Ist Springreiten erzwungen oder folgt es einem natürlichen Impuls des Pferdes?
Hallo zusammen,
mal wieder eine ketzerische Frage: Ist Springreiten erzwungen oder folgt es einem natürlichen Impuls des Pferdes?
Bei Horst Stern „Bemerkung über das Pferd“ dazu gibt es auch ein entsprechendes Video mit Hans Günter Winkler
https://www.youtube.com/watch?v=ZH8ZwpzylRM Horst Stern - Bemerkungen über das Pferd
Reitet man mit einem Pferd auf ein Hindernis zu, dann bleibt es stehen und folgt seinem natürlichen Instinkt, das Hindernis zu umgehen. Das gilt natürlich insbesondere Hindernisse, wo das Tier das Ende nicht sehen kann: keine Ahnung Wassergraben, Dreifach-Oxer, keine Ahnung. Wir machen auch keinen Köpper in den Baggersee, wenn wir nicht wissen, wie tief oder ob dort vielleicht gefährliche Hindernisse lauern.
Dann ist es das Hilfengeben des Reiters, Schenkeldruck, Trense, Gewichtsverlagerung des Körpers, Stimme, welches das Tier dazu bringt, seine natürliche Hemmung zu überwinden und zu springen, zu basculieren, etc.
Das Pferd lernt also: Da ist ein Hindernis aber ich habe Vertrauen zu meinem Reiter, also spanne ich Hinter- und Vorderläufe an und springe.
In dem Kontext auch das Barren und Touchieren, um jungen Pferden die Angst vor dem Springen zu nehmen, beziehungsweise einen nicht hohen Sprung mit Schmerz zu bestrafen. Ältere Springpferde scheinen das zu kennen, bei jungen Pferden scheint das noch nicht ausgeprägt zu sein, sich einzuschätzen: Anritt, Tempo, Sprunghöhe, etc.
Na ja, aber die Springleistung scheint doch genetisch fixiert zu sein. Holsteiner - die Knaller aus dem Norden, so die Werbung. "Datt sind alles Springer.", secht de Buur und darauf wird wohl auch schon bei der Fohlenauktion geachtet. Stammbaum, Exterieur, ob es ein guter Springer wird oder nicht - bzw. zumindest das Potenzial hat.
Also ein Springpferd hat die genetisch-anatomischen Anlagen und muss auf Sprunghöhe etc. trainiert werden.
Was meint Ihr. Ist das richtig oder habe ich falsche Grundannahmen getroffen.
Besten Dank und viele Grüße
8 Antworten
Also unser Spring-betont selbst gezogenes Fohlen, ist schon wenige Wochen alt gesprungen. Einfach so und ohne dass es gezwungen gewesen wäre. Sie sprang tatsächlich nur zu ihrem persönlichen Zeitvertreib und aus reinem Übermut. Eine der Sommerweiden, auf denen sie, ihre Mama und die anderen Stuten und Fohlen waren, bestand aus zwei Weiden, die mittels großem Durchlass verbunden waren. Und unsere kleine Stute nahm fast ausschließlich die Abkürzung über den Zaun. Nicht aus Panik, nicht aus Angst, oder weil irgendjemand scheuchte, sondern einfach aus Spaß und weil sie es konnte. Mittlerweile ist sie 4 und wir beginnen gerade mit ersten Sprüngen unterm Reiter - und sie brennt regelrecht dafür, hat einen Heidenspaß und zeigt sich wirklich nicht untalentiert.
Mein Wallach jedoch kann gut aufs Springen verzichten. Obwohl er seinen Körper sehr gut gebrauchen kann und einen echt schönen Sprung mit guter Manier macht - trotz dass er reinstes Dressurblut ist, hat er daran keinem wirklich Spaß. Mal über ein Cavalletti oder ein Kreuz im Sommer draußen auf dem Springplatz, das findet er OK und das ist auch für ihn eine schöne Abwechslung. Doch sobald es ums richtige Springen gehen würde, einen Parcours und eine Höhe im A-L Bereich, die er körperlich locker schaffen könnte, zeigt er deutlich, dass er darauf keine wirkliche Lust hat. Muss er aber auch nicht. Hätte ich springen wollen, hätte ich mir ein Springpferd und kein Dressurpferd gekauft.
Ich denke, dass es bei Pferden ähnlich ist wie bei Menschen - es gibt Adrenalin-Junkies, die jede Herausforderung annehmen und andere, die genau das nicht anstreben. Und am Ende besteht eben auch bei Pferden darin die Kunst - die Pferde zu finden und zu fördern, die neben ihrem Talent und Können auch den Willen und das Feuer haben.
Weder noch ,bzw. es stimmt beides. Kein Pferd würde ohne Reiter einen Parcour springen, aber viele Pferde springen über Koppelzäune.
Gerade die heutigen Spitzenpferde sind genetisch auf Springvermögen gezüchtet. Es ist also keine Tierquälerei, mit ihnen zu springen. Und gerade Winkler war als stilistisch sehr guter Reiter bekannt, der seine Pferde sicher nicht quälte. Allerdings, das gebe ich zu, hat er sich als Springreiter sicherlich nicht auf Pferde gesetzt, die das nicht anboten. Das macht auch heute noch kein Springreiter.
Wenn also ein hinreichend talentiertes und gut ausgebildetes Pferd springt und von einem guten Reiter geritten wird, ist es keine Tierquälerei. Es gibt natürlich auch im Spitzensport andere Reiter. Ich halte z.B. Hugo Simon für einen Tierquäler. Man muss ihn nur mal "springen" sehen.
du hast die falsche grundannahme getroffen.
nicht die höhe muss trainiert werden, sondern die rittigkeit und die nerven, zuverlässig auch in ungewohnter umgebung und vor publikum reitbar zu sein und sich auf seinen reiter zu konzentrieren.
es gibt geborene springpferde, es gibt solche, die gut und gern springen und es gibt welche, denen sollte man nicht zumuten, springen zu müssen. ich erinnere mich an eine zweijährige stute, für die zäune kein tor haben mussten, durch das man laufen konnte. die sprang aus jeder koppel, die bis zu 1,80m gezäunt war. sie durfte auf dem springplatz grasen und hat diesen genutzt, um sich auch sonst die zeit zu vertreiben.
und andererseits steht bei uns im stall eine kleinpferdstute, die kann man mit cavalettis einzäunen und sie käme nie auf die idee, diese einzäunung zu verlassen, wenn man nicht ein cavaletti wegnimmt, dass sie rauskann.
ein paradebeispiel für ein durch und durch springverrücktes pferd war ein pferd mit einer lupenreinen dressurabstammung. er hatte glück, dass er seinen reiter gefunden hatte, der mit ihm zurecht kam. bei einem freizeitreiter wäre er vermutlich mit 6 wegen unreitbarkeit beim metzger gelandet.
Forum Pferd.de - Deister - der springende Geldschrank
auch mein pony sprang gern und von allein. um von einem teil der weide in den andern zu gelangen, übersprang er sich um bis zu 15cm.
Wie überall im Leben gibt es solche und solche. Der Idealfall ist der, dass Reiter und Pferd eine Einheit bilden und sich gegenseitig blind vertrauen. Da benötigt man keine Quälereien (wie barren), um das Pferd zu trainieren.
Das Paradebeispiel ist dabei „Halla“ und der Reiter Hans-G. Winkler. Legendär ist dabei der Ritt während der Olympiade 1956.
Das hast du schon gut beschrieben. Jede Art von Arbeit mit dem Pferd basiert auf dem Prinzip: Der Mensch überzeugt das Pferd. Heutzutage und in unseren Regionen basierend auf Vertrauen, früher bzw in anderen Kulturkreisen durch Gewalt (brechen). Klar, dass das die Antwort auf deine Frage ganz entscheidend beeinflusst.
Für den Vertrauensweg gilt: Das Pferd erkennt die Vorteile (Spaß/ Energie loswerden) und kooperiert. Der angezüchtete Ehrgeiz ermöglicht Höchstleistungen.
Was mich bei diesen Diskussionen stört, ist, dass man „Natürlichkeit“ immer wieder zum Entscheidungskriterium macht. Ist etwas nicht natürlich, muss es gerechtfertigt werden. Warum?
Es gibt tausende unnatürliche Dinge, die gut sind: Impfungen, selektive Zucht, Kastration, usw.
Und es gibt tausende natürliche Dinge, die keiner mehr haben will: Krankheiten, Hengste, die sich gegenseitig umbringen, Fressfeinde, usw.
Und wer nicht mit seinem Pferd springt, macht trotzdem tausend unnatürliche Dinge mit seinem Pferd. Schon das Aufziehen eines Halfters ist unnatürlich.
Deshalb würde ich dieses Wort gerne endlich aus dieser Diskussion verbannen. Konzentrieren wir und lieber darauf, was dem Pferd gut tut und was ihm schadet. Und darüber sollte man immer wieder selbstkritisch nachdenken, denn diese Frage lässt sich nicht für alle Pferde gleich beantworten.
Das erfordert reflektiertes Denken und auch eine wissenschaftliche Komponente. Dafür sollte jeder Reiter offen sein. Und dann ist es doch piepegal ob natürlich oder unnatürlich!
Okay, habe ich jetzt auch als Nicht-Reiter verstanden. Vielen herzlichen Dank!