Taekwondo - Weltmeister auch ohne Großmeister-Titel möglich?

5 Antworten

Jetzt bin ich zwar mehr im traditionellen Karate zu Hause, doch habe ich das nicht ganz unbegründete Gefühl, du bringst da ein paar grundsätzliche Dinge durcheinander.

Egal, um welches asiatische Kampfkunst-(oder auch Sport-) System es sind handelt: Gehst du den traditionellen Weg, dann geht es nicht einfach nur um den wettkampforientierten Zweikampf Mann gegen Mann, auch wenn das selbstverständlich ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Wenn man schließlich nicht kämpft oder den sportlichen Zweikampf scheut, wird aus Kampfsport ein Tanz mit schnellen und geschmeidigen Bewegungen. Doch macht der Zweikampf immer nur ein Drittel aus, dazu kommt die Grundschule und die Form.

Gerade die Formen dürfen in ihrer Bedeutung keinesfalls unterschätzt werden, denn sie stellen das "Wörterbuch" des Kampfsportsystems dar. Vernachlässigt ein Lehrer die Formen ("Kata" im Karate, "Poomse" im Taekwon Do), werden die Schüler schnell einseitig. Heißt: Wird vorwiegend gekämpft, dann reduziert sich das Repertoire der Kämpfer schnell auf Vorwärtsfußtritt plus Fauststoß. Und wird dann noch die Grundschule schleifen gelassen, wird langfristig technisch unsauber gekämpft. Das liegt alles nicht im Sinne des Erfinders.

So hängt eben alles mit allem zusammen. In einem guten Unterricht darf nichts einfach ausgeklammert und vernachlässigt werden. Und alle diese Kenntnisse und Erfahrungen eines Lehrers spiegeln sich in dessen Graduierung wieder. Es entspricht dabei selbstverständlich der Natur des Menschen, dass jeder seine Stärken, Schwächen und auch Schwerpunkte hat. Unter einem großen Dachverband wird es keine Lehrer geben, die keine Kampferfahrung haben, denn halbfreie und freie Kämpfe sind Prüfungsbestandteil. Doch bedeutet ein vierter oder sechster Dan nicht, dass der Inhaber dadurch automatisch eine Qualifikation zur Weltmeisterschaft mitbringt. Viele höheren Dan-Grade werden aufgrund des Lebenswerkes und der jahrzehntelangen Lehrtätigkeit vergeben (z.B. Fritz Nöpel, heute 82 Jahre alt, 10. Dan). Diese Graduierungen setzen allein ein hohes Alter voraus - was am Ende den wettkampforienten Sport wiederum ausschließt.

Franz577 
Fragesteller
 22.11.2018, 10:50
Viele höheren Dan-Grade werden aufgrund des Lebenswerkes und der jahrzehntelangen Lehrtätigkeit vergeben

Viele? Verliehen wird doch eigentlich nur der höchste bzw. der 10.Dan.

Für alle anderen Dan-Grade muss doch zwingend auch eine praktische Prüfung abgelegt werden, die immer schwieriger wird, weshalb ein permanentes, aktives Training dafür unerlässlich ist. Oder ist das etwa nicht so?

Und das geht letztlich auch nur, wenn man noch nicht zu alt für ein aktives Training ist.

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Petekramer  23.11.2018, 09:32
@Franz577

Du kannst davon ausgehen, dass ca. ab dem 6. Dan (je nach Schule, Verband und Stilrichtung) die Art und Weise der Prüfung nicht mehr in der Form stattfindet wie bei den ersten Dan-Graden. Es wird immer theoretischer und unterrichtsbezogener, (Lehrgespräche = Mondo), denn diese Grade bedeuten beinahe ausschließlich, dass dann eine Lehrtätigkeit vorliegt. Der praktische Teil nimmt immer weniger Raum ein, allerdings dort, wo er abgerufen wird, muss er technisch einwandfrei und selbstverständlich fehlerfrei gezeigt werden. Weiterhin sollten diese Dan-Grade jede einzelne Kata / Form in Theorie und Anwendung (Bunkai) beherrschen. Kein Wunder also, dass in Japan Karate als Studienfach belegt werden kann.

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Das ist im Endeffekt nur der theoretisch erlangte Wissensstand. Der bringt aber nichts, wenn man kaum Wettkampferfahrung hat. Du kannst über das Kämpfen noch so viel lesen und lernen - wenn du nie kämpfst, dann hast du keine praktischen Erfahrungen und somit wirst du wahrscheinlich verlieren.

So ist das fast überall im Leben. Leider legen Menschen zu wenig wert auf praktische Erfahrungen, denn die bekommt man selten in einer Urkunde. Theorie hingegen kann man immer von irgendwem schriftlich bescheinigt bekommen.

Franz577 
Fragesteller
 22.11.2018, 08:37

Ok, aber bei den Dan-Prüfungen geht es doch nicht nur um Theorie, sondern es müssen doch auch immer schwierigere praktische Prüfungen absolviert werden.

Würdest du also sagen, dass ein 4.Dan Weltmeister trotzdem einem 9.Dan technisch überlegen sein könnte?

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verreisterNutzer  22.11.2018, 08:41
@Franz577

Sind nicht auch diese "praktischen" Prüfungen eher eine Vorführung um die Technik zu begutachten? Hat auch nichts mit echter Kampferfahrung zu tun.

Und ja, wie du siehst kann ja jemand mit niedrigerem Rang Weltmeister werden. Also wird er wohl den anderen überlegen sein?

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Mit Taekwondo kenne ich mich persönlich aus, kann aber aus anderen asiatischen Kampfsportarten berichten.

Zum einen ist es so, dass zwischen den Prüfungen Wartezeiten eingehalten werden. Jemand kann die Bedingungen für den 5. Dan schon erfüllen, aber durch Wartezeiten noch im 3. Dan "festhängen". Disziplin gehört eben auch dazu, auch wenn es heißt auf mögliche Prüfungen zu warten.

Je nach Sportart verliert man teils im Alter einfach irgendwann an z.B. Geschwindigkeit und Kraft. Nicht viel, aber diese Nuancen können Kampfentscheidend sein.

Die Frage ist auch immer, was man privat möchte. Weltmeister wird man oft nicht einfach so, da gehören viele Einschränkungen des Privatlebens wie Sondertrainings, viele Tourniere vorher usw. dazu. Nicht jeder mag das.

Ich denke es ist einfach überhaupt nicht vergleichbar und beides eine sehr beeindruckende Leistung.

Weltmeister sein heißt ja nicht, dass man der beste ist, sondern von allen an dem Tag zugelassenen am besten gekämpft hat. Es kann bessere geben, die aber evtl. einfach keine Turniere machen oder die den anderen 9 von 10 mal geschlagen haben, dieses eine andere Mal war nun leider am Tag der Weltmeisterschaft. Es ist eine immense Leistung, schließt aber nie aus, dass es doch noch irgendwo bessere gibt.

Zudem haben Wettkampf-Gefühle und Fähigkeiten hohe Dan-Grade zu erreichen ganz unterschiedliche Ausprägungen. Man kann im Wettkampf super sein, aber einfach von der Mentalität her nicht zu höheren Danprüfungen passen.

So gibt es in einigen Sportarten bei Dan-Prüfungen auch einen schriftlichen Teil, in dem man durchfallen kann. Vielleicht in Taekwondo ja auch...

Franz577 
Fragesteller
 22.11.2018, 15:29
Je nach Sportart verliert man teils im Alter einfach irgendwann an z.B. Geschwindigkeit und Kraft.

Wobei es speziell beim TKD nicht in erster Linie auf Kraft, sondern auf Geschwindigkeit, Kondition, Beweglichkeit und eine gute Reaktion ankommt.

Aber gut erklärt, danke...

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Die Graduierung und Wettkampferfolge sind zwei paar Schuhe.

Ab einem gewissen DAN ist die Verleihung einer höheren Stufe eine Ehrenauszeichnung für besondere Verdienste in der Lehre oder der Organisation des Sportes. Man könnte es auch als Alterserscheinung sehen.

Bei einem Wettkampf gewinnen aber nicht unbedingt die Erfahreneren, sondern die Jüngeren, denn da spielt nicht nur die Technik, sondern vor allem auch die Schnelligkeit eine Rolle und die nimmt naturgemäß im Alter ab. Daher hat zwar ein Jüngerer mit niedrigerem DAN sich weniger Verdientse um TKD erworben, aber ist in einem Kampf einem Älteren mit höherem DAN überlegen.

Das ist in anderen Sportarten aber auch nicht anders. So würde in einem Fußballspiel ein guter aktiver Zweitligaspieler sicherlich eine bessere Figur abgeben als z.B. Lothar Matthäus, obwohl dieser den Titel Weltmeister und Weltfußballer trägt, einfach nur weil er schneller ist als der gealterte Matthäus.

Franz577 
Fragesteller
 22.11.2018, 10:33
Ab einem gewissen DAN ist die Verleihung einer höheren Stufe eine Ehrenauszeichnung für besondere Verdienste in der Lehre oder der Organisation des Sportes. Man könnte es auch als Alterserscheinung sehen.

Also meines Wissens nach wird im TKD nur der 10.Dan verliehen. Bei allen anderen muss man schon eine Prüfung absolvieren und sein Können unter Beweis stellen. Aber daß Jüngere noch eine schnellere Reaktion als Ältere haben, liegt in der Natur der Sache.

So würde in einem Fußballspiel ein guter aktiver Zweitligaspieler sicherlich eine bessere Figur abgeben als z.B. Lothar Matthäus, obwohl dieser den Titel Weltmeister und Weltfußballer trägt, einfach nur weil er schneller ist als der gealterte Matthäus.

Das mag sein, aber TKD kann man nicht unbedingt mit Fußball vergleichen.

Matthäus ist ja kein aktiver Spieler mehr und trainiert daher auch nicht mehr.

Daher kann er natürlich, abgesehen vom Alter, nicht mehr mit einem jüngeren aktiven Liga-Spieler mithalten.

Wer sich beim TKD aber bis zum 9.Dan hochkämpfen will, muss dafür zwingend aktiv sein und ständig trainieren, sonst wird er kaum eine Chance haben, die jeweiligen Prüfungen erfolgreich abzulegen.

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TWD kenne ich nicht. Sehr wahrscheinlich sind die Gepflogenheiten in Korea aber dieselben, wie in Japan.

Im Judo ist es so, dass gute Wettekampf-Judokas ungefähr im 2. oder 3. Dan-Grad eingestuft sind und dann vermehrt oder ausschliesslich Wettkämpfe absolvieren, manchmal bis Olympia. Wettkämpfe haben nahezu nichts mit höheren Gradierungen zu tun, denn die Techniken, die an Wettkämpfen eingesetzt werden, sind zum absolut überwiegenden Anteil Stufe "Basis", kurz, knapp, knackig und sie müssen funktionieren. Auf komplexe Bewegungsfolgen kann man gar nicht aufbauen, da der Wettkampf genau das mit sich bringt: viel, viel verkürzte Zeiten zwischen dem eigenen Angriff und der Abwehr des Konters.

In den meisten japanischen Kampfsportarten und -künsten wird bis zum 4. Dan-Grad geprüft. D.h. bis zum 4. Grad existieren in den Verbänden Aufbau- und Prüfungsprogramme. (Ausnahmen sind natürlich möglich und meist verbandsinternen Besonderheiten geschuldet).

5. Dan-Grad und höher wird als Achtungstitel verliehen. 6. Grad ist aus traditionell-japanischer Sicht ungefähr das, was an der Uni eine Professur ist - ein Lehrauftrag, sein Wissen an angehende Lehrer der Disziplin weiter zu geben. Wir jemand mit einem Lehrauftrag für ein ganzes Land oder eine bestimmte Region betraut, wird ihm der Titel "Shihan" verliehen. Was der Titel "Grossmeister" bedeutet, weiss ich nicht. Könnte aber mit "Shihan", also einem Lehrauftrag für ein geografisches Gebiet zusammenhängen.

In allen traditionell aufgebauten (japanischen) Kampfkunst-Verbänden ist die interne Struktur streng hierarchisch. Der 9. Grad hat nichts mit "kann besser kämpfen" oder so zu tun. Das hat es übrigens in den Dan-Gradierungen eigentlich nie. Der 9. Grad bedeutet, dass jemand innerhalb der Verbandsstruktur in der technischen Leitung des Verbandes/des Sports/der Disziplin tätig ist und in dieser technischen Organisationseinheit eine leitende Funktion ausübt.

Man kann sich eine Verbandsstruktur eines Weltverbandes ungefähr wie die Tafelrunde zu Camelot vorstellen. Oben am Tisch sitzt der Verbandsleiter, der Gründer des Weltverbandes oder einer seiner Nachfolger. Dann oben am Tisch in absteigender Form die 10.- und 9.-Dan-Grade (wenn 10. Grade nicht nur posthum verliehen werden). Sie üben, wie gesagt technische Leitungsfunktionen aus, wie Technischer Direktor, Vertreter des Verbandes im Olympischen Komitee u.a.
Dann geht es abwärts: 8. Grad ist oft mit einer Ausbildungsfunktion verbunden für ein umfassenderes geographisches Gebiet. und/oder als Auszeichnung für seine geleisteten Ausbildungsresultate an bereits promovierte hohe Dan-Träger in der Stufe 6. Dan-Grad und darunter. Aber natürlich existieren in einem Weltverband auch administrative Aufgaben, die dann von nicht Praktizierenden ausgeführt werden, wie technischer oder administrativer Sekretär, Protokollanten etc.etc.pp.

Aber wie gesagt, ob das auf das aus Korea stammende TWD zutrifft, bitte mit Vorbehalt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung