NS-Struktur: Gauleiter vs Reichsstatthalter?
Servus zusammen,
ich steh grad etwas auf dem Schlauch und brauche das Wissen für eine Seminararbeit.
In der NS-Struktur musste ja unterschieden werden zwischen staatlicher und parteilicher Exekutive. Soweit ich weiß hatten die staatlichen Ämter (Reichsstatthalter, Ministerpräsident, Bürgermeister etc.) zwar die Macht, wurden aber von der Partei (Gauleiter, Kreisleiter, Zellenleiter etc.) überwacht.
1. Oder liege ich da falsch?
2.. Wie war denn das Verhältnis der Macht zwischen den 12 Reichsstatthaltern und den 32 Gauleitern?
3. Mit der Gleichschaltung der Länder (Verreichlichung) wurden die bisher existierenden Länder in neue Verwaltungsorgane umgewandelt, waren das dann die Gaue?
1 Antwort
Genaugenommen befanden sich staatliche und Parteihierarchie in einem permanenten Konkurrenzkampf, weil es deutlich abgegrenzte Kompetenzbereiche in diesem Sinne nicht gab.
Für das ganze NS-System, auf verschiedenen Ebenen sowohl im zivil staatlichen, als auch im militärischen Bereich ist es mehr oder minder symptomatisch, dass es aus der Partei heraus kommen Parallelbehörden gab, die den staatlichen Behörden die Kompetenzen streitig machten.
Das hatte durchaus Methode. Mag auf den ersten Blick im Rahmen eines totalitären Systems etwas paradox klingen, dass es da keine klaren Hierarchien und abgegrenzten Kompetenzbereiche gab, aber dass hatte für die obersten Nazi-Chargen und im Besonderen Hitler den Vorteil, dass die verschiedenen Stellen andauernd miteinander in Kompetenzgerangel gerierten und dann die Parteioberen einschalten mussten um die Streitigkeiten wieder zu schlichten und zu entwirren, wodurch diesen dann die letztendliche Entscheidungskompetenz mehr oder minder dauerhaft angetragen wurde.
Insofernn gehörte es zu den Eigenheiten der NS-Herrschaftstechnik das gerade nicht klar abzugrenzen.
Leztlich also die konsequente Fortführung von Cäsars "teile und hersche" Philosophie.
Zu 2:
Das lässt sich eben nicht eindeutig beantworten, weil es eine so eindeutige Kompetenzabrgenzung eben nicht gab, womit der persönliche Einfluss von Reichsstatthalte rund Gauleiter, wenn deren Interessen gegeneinander arbeiteten, mitunter davon abhingen, wer den besseren Draht zur obersten Ebene der NSDAP, bzw. zum Machtzirkel um Hitler oder zu Hitler selbst hatte.
Zu 3: Nein. Die Gaue nahmen zwar neben der Parteigliederung der NSDAP später auch die Form staatlicher Verwaltungsbezirke an, aber ohne föderale Reservatrechte und auch mit vollkommen anderem territorialen Zuschnitt, als die traditionellen Länder.
Das Territorium des früheren Freistaats Preußen etwa wurde auf 20 verschiedene "Reichsgaue" verteilt, dasjenige Bayerns auf 6 und so weiter. Kleinere ehemalige Länder, wie etwa Anhalt, Braunschweig oder Lippe verschwanden vollkommen von der politischn Karte und wurden im Rahmen der "Reichsgaue" größeren Territorien angegliedert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsgau#/media/Datei:Reichsgaue.png
Insofern wurde die ehemalige föderale Ordnung der Weimarer Republik und auch vorrangehend des Kaiserreiches insofern in zweifacher Hinsicht völlig über den Haufen geworden, dass nicht nur die Reservatrechte der zum Reichsverband gehördenden Länder aufgehoben, wurden, sondern die Länder selbst wurden auf politischer Ebene zerschlagen oder mit anderen Einheiten zu neuen, "Gau" genannten Verwaltungsbezirken zusammengesetzt und damit verschwanden auch deren althergebrachte Konturen von der politischen Landkarte.
Zahllose Belege zu Deiner Charakterisierung des NS-Regimes gibt die detaillierte (Mitte der 40er geschriebene und erst 30 Jahre später ins Deutsche übersetzte) Analyse von Franz Neumann: Behemoth - Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933 bis 1944.
Was ist mit Frage 2 und 3?