bis 2012. Gerade während meiner Schulzeit merkte ich sehr deutlich, wie sein "Ansehen" sich veränderte. Hat man mich anfangs noch wegen unserem teuren und relativ neuen Mercedes bewundert, zumal der 124er für lange Zeit als einer der besten und beliebtesten Gebrauchtwagen gegolten hat und der Einstieg für vernünftige 124er bei mindestens 15000 D-Mark begonnen hat - die Eltern der anderen fuhren damals sehr häufig den Ford Sierra, gern als Kombi mit abgedunkelten hinteren Fenstern, den VW-Passat Variant oft als 32B (bis 1988) oder den Opel-Kadett E Caravan, gern auch als heute sehr seltenen Dreitürer, sowie Renault R-19, Ford Escort, ältere Audi 80 und Ähnliches - sank das Ansehen ab etwa 2001 deutlich: Viele Leute nahmen den W124 fortan nur noch als biederes "Alte-Leute-Auto" für trutschige Rentner oder billigste Gelegenheit einen Benz zu fahren oder als grundsätzlich nach Diesel und Frittenfett riechendes Taximobil wahr, als Inbegriff von Spießigkeit und Langeweile, oder als Zeichen von sozial schwachen Leuten, die ihr "Image" aufpolieren wollen, indem sie einen einigermaßen fertigen frühen 200-Vergaser ohne Kat in ausgekreidetem "Taigabeige" oder altmodischem "Silberdistel-Metallic" von der Resterampe für 2990 D-Mark holten.

Ich musste mir ab dieser Zeit auch tatsächlich sehr viel wegen dem 230E anhören, gerade meine Mitschüler der Realschule - die aber auch sehr materialistisch denkende verwöhnte Kiddies aus Familien aus einer noblen Siedlung waren, in der sich die Eltern gegenseitig mit dem Kauf von Passat VR6 oder danach TDI Pumpedüse, Sharan, Touran bester Ausstattung und Ähnlichem ausstechen wollten - hatten immer was zu meckern, belustigten sich über dieses Fahrzeug und auch die Eltern meiner Mitschüler munkelten in der 9. oder 10. Klasse zeitweilig, wir würden den alten beige-braunen Mercedes fahren, weil es am Geld klemmt. Der Vater eines Freundes fuhr zeitgleich einen 1988er BMW 316i (E30) in diesem typischen Delphingrau-Metallic, über den auch alle gespottet haben - Seifenkiste nannte man den 316er, heute dürften die Hasser von damals den E30 supercool finden.

Zur selben Zeit galt der W123 als cool, als Inbegriff des Klassikers, als letzter solider Mercedes und alles nach ihm als billiger Schrott, dem man sogar anlastete Plastik-Radkappen zu haben statt Stahlradkappen in Wagenfarbe mit silbernem Chromrand. Entsprechend teuer waren die Autos auch - es gab Zeiten, wo für unter 5000 Euro eigentlich nur Schrott zu finden war und das Angebot für über 5000 Euro war auch nicht immer besser. Der 124er galt als Möchtgern-Mercedes für die Loser-Fraktion, die sich nicht mehr leisten konnte und vor der Dönerbude Graf Koks von der Spuckburg spielen wollte.

Übrigens hatten wir bis 1999 als Familienrutsche, mit der jeder fuhr, auch noch einen 1984er Mercedes 230E Automatik W123 in "Liasgrau" - den hat mein Opa im Sommer 1993 billig gekauft, damit immer ein Ersatzauto da war. Als wir den gekauft haben, es war 1993 ein schönes Auto aus erster Hand mit lückenlosem Scheckheft und kaum 150.000 Kilometern, kostete der 10000 D-Mark. Damals waren die verschiedenen 190er, die ersten W202 C-Klassen und der grad überarbeitete 124er grad schwer in Mode und wer cool sein wollte fuhr einen W116 aus den Siebzigern (diese chrombeladenen Panzer von S-Klasse) - und der 123er galt als Auto für Luschis, die nicht mehr Kohle hatten/sich nix Besseres als "dieses alte Modell" leisten konnten. Erinnere mich gut.

Der 123er flog 1999 raus, weil er stark rostete und keinen G-Kat hatte. Es blieb unser 124er, der auf einmal auch immer mehr in Richtung Gammlerauto tendierte vom Ansehen her (siehe weiter oben, das hab ich ja schon ausführlichst beschrieben). Aber je älter er wurde, umso "kultiger" wurde er und mein erstes eigenes Auto ab Ende 2008, ein 1989er Audi 100 C3, der einige Wochen jünger war als unser 230E, gefiel einigen grade weil er so erkennbar alt, kantig und klassisch ("old-schoolig" sagten manche, nun denn^^) dahergekommen ist -----> und unser 124er galt bei manchen dann auch als cool. Bin mir sicher: Gäbe es unseren 230E - mit typischen 80er-Alufelgen der Marke "Stinnes", Gelhard Cassetten- Radio und Heckblende, die Ende der 80er der letzte Schrei war - noch heute, würden die einst so amüsierten Mitschüler von damals mich wegen des "kultigen Youngtimers" loben. Einige haben's zumindest vor 2-3 Jahren mit meinem dem 124er sehr ähnlichen W202 in typischem 90er-Jahre- Grün getan und das klang nicht nach Ironie.

Will sagen: Der 123er ist nicht mehr "modern", ist nicht mehr begehrt außerhalb seiner Fans und viele, die immer einen wollten, haben sich nach der starken Preissenkung mit guten Modellen eingedeckt, die dann ja für faires Geld zu haben waren - es gibt ja immer noch sehr viele wirklich passable 200 und 230E, wenn man sich speziell nach diesen beiden Modellen umsieht. Der 124er aber ist aktuell eine Art "Mode-Youngtimer", der trotz zahlloser Schwächen wie ungemein aggressivem Rostfraß, spinnenden K-Jetronics, hakeligen Schaltgetrieben, rau laufenden Motoren, hölzernem Fahrkomfort und bis 1993 schlechten Sitzen vollkommen verklärt wird. Wir hatten den ja 23 Jahre lang und haben auch seine Schwachstellen kennen gelernt, obwohl wir immer zufrieden waren und das Auto bis auf Rostschäden und eine defekte Einspritzanlage noch im ersten Jahr (ging auf Garantie) sowie die typischen Mercedeskrankheiten (Differenzial, Ölverlust, Hardyscheibe - aber das ist weder schlimm noch teuer in der Behebung) gut lief.

Die Wagenheberaufnahmen sind ein Dauerthema, auch unterhalb den Saccobrettern gammelt es meist übel, ebenso sind Radläufe, Schweller, Kotflügel und Heckbleche befallen. Wenn der 124er irgendwo ein bis zwei Stellen hat, rostet er meistens ziemlich überall und ist nach einem Winter überall braun, und dann wird es erst mal richtig witzig. Auch Roststellen über dem Saccobrett zeigt, dass die Tür fällig ist. 

Der 124er ist aus heutiger Sicht nicht mehr empfehlenswert: Nicht weil er schlecht ist, sondern weil er zu viele Schwachstellen hat und es einfach Autos gibt, die für den alltäglichen Einsatz besser geeignet sind. Muss es ein alter Benz sein, sollte man den W202 wählen. Der hat das grundsätzliche Konzept verbessert, ohne alles neu machen zu wollen und sieht fast genauso aus, ist aber selbst vom Rost her besser.

Der 124er ist nämlich alles in allem bei weitem nicht so perfekt, wie er dargestellt wird, ich denke auch, dass viele selbsternannte "Kenner" hier meinen Leute abzocken zu können oder cool wirken, wenn sie diesen Klotz fahren. Noch um 2000 rum war das im Alltag ein Super-Auto, aber schon im Vergleich mit der kleineren C-Klasse W202, die ich mittlerweile fahre, wirkt der W124 selbst als E-Klasse mit den selben Motoren und Sitzen einfach nur wie ... ja, wie das alte Modell halt. Durstiger, lauter, kaum geräumiger als der 202, schlechterer Abrollkomfort - und auch die Verarbeitung hat Schwächen. Mein alter Audi 100 von 1989 war deutlich hochwertiger gemacht als der 124er, was sich u.a. in Kleinigkeiten wie satt einrastenden Schaltern und Hebeln, dem Handschuhfachkasten-Deckeln, den Türschlössern, dem Kombi-Instrument und auch den Spaltmaßen sowie der Rostvorsorge und ergonomisch viel besserer Gestaltung des Innenraums gezeigt hat. Sogar mein Opa, der eher ein Audi-Gegner war, lobte die solide Machart meines Hunderters und war angetan, weil da selbst auf schlechten Straßen nix vibrierte oder klapperte.

Aber andererseits habe ich seit ca. einem Jahr gemerkt, dass auch der 124er inzwischen wieder sinkt, weil die echten Fans versorgt sind und die Nachfrage geringer wird bzw. Schrott das Angebot überwiegt und irgendwie allgemein die Nachfrage nach Youngtimern und Klassikern etwa stagniert. Die meisten Fans sind versorgt, viel neue kommen nicht dazu, Sahnestücke bleiben sowieso im Liebhaberkreis. Ich habe meinen exzellent erhaltenen 70.000 Kilometer gelaufenen 3,2-Liter-Opel Omega zum Beispiel auch innerhalb des Opel-Clubs an einen Liebhaber verkauft, der mir einen marktgerechten Preis - nicht billig, aber fair - geboten hat.

Hoffe ich konnte dir helfen ... frohe Weihnachten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

bei solchen alten Autos spiel wohl der Erhaltungszustand die grössere Rolle.

Die durchschnittliche Lebensdauer beträgt bis zur Verschrottung ca. 15 Jahre. 15 Jahre alte Karren werden dann oft angeboten in der Hoffnung noch ein paar 100 Euro zu bekommen.

der W 124 wurde 1984-95 produziert - was jetzt noch existiert muss also pflegliche behandelt worden sein, es muss Geld in Restauration gesteckt worden sein. dazu kommt, dass die Fahrzeuge gerade in die "H-Zone" kommen, also steuerbegünstigt und auch ohne allzustrenge Abgasvorschriften gefahren werden dürfen. Das sollte erklären, warum die Preise steigen.

der W 123 1975-86 müsste gut erhalten noch teurer sein, aber das sind echte Oldtimer und logisch dass die Preise konstant sind, bzw. noch mehr davonb abhängen wieviel investiert wurde.

Ich bin beide lange Zeit gefahren. Der 124ger war wohl der technisch beste Mercedes, hat nach 15 Jahren keine Rost gehabt, keine grösseren Reparaturen, und dabei nicht so lahm wie die 60 PS Diesel der Vorgänger und auch schon ABS. Der 123ger war auch unverwüstlich, damals war Mercedes wirklich eine Stufe besser als die Konkurrenz. Aber meiner hatte nach weniger als 10 Jahren Durchrostungen und Wassereinbruch.

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1980 Überführungsfahrt

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ca 1993

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