Mechanismus epigenetischer Veränderung?

2 Antworten

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Die Epigenetik beschreibt die Mechanismen, mit denen Gene reguliert werden, ohne dass dafür die Gene selbst verändert werden.

Stell dir z. B. ein Gen vor, dessen Genprodukt etwa bei Kältestress eine Rolle spielt, das also etwa einer Pflanze dabei hilft, mit Kälte besser klar zu kommen. Unter normalen Bedingungen, wenn es warm ist, binden Methylgruppen an das Gen und zwar dort, wo sich Nukleotide mit einem Cytosin befinden. Ein methyliertes Gen ist quasi maskiert, es kann also nicht abgelesen werden und ist damit stumm geschaltet. Wenn es jetzt kalt wird, werden die Methylgruppen von dem Gen entfernt. Es kann jetzt abgelesen und exprimiert werden. Die De-Methylierung wirkt quasi wie eine Art Lichtschalter, mit dem das Gen aktiviert wird. Der Vorgang ist reversibel, wenn es wieder wärmer wird, wird das Gen wieder methyliert und der Lichtschalter schaltet das Gen quasi wieder aus.

Neben der DNA-Methylierung können auch die Histone modifiziert werden, indem chemische Gruppen angeheftet bzw. entfernt werden. Histone sind Proteine, auf die die DNA aufgewickelt wird, um sie im Zellkern zu verpacken. Je dichter DNA verpackt ist, umso inaktiver ist sie. Umgekehrt ist DNA, die nicht verpackt ist, für die Genexpression zugänglich, sie ist sozusagen die Arbeitsform der DNA. Wir bezeichnen die weniger dicht verpackte Arbeitsform auch als Euchromatin, die dicht gepackte "Ruheform" als Heterochromatin. Durch epigenetische Modifikation der Histone können DNA-Bereiche dichter oder weniger dicht verpackt werden. Auf die Weise ist sowohl eine Verringerung als auch eine Erhöhung der Genaktivität möglich.

Einen Reviewartikel speziell zur Wirkung des Unweltfaktors Kälte auf die Epigenetik findest du hier: https://aura.abdn.ac.uk/bitstream/handle/2164/16571/McCaw_et_al_ICB_EpigeneticResponses_AAM.pdf?sequence=1

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Hxlly 
Fragesteller
 16.07.2023, 12:08

Weißt du auch, warum Kälte das Gen de-methyliert und Wärme methyliert? Gibt es dazu eine chemische Erklärung?

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Darwinist  16.07.2023, 13:00
@Hxlly

Die Methylierung erfolgt enzymatisch durch DNA-Methyltransferasen.

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Epigenetik ist ein noch sehr junger Forschungsbereich. Lies Dich zum Beispiel hier ein :Epigenetik – Wikipedia

Manche wissen nichts von Epigenetik. Von denen die davon wissen überschätzen viele den Effekt. 2 eineiige Zwillinge sehen fast identisch aus, weil die "klassische" Genetik eben primär wirkt. Oft auch mit bewussten oder unbewussten ideologisch Hintergrund (es ist nicht alles genetisch vorbestimmt).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abgeschlossenes Studium als Diplom Biologe

Darwinist  15.07.2023, 11:48
2 eineiige Zwillinge sehen fast identisch aus, weil die "klassische" Genetik eben primär wirkt.

Trotzdem verursacht die Epigenetik auch bei Zwillingen phänotypische Unterschiede, z. B. unterschiedliche Körpergrößen. Die phänotypischen Unterschiede können wegen der Epigenetik sogar sehr groß sein: die erste geklonte Katze der Welt, CC, sah wegen der X-Inaktivierung völlig anders aus als ihre genetische Mutter Rainbow: https://vetmed.tamu.edu/news/wp-content/uploads/sites/9/2020/03/CC6-small.jpg (links Rainbow, rechts CC).

es ist nicht alles genetisch vorbestimmt

Das stimmt doch auch.

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Stefan997  15.07.2023, 23:10
@Darwinist
Trotzdem verursacht die Epigenetik auch bei Zwillingen phänotypische Unterschiede

Ganz genau. So sind zum Beispiel auch ihre Fingerabdrücke unterschiedlich. Vom Laien wird aber nicht selten die Auffassung geäußert, dass die Epigenetik einen großen oder größeren Einfluss hat als die Genetik selbst hat. In diesem Falle sähen eineiige Zwillinge im Normalfall sehr unterschiedlich aus, etwas was empirisch eindeutig nicht so ist.

es ist nicht alles genetisch vorbestimmt
Das stimmt doch auch.

Hier habe ich mich vielleicht unsauber ausgedrückt. Natürlich ist es so - selbst wenn die Genetik (Zwillinge) identisch sind und Epigenetik nicht greift kann es zu unterschiedlichen Entwicklungen kommen und sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten. Es gibt eben sehr viele äußere Einflussfaktoren, unterschieldiiches Umfeld, Zufälle die einem Individuum passieren, anderen wiederum nicht.

Besser hätte ich die Einstellung "es ist nicht alles vorherbestimmt". Die Einstellung: Wir bestimmen alles frei, unabhängig von Genetik, Epigenetik und äußeren Umweltfaktoren die einen prägten (ich entscheide selbst, nicht irgendwelche Chemie in mir - der nicht deterministische Ansatz). Und wenn doch, dann lieber Epigenetik als Genetik, das ist nicht von der Zeugung an vorbestimmt. Der Einfluss der Epigenetik ist unbestritten. Ich bezog mich darauf, dass Epigenetik vielen Menschen das Gefühl gibt, dass sie nicht 'vorprogrammiert' sind, sondern Zufall (oder bewusste Entscheidung z.B, bei der Ernährung) sie geformt hat. Als psychologischer Ansatz, warum viele Laien diesen Effekt einfach überbewerten (auch wenn er natürlich existiert).

Um es noch einmal klar zu sagen: Epigenetik hat einen Effekt. Aber die "klassische" Genetik einerseits und äußere Umweltfaktoren (die sich nicht auf die Genexpression auswirken, insbesondere auf den Charakter etc.) andererseits haben im Normalfall den bei weiten größeren Effekt. Auch wenn es andere Einzelfälle (Rainbow) gibt.

Anmerkung: Ich beziehe mich hier auf unterschiedliche Entwicklungen durch unterschiedliche epigenetische Einflüsse. Nicht auf Genaktivierung im allgemeinen, sondern jene, die durch äußere Faktoren entweder den einen oder anderen Phänotyp hervorbringen wobei unterschiedliche Szenarien extrem unwahrscheinlich sind. Genaktivierungen und -deaktivierungen sind esseziel für alle Mehrzeller.

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