Lehramt Latein studieren?

3 Antworten

Es stimmt, dass die Einstellungschancen für Lehrer schlecht sind. Und das, obwohl eigentlich ein Lehrermangel vorherrscht, sogar in Fächern wie Deutsch oder Englisch. Wenn man sich ansieht, wie viele Stunden täglich an Schulen ausfallen, wird schnell klar, dass viel mehr Lehrer nötig wären, als derzeit angestellt sind.

Trotzdem muss man differenzieren, nicht jedes Lehramtsstudium ist aussichtslos. Die klassische Deutsch/Geschichte-Kombination würde ich derzeit nicht einmal dem größten Germanistik-Fan mit historischem Interesse anraten. Latein ist dagegen durchaus zu empfehlen, ebenso Mathematik, Physik, Informatik, evtl. auch Biologie, Chemie und Sport.

In all diesen Fächern sind gute Chancen auf eine Beamtenstelle gegeben und das wird sich so schnell nicht ändern. Warum? Diese Fächer studieren nicht viele, weil sie relativ schwierige Studiengänge sind. Latein studieren an den großen Unis vielleicht wenige Hundert, Deutsch oder Geschichte oder Englisch studieren dagegen weit über 1000.

Wenn dich Latein reizt, solltest du dieses Studium zumindest versuchen. Nach wenigen Semestern weiß man ohnehin, ob es passt oder nicht. Antikes Gedankengut (speziell Philosophie) ist äußerst interessant und in den Seminaren und schriftlichen Hausarbeiten interpretiert man Texte und beschäftigt sich mit ihren Inhalten - ich kenne nichts, was den Geist mehr fordert. Ansonsten steht natürlich das Übersetzen im Vordergrund, sowohl Latein zu Deutsch als auch Deutsch zu Latein. Letzteres ist erstmal ungewohnt, aber mit der Zeit verinnerlicht man grammatikalische Kleinigkeiten und auch unbekanntere Wörter. Dadurch, dass man viel übersetzt, macht man auch schnell Fortschritte, Erfahrung stellt sich ein. Ich sage es mal so: In der Schule übersetzt man zeilenweise, an der Uni seitenweise.

Wenn du Spaß an der Sprache hast, wird dir das ständige Übersetzen nicht viel ausmachen. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass man auch die deutsche Sprache sehr viel besser zu beherrschen lernt. An der Uni geht das Lernen übrigens erst richtig los, d. h. du musst in der Schule nicht der Lateinchecker sein, der nur Bestnoten erreicht hat. Vorwissen ist sicher ratsam und vorteilhaft, aber die eigentliche sprachliche Weiterentwicklung findet an der Uni statt. Das Graecum ist kein großes Problem, man hat einen einjährigen Kurs und darf bei der Klausur ein Wörterbuch benutzen. Die Prüfung ist natürlich schon unangenehm, weil man überhaupt keine Routine mit altgriechischen Klausuren hat, aber besonders für diejenigen, die gute Lateinkenntnisse haben, ist Altgriechisch kein Stolperstein.

Mein Rat: Lieber ein hohes Ziel setzen und den schwierigeren Studiengang probieren, als sofort eine angenehmere Fächerkombination in Angriff nehmen. Wenn du das anspruchsvollere Fach meisterst, hast du nicht nur einen sicheren Job (selbst wenn nicht sofort eine Beamtenstelle parat ist, irgendwo kommt man auf jeden Fall unter) und zudem musst du dich nicht grämen, die größere Herausforderung nicht zumindest versucht zu haben.

Viel Erfolg und gute Entscheidungen!

In Bayern ist die Einstellungssituation für Lehrer gerade sehr schlecht. Bisher war Latein noch ein Fach, mit dem mehr angestellt wurden, doch bei der letzten Einstellungsrunde im Februar reichten auch in Latein zum Teil sehr gute Noten nicht für eine Anstellung. Allerdings wirst du ja erst in 7-8 Jahren um eine Einstellung bangen müssen - und bis dahin kann noch viel passieren, bis hin zur Wiedereinführung des G9 ;-)

Nun zum Studium selbst: Da du das Graecum nicht hast, musst du es nachholen. Dazu belegst du an der Uni in den ersten beiden Semestern einen Kurs und machst legst danach an einem Gymnasium die Graecumsprüfung ab. Das Graecum ist allerdings eine sehr aufwendige Sache, für die du viel Zeit und Energie opfern muss. Aber die wenigsten Studenten haben das Graecum, so dass du also nicht der einzige bist, der es nachholen muss.

Zu deinen Kenntnissen: Man geht in der Uni davon aus, dass du gute Grundlagen in Latein hast, allerdings wird die Grammatik auch wiederholt, da du dort ja auch vom Deutschen ins Lateinische übersetzen musst und dafür die Grammatik viel besser kennen solltest als in der Schule. Aber die Grundlagen wie Konjugationen und Deklinationen werden nicht groß wiederholt, die musst du einfach lernen. Außerdem musst du eine Menge Wörter lernen, da du in den Prüfungen kein Wörterbuch verwenden darfst. Das wird dir aber nicht als Hausaufgabe aufgegeben, sondern du musst eben selbst an deinem Wortschatz arbeiten und versuchen, soviele Wörter wie möglich zu lernen. Die Wörterlisten legst du dir selbst an, indem du bei Texten die Wörter herausschreibst, die du nicht kannst.

Während des Studiums werden Philosophie und überhaupt die Antike eine große Rolle spielen. In den Seminaren geht es fast nur ums Interpretieren von Texten, die du zuhause lesen sollst. Überhaupt ist es sehr wichtig, dass du viele Texte liest. (Am besten in zweisprachigen Ausgaben, so dass man immer auch wieder auch schnell zur Übersetzung schauen kann). Übersetzt wird in eigenen Kursen, die aufeinander aufbauen und also immer schwerer werden. Diese gibt es sowohl für Deutsch-Latein als auch für Latein-Deutsch.

In Prüfungen musst du jeweils übersetzen und interpretieren, wobei die Schwierigkeit eindeutig bei den Übersetzungen liegt. Es gibt leider auch viele, die das Studium nicht schaffen.

Insgesamt wird beim Studium also schon viel Wert auf die Thematiken gelegt, die du erwähnst. In den Prüfungen kommt es aber hautpsächlich darauf an, dass du übersetzen kannst.

Es wäre interessant, warum die Schwierigkeiten beim Übersetzen hast: Kannst du zu wenig Wörter? Oder hast du die Konjugationen und Deklinationen nicht im Kopf? In diesem Fall solltest du einfach anfangen, diese systematisch zu weiderholen bzw. zu lernen. Wenn du dagegen generell Schwierigkeiten mit Sprache und Grammatik oder kein gutes Sprachgefühl hast (Deutschnote?), würde ich dir vom Lateinstudium abraten.

Oberfrosch  16.03.2014, 12:05
In Bayern ist die Einstellungssituation für Lehrer gerade sehr schlecht. Bisher war Latein noch ein Fach, mit dem mehr angestellt wurden, doch bei der letzten Einstellungsrunde im Februar reichten auch in Latein zum Teil sehr gute Noten nicht für eine Anstellung. Allerdings wirst du ja erst in 7-8 Jahren um eine Einstellung bangen müssen - und bis dahin kann noch viel passieren, bis hin zur Wiedereinführung des G9 ;-)
  1. Die Situation wird nicht in 7--8, sondern frühestens in 15 Jahren Jahren anders aussehen.
  2. Durch G9 werden nicht furchtbar viel mehr Lehrer eingestellt, eher wenige.
  3. Recht viele Schüler hatten in den letzten Jahren Lateinunterricht, meist allerdings nur so lange, bis sie abwählen konnten. In den nächsten Jahren werden es sehr, sehr, sehr viel weniger Schüler wählen.
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Trevrizent  16.03.2014, 12:49
@Oberfrosch

Wenn man bei dem Bedarf nur die Pensionierungswellen (also große Menge an Lehrern, die in Pension gehen) beachtet, stimmt die Prognose mit 15 Jahren. Aber der Bedarf hängt ja auch von anderen Faktoren ab – zum Beispiel werden in den kommenden Jahren sicher viel weniger Studenten Lehramt studieren, weil die Einstellungssituation so schlecht ist. Genau umgekehrt war es ja bei den vielen Studenten, die jetzt gerade fertig geworden sind. Sie haben alle in einer Zeit das Studium begonnen, als großer Bedarf war. Als ich selbst mit dem Studium begonnen habe, rieten mir alle ab, da eine ähnliche Situation herrschte wie jetzt gerade (also kaum Neueinstellungen). Aber als ich fertig wurde, waren gerade die Fächer gesucht, denen damals die schlechtesten Chancen zugesprochen wurden. Außerdem ist es politisch gewollt, dass immer mehr Schüler aufs Gymnasium gehen. Egal wie man dazu steht – jedenfalls trifft dadurch der demografische Wandel das Gymnasium nicht ganz so hart.

Das eventuell wiedereingeführte G9 wird sicher mehr Lehrerstellen verursachen. Erstens würde man ja nicht komplett zurück in die 90er gehen und es einfach wieder so einführen, wie damals. Bestimmte positive Aspekte des G8 (z.B. die Intensivierungsstunden) würden wohl bleiben. Aber für einen kompletten zusätzlichen Jahrgang an den Schulen bräuchte man auch dementsprechend mehr Lehrer. Umgekehrt ist die Einstellungssituation ja nicht zufällig genau in dem Jahr so schlecht geworden, als der letzte G9-Jahrgang die Schulen verlassen hatte.

Und nach wie vor boomt das Fach Latein in Bayern. Aus eigener Erfahrung an einem rein humanistischen Gymnasium kann ich sagen, dass die Neuanmeldungen von Jahr zu Jahr mehr werden. Aber auch alle Gymnasien, die Latein anbieten, machen die Beobachtung, dass die Schüler verstärkt Latein wählen – worüber ja auch in den Medien immer wieder berichtet wird – z.B. hier: http://www.wn.de/NRW/Bayern-Schueler-lieben-Latein-157000-belegen-die-alte-Sprache

Auch klar ist natürlich, dass die Einstellungssituation wohl nicht mehr so gut wird wie vor 6 Jahren. Deswegen muss sich jeder, der Lehramt studiert, darüber im Klaren sein, dass er gute Noten braucht, um eine Anstellung zu bekommen. Aber jedem grundsätzlich abraten würde ich deswegen nicht.

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ob es Sinn macht Latein [...] beim Übersetzen aber häufig 
Schwierigkeiten habe. 

Ehrliche Anwort: NEIN Du musst fehlerfrei L=>D und D=> L können. Hintergrundwissen zu Geschiche und Philosphie bringt dir leider überhaupt nichts.


Weiß jemand wie das Lateinstudium aussieht?

Ja, ich.


Wird da Grammatik und alles nochmal wiederholt?

Nein, eigentlich gar nichts.


Und wie ist das denn mit dem Graecum?

Dafür gibt es an jeder Uni, an der du Latein oder Theologie studieren kannst, Kurse, weil die meisten Lateinstudenten kein Griechisch in der Schule hatten. Die Kurse dauern 1 oder 2 Semester. Ein 1-Semster-Kurs ist ein Fultime-Job. Da kannst du nichts nebenbei machen.


und damit dann wohl oder übel arbeitslos enden

Damit hast du wahrscheinlich Recht. Das würde dir mir Latein wahrsceinlich aber auch passieren. Die Einstellungssituation hat sich auch da sehr verschlechtert. De/En ist sowieso eine saudumme Idee, weil du vor lauter Aufsatzkorrekturen das Tageslicht nicht mehr siehst.


Ich wäre sehr dankbar, wenn mir da jemand einen Rat geben könnte.

Ehrlicher Rat: Studier Physik, wenn du ins Lehramt willst. Das ist das einzige Fach, mit dem du auch in 2020, wenn du frühestens fertig sein wirst, eine realistische Chance auf eine Einstellung hast. Außerdem hast du mit Physik noch einen großen alternativen Arbeitsmarkt. Mathe wäre ansonsten auch noch ok. Ansonsten kann ich dir leider nur den Rat geben, nicht auf LA Gym zu studieren. Wie es mit LA Förderschule aussieht, weiß ich nicht.


LG

MCX

Miraculix84  15.03.2014, 20:43

PS:

Ich habe etwas Wichtiges vergessen: Schon die erste Klausur wird ohne Wörterbuch geschrieben. Du darfst im ganzen Lateinstudium in überhaupt keiner Klausur ein Wörterbuch benutzen. Also wenn du schon mit Wörterbuch Probleme beim Übersetzen hast, ist das hoffnungslos.

LG

MCX

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Conan95 
Fragesteller
 15.03.2014, 23:24

Okay, das war sehr direkt das kalte Wasser ins Gesicht, aber so wird es wohl sein.

Vielen Dank für die Ratschläge und Infos, ich sollte wohl die Finger vom Lateinstudium lassen... Wäre ist nicht so grottig in Naturwissenschaften, würde ich liebendgern Physik studieren. Leider habe ich sowohl Physik als auch Chemie mit einer 4 in der zehnten Klasse abgelegt und halte mich nun in Mathe mit Mitarbeitsnoten über Wasser. Bio ist durchwachsen von den noten her :D (Immerhin hab ich im Zeugnis in beiden Fächern noch nie unterpunktet :'D)

Also nochmal vielen Dank für deine ehrliche Antwort! :)

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