Imaginäres Experiment zu Sexualitäten?

9 Antworten

Da der Sexualtrieb sehr stark ist, würde man ihn wohl mit Männern ausleben. Nur eben nicht so glücklich wie wenn man mit Frauen es ausleben könnte. Aber wenn man nicht weiß das es anderes gibt, würde man nicht unbedingt wissen das es besser sein könnte. Grade früher ist es ja auch so gewesen, dass die meisten Homosexuellen Hetero-Leben geführt haben.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bi yourself 🏳️‍🌈

Das Experiment hört sich interessant an. Aber was wären mögliche Outcomes ? Vielleicht wird der Junge asexuell ? Oder er wäre ohnehin homosexuell geworden ? Was schließt man dann daraus ? In der echten Welt gibt es ja auch Frauen - wir könnten also nur mit viel Vorsicht Rückschlüsse auf die echte Welt ziehen.

Um die Frage nach Ursachen von Homosexualität zu klären sind letztlich Zwillingsstudien der Goldstandard. Dort vergleicht man die Korrelation der sexuellen Orientierung zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingspärchen und zwischen nicht verwandten Menschen. Wären 100% genetisch, dann müssten eineiige Zwillinge immer identische sexuelle Orientierungen haben, da sie identische Gene haben. Gäbe es keine nachgeburtlichen Einflüsse, dann müssten auch zweieiige Zwillinge immer identische sexuelle Orientierungen haben. Beides ist nicht der Fall. Also gibt es auch nachgeburtliche Einflüsse. Alles deutet auf eine multikausale Determination der sexuellen Orientierung hin.

Hier die letzte große Studie:

Långström, N., Rahman, Q., Carlström, E. et al. Genetic and Environmental Effects on Same-sex Sexual Behavior: A Population Study of Twins in Sweden. Arch Sex Behav 39, 75–80 (2010). https://doi.org/10.1007/s10508-008-9386-1

Das ist die Zusammenfassung:

The analyses were conducted separately by sex. Twin resemblance was moderate for the 3,826 studied monozygotic and dizygotic same-sex twin pairs. Biometric modeling revealed that, in men, genetic effects explained .34-.39 of the variance, the shared environment .00, and the individual-specific environment .61-.66 of the variance. Corresponding estimates among women were .18-.19 for genetic factors, .16-.17 for shared environmental, and 64-.66 for unique environmental factors. Although wide confidence intervals suggest cautious interpretation, the results are consistent with moderate, primarily genetic, familial effects, and moderate to large effects of the nonshared environment (social and biological) on same-sex sexual behavior.

Meine eigene, nicht wissenschaftlich fundierte Ansicht, ist, dass die sexuelle Orientierung ein Spektrum darstellt, das im Verlauf eines Lebens innerhalb weiter angeborener Grenzen variabel und formbar ist.

Mayahuel  06.11.2022, 18:36
Gäbe es keine nachgeburtlichen

Was ist mit Hormonen während der Schwangerschaft?

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Prenatal_hormones_and_sexual_orientation

Warum ignorierst du das?

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Onesimus  06.11.2022, 19:21
@Mayahuel

Wieso meinst du, dass ich das ignoriere ?

Vorgeburtliche Hormoneinflüsse würden in der von mir genannter Zwillingsstudie unter "shared environment" fallen, da sie sowohl bei eineiigen als auch bei zweieiigen Zwillingen beide Zwillinge gleichermaßen treffen. Und da es weder bei eineiigen noch bei zweieiigen Zwillingen eine 100% Korrelation der sexuellen Orientierung gibt können vorgeburtliche Hormoneinflüsse die sexuelle Orientierung nicht monokausal erklären.

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Mayahuel  06.11.2022, 19:27
@Onesimus
Gäbe es keine nachgeburtlichen Einflüsse, dann müssten auch zweieiige Zwillinge immer identische sexuelle Orientierungen haben. Beides ist nicht der Fall. Also gibt es auch nachgeburtliche Einflüsse.

Du erwähnst nur Gene und Nachgeburt.

ein unbedarfter Leser wird in die Irre geführt

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Onesimus  06.11.2022, 20:00
@Mayahuel

Ah. Ich verstehe, was du meinst. Ich habe die Antwort bearbeitet und das "auch" betont und noch einen Satz ergänzt:

Also gibt es auch nachgeburtliche Einflüsse. Alles deutet auf eine multikausale Determination der sexuellen Orientierung hin.

besser ?

Interessanterweise scheint die Zwillingsstudie aus Schweden einen relevanten präpartalen hormonellen Einfluss bei Männern auszuschließen:

in men, genetic effects explained .34-.39 of the variance, the shared environment .00, and the individual-specific environment .61-.66 of the variance

Was mich ehrlich gesagt sehr wundert. Denn ich meine, ich hätte die Studie schonmal komplett gelesen und hatte mich auch schon darüber gewundert. Denn es gab schon eine relevante Korrelation bei zweieiigen Zwillingen - auch bei Männern (!) und das belegt doch, dass es Faktoren im shared environment geben muss. Leider ist der Artikel jetzt hinter einer Bezahlschranke.

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Mayahuel  06.11.2022, 20:08
@Onesimus
 einen relevanten präpartalen hormonellen Einfluss bei Männern auszuschließen:

wie wollen die das machen? Das war ne Internet-Umfrage.

Man hat Zwillinge über ihre sexuelle Orientierung befragt. Alles, was darüber hinaus geht, ist Glaskugelreiben.

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Onesimus  06.11.2022, 22:02
@Mayahuel

Zwillingsstudien sind prädestiniert solche Fragen zu beantworten. Die Methode ist bewährt und hat nichts mit "Glaskugelreiben" zu tun.

Wahrscheinlich wirken Studien mit fMRTs und Hormonspiegeln wissenschaftlicher. Tatsächlich sind sie aber viel schwieriger zu interpretieren. Da findet man dann, dass bei einem duzend homosexuellen Männern die weiße Masse im diffusionsgewichteten fMRT um Schnitt 20% stärker vernetzt ist. Wie interpretiert man das ? Ist das Hirn durch die Homosexualität anders geformt? Macht die stärkere Vernetzung homosexuell ? Im nächsten Duzend Messungen ist es nicht mehr die weiße Masse, sondern ein leicht vergrößerter Hippocampus. Das ist Glaskugelreiben.

Die Ergebnisse von Zwillingsstudien sind dagegen sehr einfach zu interpretieren. Ich formuliere es mal als Frage:

Unter der Annahme, dass es keine postpartalen Einflüsse gibt, wie kann man erklären, dass weniger als die Hälfte der homosexuellen eineiigen Zwillinge kein homosexuelles Zwillingsgeschwisterkind haben. Was ist mit dem homosexuellen Zwilling während der Schwangerschaft passiert, das dem heterosexuellen Zwilling nicht passiert ist ?

Jetzt fragst du, warum ein präpartaler hormoneller Einfluss bei Männern ausgeschlossen ist. Weil die Korrelation der sexueller Orientierung zwischen zweieiigen nicht groß genug ist. Es gibt keine Korrelation, die durch einen präpartalen hormonellen Einfluss erklärt werden könnte.

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Mayahuel  07.11.2022, 02:28
@Onesimus

wenn Hormone ausgeschlossen sind, dann auch deine "nachgeburtlichen Einflüsse".

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Mayahuel  07.11.2022, 02:51
@Mayahuel

The apparent impossibility of getting someone to change their sexual orientation ... is a major argument against the importance of the social environment in the emergence of homosexuality, as well as against the idea that homosexuality is a lifestyle choice."
,

Bao AM, Swaab DF (April 2011). "Sexual differentiation of the human brain: relation to gender identity, sexual orientation and neuropsychiatric disorders". Frontiers in Neuroendocrinology. 32 (2): 214–226.

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Onesimus  07.11.2022, 06:28
@Mayahuel
The apparent impossibility of getting someone to change their sexual orientation

Das Argument geht komplett an der Sache vorbei:

  1. Die sexuelle Orientierung zeigt sich erst mit der Pubertät. Es gibt also ein Fenster von gut einer Dekade, in dem noch nachgeburtliche Einflüsse denkbar sind.
  2. Sagen Zwillingsstudien nichts über die genaue Natur der Einflüsse aus. Sie können lediglich zwischen Genetik, geteilter und individueller Umwelt unterscheiden.

Beschäftige dich mal ernsthaft mit der Frage:

Wie erklärst du, dass weniger als die Hälfte der homosexuellen eineiigen Zwillinge kein homosexuelles Zwillingsgeschwisterkind haben?
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Mayahuel  07.11.2022, 06:38
@Onesimus
 denkbar sind.

Hast du Hinweise für deine "nachgeburtliche Einflüsse"? Erzähl mal, was das sein soll.

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Onesimus  07.11.2022, 09:04
@Mayahuel

Nein. Die habe ich nicht. Aber wie ich schon schrieb ist das nicht, was die Zwillingsstudie dir sagt:

Sagen Zwillingsstudien nichts über die genaue Natur der Einflüsse aus. Sie können lediglich zwischen Genetik, geteilter und individueller Umwelt unterscheiden.

Bei Männern machen individuelle Umwelteinflüsse 60-65% aus. Jetzt kannst du kreativ werden: Das könnte eine postpartale Hormonexposition sein, Ernährung, Umweltgifte, soziales Umfeld im weitesten Sinn. Und beachte: Die Einflüsse müssen nicht zwingend postpartal sein. Sie dürfen aber nicht auf beide Zwillinge in gleicher Weise einwirken. Deshalb frage ich dich:

Wie erklärst du, dass weniger als die Hälfte der homosexuellen eineiigen Zwillinge kein homosexuelles Zwillingsgeschwisterkind haben?

Es gibt tatsächlich Erklärungsversuche, wie es einen Einfluss auf nur ein Zwillingskind geben könnte. Dabei wird beispielsweise postuliert, dass getrennten Plazenten unterschiedlich funktionieren und maternale Hormone nur in unterschiedlicher Dosis zum Feten durchlassen. Das finde ich aus verschiedenen Gründen unplausibel und ad-hoc:

  • Geschlechtshormone sind Steroidhormone und also prinzipiell gut plazentagängig
  • Die Plazenta ist Teil des embryonalen / fetalen Organismus. Ein Unterschied in der Funktion zweier Plazenten würde also genauso nach einer Erklärung verlangen wie ein Unterschied in der sexuellen Orientierung. Er könnte nicht genetischer Natur sein.
  • Es gibt auch monochoriale eineiige Zwillinge. Die müssten dann doch wieder immer 100% identische sexuelle Orientierungen haben. Die Chorionverhältnisse werden in der Schwangerschaft schon seit Jahrzehnten im Mutterpass dokumentiert. Dieser Teil der Hypothese wäre daher sogar recht einfach zu prüfen.

Überzeugt dich diese These oder hast du andere Ideen, wie eineiige Zwillinge intrauterin unterschiedlich geprägt werden können?

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Mayahuel  07.11.2022, 09:22
@Onesimus
 postpartale Hormonexposition sein, Ernährung, Umweltgifte,

Umweltgifte, die nicht nur weltweit, sondern seit Jahrtausenden wirken?

soziales Umfeld im weitesten Sinn.

Wie kann jemand schwul in einem islamischen Land werden, in der Homosexualität geächtet, dämonisiert, mit dem Tod und der Hölle bestraft wird?

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Onesimus  07.11.2022, 14:11
@Mayahuel

Das ist spannend. Wie groß waren die Unterschiede?

Despite the overall low median discordance in methylation apparent in all twin pairs, almost all pairs had several HM27 probes with a high level of methylation discordance in excess of ∼20% (Δβ > 0.2).

Also insgesamt sind die Unterschiede bei eineiigen Zwillingen gering. Es gab einige (von mehreren tausend untersuchten) Loci, bei denen teilweise mehr als 20% der Pärchen Unterschiede hatten.

Bei nur 5-10% der Zwillingspärchen mit einem homosexuellen Zwilling ist auch der andere homosexuell. Können nur bis zu 20% Abweichung im Methylierungsstatus 90-95% Abweichung in der sexuellen Orientierung erklären ?

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Da müssten wir dann schon eineiige Drillinge haben. Einer wächst in einer Welt mit nur Männern auf, einer mit nur Frauen und einer ist die Kontrolle in der 'normalen' Welt. Könnte ja sein, dass es doch genetisch ist und dieser Junge eben so oder so schwul oder bi geworden wäre.

Aber, wo wir bei Zwillingen sind... Da haben wir doch eigentlich schon eine Statistik, die man aufstellen könnte, die viel ethischer ist. Man könnte ja einfach mal einen Haufen eineiige Zwillinge fragen, was für eine sexuelle Orientierung sie haben. Und das hat man tatsächlich schon gemacht. Wenn ich die Zahl noch richtig im Kopf habe, ist in 70% der Fälle, in denen ein Zwilling nicht hetero ist, der andere ebenfalls nicht hetero - auch bei denen, die nicht zusammen aufgewachsen sind. Und das spricht ja doch dafür, dass da ein großer Anteil vor der Geburt festgelegt ist. Außerdem könnte man Statistiken zum Umfeld aufstellen. Wie viele Schwule sind christlich aufgewachsen, wie viele sind reich aufgewachsen, wie viele haben eine erwachsene Queere Person im Umfeld als Kind gehabt, usw.
Oder, vielleicht findet man ja doch irgendwann den genauen Auslöser von Homosexualität.

Ich persönlich hoffe aber, dass man da nichts findet, und es für immer ein Mysterium bleibt. Warum? Ganz einfach: Sobald die Leute raus finden, warum wir sind, wie wir sind, haben sie eine Möglichkeit, uns auszurotten. Und da ich Eugenik verwerflich finde, wenn es nicht um tatsächliche Krankheiten geht, und befürchte, dass wir deren Ziel werden könnten... Lieber bleibt es ein Mysterium.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin bisexuell und nichtbinär & kenne viele andere 'Queere'.
Onesimus  06.11.2022, 16:26

Genau. Solche Studien gibt es. Mit ein- und zweieiigen Zwillingen. Deine Zahlen stimmen nur nicht ganz. Bei Männern waren 40% genetisch bedingt. Bei Frauen nochmal deutlich weniger. Der Rest scheinen nachgeburtliche Einflüsse zu sein. Welche das sind wissen wir nicht. Vielleicht ist es einfach Zufall?

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Onesimus  06.11.2022, 16:38
@Onesimus

Hier die Studie:

Långström, N., Rahman, Q., Carlström, E. et al. Genetic and Environmental Effects on Same-sex Sexual Behavior: A Population Study of Twins in Sweden. Arch Sex Behav39, 75–80 (2010).

Abstract bei Pubmed. Den Volltext hatte ich mal zu Gesicht bekommen, finde ihn aber gerade nicht mehr.

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Deine Frage hat schon ein Wiederspruch in sich:

Wissenschaftler sind sich heutzutage ja immer noch nicht 100% sicher, ob Sexualitäten, wie die Homosexualität rein angeboren ist.

..und nein, die Wissenschaft ist sich 100% sicher dass die Sexualität angeboren ist.
Das solltest du dir auch sein, was denn sonst?

Sexualität ist in erster Linie einfach mal ein Trieb Sex zu haben, konkret ein Fortpflanzungstrieb, sonst wäre die Menschheit längst ausgestorben.

Ich finde dein Experiment sehr interessant. Wenn es in einer Welt nur ein Geschlecht gäbe, dann gäbe es jedoch keine Möglichkeit ein bestimmtes Geschlecht zu bevorzugen. Ich glaube, dass sich das gesellschaftliche Geschlecht nicht aus dem biologischen entwickelt. Man gibt einem bestimmten Geschlecht den Vorzug. Dieser bezieht sich so oder so immer auch auf das eigene Geschlecht. Das heißt, im Grunde sind alle Menschen homosexuell, eine andere Sexualität gibt es nicht als die eigene. Man könnte nun behaupten, dass der Reiz, das andere Geschlecht zu begehren, angeboren ist oder die Veranlagung dafür in den Genen liegt, doch was genau würde dies aussagen, als dass es von dem Umstand ausginge, irgendeinem Geschlecht den Vorzug zu geben. Und man kann sogar in diesem Fall dem gleichen Geschlecht den Vorzug geben.

In einer Welt, in der alle dasselbe Geschlecht (biologisch) hätten, würde der Mensch ganz ebenso selbstverständlich homosexuell oder nicht homosexuell werden, da das gesellschaftliche Geschlecht eine soziale Konstruktion ist. Statt der Herrschaft einer binären Geschlechtsauffassung, läge dann eine Herrschaft des Gleichgeschlechtlichen vor.

Ich denke, die einzige Lösung ist, zu verstehen, dass die menschliche Sexualität zwar Präferenzen bildet, diese aber gesellschaftlich bestimmt sind durch soziale Konstruktion. Es gibt nur ein gesellschaftliches Geschlecht, das eigene, es kann sich sozial männlich oder weiblich entwickeln, doch diese Entwicklung ist weder frei, noch bestimmt, sie ist einfach individuell und nicht einer oder irgendwelchen Normen unterworfen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung