Sollte das Tagebuch der Anne Frank von allen Schülern in Deutschland gelesen werden?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Zumindest einen Punkt beleuchte ich mal von zwei Seiten, und das ist, dass es sich um das Tagebuch einer Jugendlichen handelt, das neben der Angst vor der Entdeckung und der besonderen Situation auch viele Alltagsprobleme behandelt.

Auf der Pro-Seite haben wir hier, dass es anderen Jugendlichen dadurch viel leichter fällt, sich in Anne hereinzuversetzen. Es gibt in ihrem Tagebuch Gedanken und Gefühle, in denen sich auch heute lebende junge Menschen teils wiederfinden können. Somit bekommen sie viel leichter einen Bezug zu Annes Geschichte als es bei einer Erwachsenenbiografie oder einem geschichtlichen Sachbuch der Fall wäre. Das Buch kann somit helfen, die damalige Situation zu verstehen und durch Annes Augen mitzuerleben.

Auf der Contra-Seite haben wir hier, dass gerade dadurch, dass das Tagebuch ja die Zeit im Versteck umfasst, die Schrecken des Krieges oft nur am Rande eine Rolle spielen. Es dreht sich viel um das Zusammenleben im Verborgenen. So stimmt es sicher traurig und erschreckt, wenn man von Annes Ende erfährt. Aber vom Alltag im Krieg erfährt man aus anderen Büchern mehr. Nun kann man ja schon aus Zeitgründen meist nicht mehrere Bücher zu einem Thema als Pflichtliteratur lesen. Daher muss man abwägen, welches am besten geeignet ist, um zu zeigen, was damals im 3. Reich passiert ist. Davon zeigt Annes Tagebuch nur einen kleinen Ausschnitt, weshalb es nicht zwingend die beste Pflichtlektüre sein muss.

Wenn du in Ruhe nachdenkst, fällt dir sicher noch mehr ein.

Woher ich das weiß:Hobby – Leidenschaftliche Leserin

Das Buch ist zweifellos interessant und gewährt einen Blick in die Sorgen, Nöte und Ängste einer Jugendlichen in einer furchtbaren, letztlich aussichtslosen Lage, die sie sich mit einer größeren Menschengruppe auf kleinem Raume teilen musste. Das Buch ist gewiss eine eindrucksvolle, sehr emotionale und vor dem Hintergrund ihres uns bekannten Schicksals bedrückende Lektüre gerade für Jugendliche, die heute in Annes damaligem Alter sind. Aber es ist ein Einzelschicksal, das die Dimension der damaligen geschichtlichen Vorgänge nur in geringen Ansätzen erfassen kann.

Daher wäre als eine Art Pflichtlektüre ein anderes Buch geeigneter, das den allgemeinen Kenntnisstand zu Hitler und seiner verbrecherischen Diktatur immer noch wiedergibt, wegen seiner objektiven Darstellungsweise ebenso wie wegen seiner verständlichen Sprache sowie seines angemessenen Umfanges interessierte Schüler ansprechen kann, ohne sie zu überfordern:

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

Das Tagebuch der Anne Frank zählt zur Weltliteratur und wird als eines der eindringlichsten Dokumente über die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges beschrieben.

Ich bin der Meinung, dass ist eines der wirklich wenigen Bücher, die in jedem Fall im Geschichtsunterricht gelesen werden sollten bzw. müssen. Es ist Zeugnis unserer Geschichte, aber auch des Wahnsinns, der aus einem Krieg einher geht. Authentischer geht wohl kaum.

Durch das Hineinversetzen der Schüler in eine Person ihres Alters kann den jungen Lesern diese schlimme Zeit wahrscheinlich eher nahegebracht werden als durch nackte Zahlen und Fakten.

Empfehlen kann ich auch die Bücher von Uri Orlev, in denen es hauptsächlich um das Warschauer Ghetto geht. Er verarbeitet dort eigenen Jugenderlebnisse sowie die anderer Ueberlebender des Ghettos.

Z.B:
- Lauf Junge, lauf (spannend und erschütternd zugleich)
- Der Mann von der anderen Seite
- Die Insel in der Vogelstraße   

Nein. Dieses Schicksal soll diesem zu guten Buch erspart bleiben!