Nachlauf bei einem Fahrrad?

3 Antworten

Salue

Es sind bereits einige gute Stichwörter gefallen. Trotzdem möchte ich versuchen, es einfach zusammen zu fassen:

Wenn Du einen Bürostuhl oder einen Servierboy in eine Richtung schiebst, werden die Räder immer gezogen. D.h. sie sind an einer frei drehbaren Achse angemacht, die dafür sorgt, dass die Räder immer gezogen und nie geschoben werden. 

Wenn Du Dir ein Verlängerung der Achse bis an den Boden denkst, ist der Nachlauf das Mass zwischen dem Aufstandspunkt der gedachten Achsverlängerung und dem Aufstandspunkt des Rades.   

Wenn Du Dir nun Dein Fahrrad ansiehst, denkst Du vielleicht, dass das Vorderrad geschoben wird. Das täuscht aber, es wird tatsächlich wie beim Bürostuhl, gezogen und will deshalb immer geradeaus fahren.

Den Nachlauf siehst Du beim Fahrrad nicht so gut. Da hat es aber auch eine Achse, nämlich die Lenkachse, an der oben der Lenker angemacht ist. Diese Lenkachse ich ja schräg.

Du musst Dir eine Linie vorstellen, die diese Lenkachse bis an den Boden verlängert. Halt mal einen Stab oder eine Holzlatte parallel zur dieser Achse, so dass sie am Boden endet. Du wirst feststellen, dass diese vor dem Punkt, wo der Reifen aufsteht, endet. Wie beim Servierboy wird das Rad also tatsächlich gezogen und will immer geradeaus, zumindest wenn Du fährst.

Das ist bei allen Motorfahrzeugen so. Beim Rückwärtsfahren will daher das Lenkrad immer auf eine Seite einschlagen, das es jetzt keinen Nachlauf mehr hat, sondern "Vorlauf".

Der Nachlauf kann auch nur ein paar Millimeter sein, das reicht schon aus, damit die Lenkung immer geradeaus will. 

Mit einer Zeichnung könnte ich Dir besser aufzeigen, Du brauchst halt ein wenig Vorstellungsvermögen.

Es grüsst Dich

Tellensohn

Beim Lenken wendest Du Energie auf, um die energetisch günstigste Lage des Vorderrades zu verändern - durch das Lenken hebst Du es quasi an.
Beim Loslassen der Lenkung nimmt das Rad wieder den günstigeren und sich selbst in den Geradeauslauf stabilisierenden Zustand an. Deswegen muss man den Lenker beim Geradeausfahren theoretisch auch nicht festhalten, weil das Rad auch aufgrund des Nachlaufes sozusagen gezogen wird.

Wikipedia liefert auch keine Hilfe.

Das glaube ich Dir nicht.

Quester2016 
Fragesteller
 12.01.2017, 14:15

"Durch den Nachlauf [2] entsteht bei einem Lenkausschlag ein Drehmoment, das diesem als Rückstellmoment entgegengerichtet ist" ---> das sagt Wikipedia dazu, damit kann ich fast gar nichts anfangen. Aber danke trotzdem! Ich verstehe aber nicht, wieso sich das Rad "anhebt", ich bekomme dazu zumindest nichts mit beim Fahren. Könntest du das evtl. etwas genauer erklären?

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godlikegenius  12.01.2017, 14:26
@Quester2016

Nimm Dir ein Fahrrad, setze Dich nicht drauf und lenke - man sieht es sogar. 
Bei einem stillstehenden Auto sieht man es noch deutlicher. Nur, dass man es bei einem Fahrrad eher versteht.

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PWolff  12.01.2017, 14:21

Kommt drauf an, wie man fragt:

Kein Treffer: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spezial:Suche&profile=default&fulltext=Search&search=nachlauf+r%C3%BCckstellen&searchToken=bjjhk5iq0zd10btdyedigtwyx

Mehrere Treffer (der erste führt zum Ziel): https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spezial:Suche&profile=default&fulltext=Search&search=nachlauf+r%C3%BCckstellung&searchToken=abd97u1oc61af1ef70uhe7zxl

Was hier fehlt, ist eine Skizze, die deutlich macht, dass die Lenkachse (Verlängerung der Lenkwelle (im Rahmen)) trotz der Kröpfung der Gabel die Straße noch vor dem Rad trifft.

(Die Kröpfung dient dazu, diese Rückstellung nicht dadurch zu überlagern, dass das Fahrrad sich bei Einschlagen des Vorderrades senken würde, wegen der Schrägstellung der Lenkachse)

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godlikegenius  12.01.2017, 14:28
@PWolff

So ist das. Aber der Fragesteller versteht ja leider noch nicht einmal den Wiki-Satz.

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Quester2016 
Fragesteller
 12.01.2017, 14:36

Klar versteh ich ihn, aber ich kann trotzdem damit nichts anfangen. Ich habe schon bevor du geantwortet hast gewusst, dass man bei einer Lenkung eine gewisse Kraft ausübt, und das Rad sich dann (sobald man eben nicht mehr Kraft ausübt) sich wieder in die Geradeausstellung ausrichtet. Trotzdem verstehe ich nicht, was da genau beim Nachlauf passiert, das eben dazu führt...

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godlikegenius  12.01.2017, 14:44
@Quester2016

Weshalb ist denn eher schwierig, dass ein Rugby-Ei ohne Einwirkung weiterer Kräfte auf einer seiner Spitzen stehen bleibt, sondern sich stattdessen immer wieder bequem 'auf die Seite' legt? In diesem stabilen Zustand rollt es sogar geradeaus.

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Quester2016 
Fragesteller
 12.01.2017, 14:48

Naja das alles verstehe ich, trotzdem bin ich nicht zufrieden damit. Du könntest mir auch sagen, wieso fällt ein stein nicht zu boden wenn man ihn in der hand festhällt.. das ist auch das selbe Prinzip... Doch da weiss ich, es ist die Gravitation die ihn nach unten zieht, doch die Gegenkraft meines Armes bzw. meiner Hand hällt ihn eben hoch. Was beim Nachlauf geschieht ist mir jedoch nicht ganz klar...

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godlikegenius  12.01.2017, 15:08
@Quester2016

OK. Kein Problem, ich versuche es jetzt ganz einfach, kann aber sein, dass dann Fehler dabei sind. Es ist auch schwierig ohne Anschauungsstück (Live-Physik).

Das gelenkte Rad wird gezogen, das ist so weit klar, oder? Deswegen ist die Achse geneigt. Würde die Achse im 90°-Winkel zum Boden stehen, so würde sich das geführte Rad wild im Kreis drehen oder flattern, aber keineswegs relaxed geradeaus 'rollen'. genau genommen rollt es ja auch gar nicht, denn es wird - wie bereits erwähnt - gezogen.
Drehst (lenkst) Du diese geneigte Achse, so wendest Du Energie auf. Das merkst Du am besten bei einem Auto ohne Servolenkung - denn Du drehst nicht nur den Gummi auf dem Asphalt, sondern hebst den gesamten Vorderwagen an. Stell Dir vor, die Achse wäre noch schiefer. Du müsstest noch mehr Kraft aufwenden. Wäre die Achse im rechten Winkel, so ginge es am einfachsten, ist aber für die Fahrphysik blöd. 
Die beim Drehen der Lenkung erzeugte Kraft erzeugt eine Gegenkraft (erstes Jahr Physik). In diesem Fall das Rückstellmoment. Die gelenkte Achse hat den Drang sich wieder in Neutralstellung zu drehen. Zum einen durch das Eigengewicht des Fahrzeuges (ist angehoben / vgl. Beispiel Rugby-Ei) und durch das Rückstellmoment. Dieses Verhalten wird übrigens vom Reifenprofil unterstützt, weshalb man neue Autoreifen immer irgendwie als 'besser' empfindet. 

Oder so ähnlich.

Praktisch: gehe in die Küche. Nimm einen Teller. Halte ihn von oben fest und drehe ihn dabei. Er dreht sich einfach nur auf der Stelle. Nimm denselben Teller und halte ihn mit im 45°-Winkel abstehenden Armen fest. Setze ihn auf den Tisch auf und drehe ihn mit der geneigten Achse. Du wirst sehen, dass der Teller auf einmal schief steht. Würdest Du ihn noch weiter drehen (lenken) so würde es umkippen. Diese Schrägstellung bewirkt, dass Rad den Drang hat, sich wieder in seine günstigere Lage zu bewegen. Das tut es auch, sobald es sich wieder dreht. Deswegen ist es eigentlich nur schwierig an einem stehenden Auto die Lenkung zu drehen. Bewegt es sich, wird immer wieder die Neutralstellung der Räder angestrebt. U.a. wegen des Nachlaufes.

Liebe Physiker: bitte nicht erschlagen. Aber so ähnlich ist es! :)

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Quester2016 
Fragesteller
 12.01.2017, 15:43

Okay, so langsam versteh ich das :D Danke !

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Schau die die Räder eines Teewagens an, oder eines Bürostuhls, und drehe ein Rad noch vorne. Dann siehst und verstehst du, warum es sich beim Rollen nach hinten dreht.