Unter welchen Umständen dürfen Ärzte sich über eine Behandlungsverweigerung des Patienten hinwegsetzen?

3 Antworten

Grundsätzlich ist der Wille eines Patienten zu beachten. Das hast du schon sehr gut erkannt und eigentlich gibt es daran auch weniger zu rütteln. Typische Ausnahmen davon sind:

  1. der Patient ist nicht in der Lage, seine Situation und die Tragweite der Verweigerung einer Behandlung zu erfassen. Dies kann der Fall sein, wenn der Patient unter Drogen oder Alkohol ist, wenn eine Unterzuckerung besteht, er nach einem Schädel-Hirn-Trauma nicht voll orientiert ist oder ähnliches. Auch Menschen mit geistigen Einschränkungen können unter Umständen nicht wirksam eine Behandlung ablehnen.
  2. haben Ärzte eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Patienten. Dies trifft besonders bei Kindern zu und da du ja die Zeugen Jehovas ins Spiel brachtest, ist dies ein gutes Beispiel. Ein Kind aus einer Familie von Zeugen Jehovas würde im Notfall selbstverständlich Blut bekommen, auch wenn die Eltern als Erziehungsberechtigte das nicht möchten. In diesem Fall würde sich der Arzt über die Entscheidung der Eltern hinwegsetzen können und müssen, weil er dem Kind gegenüber eine Fürsorgepflicht hat, das Kind wiederum kann die Tragweite, die die Mitgliedschaft in dieser religiösen Gemeinschaft mit sich bringt, nicht erfassen. Sollte es das doch können, weil es beispielsweise älter als 14 Jahre und nach Einschätzung der behandelnden Ärzte in einem ausreichenden geistigen Reifezustand ist, würde wieder der Wille des Patienten (jetzt das Kind) greifen.
  3. einem erwachsenen Zeugen Jehovas dürfte man übrigens tatsächlich kein Blut geben, selbst wenn er daraufhin sterben wird. Allerdings durchsuche ich in der Notaufnahme meistens nicht die Papiere des Patienten, um die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft herauszufinden... es kann also mal versehentlich passieren (und dasnist drittens), dass einem Patientenwillen versehentlich zuwider gehandelt wird, weil man ihn einfach nicht kennt. In diesem Fall ist dies natürlich nicht vorsätzlich geschehen und solange es in Einvernehmen medizinischen Standard passiert, ist das dann leider Pech für den Patienten, für den Arzt aber okay. Ich wollte nur der Vollständigkeit halber aufführen, dass dies ein.Grund sein kann, den Willen eines Patienten zu missachten.

Bei jeder Behandlung gilt, dass sie nur einvernehmlich geschehen darf Punkt der Arzt darf also niemals eine Behandlung durchführen, nur weil ihm sein Gewissen das diktiert das ist seine persönliche Meinung, sein ethischer und moralischer Standard. Das muss aber nichts heißen, dass der Patient zufällig den gleichen Standard hat und der Patient hat ein Anrecht darauf, dass sein eigener moralischer Kompass bei einer Behandlung der maßgebende ist. Andersherum wird allerdings ein Schuh draus: ein Arzt ist nicht in jedem Fall dazu verpflichtet eine Behandlung vorzunehmen, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Das ist besonders im Bereich der Schwangerschaftsabbrüche der Fall, denn die muss kein Arzt vornehmen, der da Probleme mit dem Gewissen sieht. Ansonsten sind die Entscheidung von Ärzten, insbesondere am Lebensende des Patienten, natürlich durch ethische Betrachtungen geprägt. Ein Patient der sehr stark leidet und an einer Krankheit dahinsiegt, die ihn ohnehin demnächst unter Schmerzen in den Tod führt, wird vermutlich aus ethischen Gründen keine Wiederbelebungsmaßnahmen oder zusätzliche Lebensverlängerung bei diesen Patienten vornehmen. Stattdessen wird er versuchen, sein Leiden so gut ist irgendwie zu lindern, auch wenn (z.B durch Verwendung starker Schmerzmittel) dadurch das Leben des Patienten verkürzt wird. Diesen Ansatz nennt man Palliation und auch so eine Behandlung steht nicht immer im Einklang mit dem, was ein Patient oder insbesondere dessen Angehörige wünschen. Hier muss man allerdings Vorsicht walten lassen- sollte ein Patient der sich in einem so kritischen und eigentlich palliativen Zustand befindet, eine maximale Therapie wünschen, so ist im dies grundsätzlich zu gewähren- denn er ist schließlich derjenige, des moralischer Kompass gilt. Allerdings ist der Arzt nicht verpflichtet, medizinische Maßnahmen durchzuführen, die schlicht und ergreifend sinnlos sind. Es ist hier nicht immer ganz leicht zu unterscheiden

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Anästhesist und Notfallmediziner

Wenn man keine Patientenverfügung hat gilt der Patienten Wille oder der möglichst nahe stehender Personen.

Können der oder die sich nicht (rechtzeitig) äußern, gilt medizinische Notwendigkeit.

Ich vermute mal, dass man solche Entscheidungen nur für sich selber treffen kann oder darf. Sicherheitshalber, sollte es schriftlich vorliegen.

Wenn es um ein Kind geht oder um ein Mündel, werden andere Regeln gelten. Ggf. wird das Jugendamt dazwischen geschaltet oder ein Gericht entscheidet.

Geisteskrankheiten, geringer IQ oder schwere Depressionen könnten auch ein Sonderfall sein. Ählich wie beim Selbstmordwillen.