Ist die Lehre Jesus nicht komplett unrealistisch?
z.B. will jesus, dass man sich seinen Feinden ausliefert und nachgibt. Er predigte sogar Feindesliebe, außerdem :
"Ich aber sage euch: Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen; sondern wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, so biete ihm auch die andere dar;".
Wenn man das in Außenpolitik übertragen würde, dürfte man der Ukraine keine Waffen liefern sondern nur zum Aufgeben aufrufen und NAZI Deutschland würde es immer noch geben.
Wie ist dieser Aspekt in der Bibel also zu verstehen? Auch wenn es oft provokative Botschaften sind, muss es doch ein Kern dahinter geben. Ich beziehe mich auf die Haltung Jesus und nicht von irgendeiner Kirche, die selbst die Lehre Jesus nicht einhielt(zb Kreuzzüge.)
13 Antworten
Du verstehst, wie viele andere auch, diese Bibelstelle falsch.
Jesus hat nicht dazu aufgerufen, sich überhaupt nicht zu wehren. Er selber hat es immer wieder getan, aber mit "Köpfchen" und nicht mit den Fäusten. Worte waren seine "Waffen", die er immer wieder auch klug eingesetzt hat. Dies bei seinen jüdischen Glaubensbrüdern.
Bei den Römern wusste Jesus, wenn er seine Anhänger zur Gewalt aufrufen würde, dass dann die Reaktion der Besatzer, heftig sein würde. Das Ganze würde in eine Gewaltspirale ohne Ende führen.
In Bezug auf die Ukraine bin überzeugt davon, dass Jesus nicht einfach einem Einmarsch der Russen passiv gegenüber gestanden hätte. Wenn die Möglichkeit besteht, Menschen vor Angreifern zu schützen, dass er dann ja dazu gesagt hätte.
Man muss immer die jeweilige Situation anschauen. Ghandi und Martin Luther King sind Beispiele dafür, dass es manchmal möglich ist Gewaltfrei etwas zu verändern. Doch auch sie beide haben sich jeweils auf ihre Art gewehrt.
Ist die Lehre Jesus nicht komplett unrealistisch?
Für eine moderne Außenpolitik auf jeden Fall.
Wie ist dieser Aspekt in der Bibel also zu verstehen?
Jesus hat das an ein Volk gerichtet, dass seit Jahrzehnten unter römischer Fremdherrschaft stand.
wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, so biete ihm auch die andere dar;
Hiermit zB hat er seinen Hörern die Möglichkeit gegeben passiven Widerstand zu leisten. Er gilt damit als Vorreiter von Leuten wie M.L. King und Gandhi. Von denen ist auch bekannt, dass sie sich da an der Bergpredigt orientiert haben.
In guten Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungsseminaren wird das, was Jesus gesagt hat (= "andere Backe hinhalten"), sogar als eine wichtige Strategie gelehrt. Dazu muss man aber verstehen, was Jesus genau gemeint hat. Meist gibt es diesbezüglich Missverständnisse...
Denn: Sollten Christen sich überall verprügeln lassen, ohne sich zu wehren? Sollten sie zuschauen, wenn andere Christen verprügelt werden und sich darüber freuen, dass diese die andere Backe hinhalten können? Das ergäbe doch irgendwie nur wenig Sinn und würde die gesellschaftliche Ordnung gefährden.
Zu der Bibelstelle mit dem "Hinhalten der anderen Backe" ist zu sagen, dass es dabei nicht um Selbstverteidigung oder körperliche Angriffe, sondern um Rache und Beleidigungen geht.
Im griechischen Urtext steht das Wort "rhapizo", das einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht bedeutet. Dies war eine Geste, die z.B. ein Herr gegenüber seinem Knecht tun durfte. Bei Gleichgestellten galt sie als schwere Beleidigung, die nach rabbinischem Recht doppelt bestraft wurde. Deshalb soll man sich durchaus beleidigen lassen, ohne sich zu wehren. Und man soll sich nicht rächen, was wohl die Kernaussage dieser Bibelstelle ist.
Deshalb ist der Vorschlag, auf Beleidigungen nicht zu reagieren und auf Rache zu verzichten, die beste Taktik, um Streit zu deeskalieren und schlimmere Auseinandersetzungen, die über verbale Angriffe hinausgehen, zu vermeiden.
In taktischen Selbstverteidigungsseminaren, in denen es um Notwehr und Nothilfe geht, wird diese Strategie durchaus als wichtige Möglichkeit der Deeskalation und Prävention gelehrt
An diesem Beispiel sieht man wieder, wie lebensnah und -praktisch Jesus die Menschen belehrte.
Gewalt schafft neue Gewalt. Die Lehre Jesus ist kein außenpolitisches Konzept sondern zielt darauf hin, diesen Kreislauf von Gewalt zu durchbrechen.
Ich will mal einen kleinen Exkurs machen, vor dessen Hintergrund Jesu Lehre der Feindesliebe umso mehr Sinn macht.
In mystischen Strömungen oder auch zb. in indischen Religionen wird ja oft die Einheit alles Seins betont.
Die absolute Realität, Brahman ist eins, die mannigfaltige Welt nur eine Erscheinung in/von Brahman.
Wenn man davon ausgeht, das es keine Getrenntheit gibt, sondern wir uns im Endeffekt nur selbst schaden mit Gewalt, dann reiht sich dort Jesu Gebot ganz logisch ein.
Schön wird es hier in diesem Video zusammengefasst:
Oder auch hier (besonders die Schlussfolgerung am Ende des Videos)
https://youtu.be/pTRTtYUONgs
Mal ansehen und drüber nachdenken!
Gruß