Marquise von O Meinungen?

5 Antworten

Kleist hat noch eindrucksvollere Texte geschrieben. (Anekdote aus dem letzten preußischen Krieg, Kohlhaas) Dieser ist doch zu gewaltsam unwahrscheinlich.

Eindringlich sind die Zuspitzung und die psychologische Spannung. Kleists Sprache ist manieriert, aber sehr gekonnt.

Das Spiel mit Auslassungen ist ein wichtiges Element von Kunst. Heute wird es immer seltener angewendet (man ist stolz, keine Tabus zu kennen) und wird deswegen von Lesern oft lange nicht bemerkt. Kunstvoll z.B. im Kapitel "Hankels Ablage" in Fontanes "Irrungen, Wirrungen".

LiloB  09.10.2019, 18:24

Zauberhaft,- Deine Antwort. Ich freue mich immer, wenn noch jemand das Wort maniriert benutzt, zumal ich als junges Mädchen den Ausdruck zur Erheiterung meiner Umwelt mit mariniert verwechselt habe. Aber man muß wohl ein gewisses Alter haben, um die etwas komplizierte Sprache Kleists zu mögen.

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Als ich etwa 16 Jahre alt war, kam zu uns ein Austauschschüler aus England, der seinerseits im Fremsprachenunterricht Kleists Michael Kohlhaas zu lesen hatte.

Er zeigte uns einen Satz, in dem er kein Subjekt gefunden hatte. Ich weiß nur noch, dass mehrere von uns Geschwistern es gesucht haben, aber nicht mehr, ob wir es gefunden haben. (Ich vermute, es war eine lange Periode, bei der er in einem der Teilsätze das Subjekt nicht fand.)

Eine so ausführliche Erzählung in dieser Sprache 16-jährigen Engländern zuzumuten, wird man heute wohl nicht mehr wagen.

Und richtig: Jung bin ich schon laaange nicht mehr.

Der Stil von Kleist ist unverwechselbar. Als wir die Novelle (vor mehr als 50 Jahren) als Schüler lesen mussten, fanden wir den Stil auch seltsam. Noch heute flachsen meine Freundin und ich uns mit Sätzen an, die "dergestalt, dass" enthalten. Vor einiger Zeit habe ich im Radio die Lesung von Rolf Boysen gehört und war begeistert von diesem fantastischen Deutsch.:-)

Sie heiratet ihren Vergewaltiger - das wirkt heute etwas seltsam.

xDinchenx 
Fragesteller
 30.10.2019, 21:54

Naja, was die Lektüren in der Oberstufe angeht, sind Vergewaltigungen wohl alltäglich. Man, seit ser Q1 nichts ohne Mißhandlungen gelesen... Bah

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Der Schreibstil war nicht mein Problem.
Ich habe das Buch an einem Vormittag während einer (mir aufgezwungenen) Autofahrt gelesen.
Und ich habe absolut nicht gemerkt, dass da irgendwer vergewaltigt wurde.
Selbst als ich es nochmal gelesen habe, fand ich, es war doch nicht so ganz offensichtlich.
Kann aber auch sein, dass ich das mit der Stelle aus Faust verwechsle. Das hatte ich da nämlich auch, dass ich überhaupt nicht kapiert habe, dass da plötzlich jemand schwanger ist, da wusste ich es immerhin, weil ich eine Parodie dazu vorher irgendwo gesehen habe, in der Faust als ein Pedophiler abgestempelt wird (war vom Böhmermann).
Ich dachte mir da meistens "Was habt ihr bitte geraucht, dass ihr auf solche Gedanken kommt?", da wäre ich nämlich niemals drauf gekommen.