Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, dass SS-Männer angesichts ihrer Greueltaten in den Lagern an PTSB (post traumatic stress disorder) litten?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es gibt viele Berichte darüber.

Du musst wissen, dass die planvolle Ermordung der Juden in Vernichtungslagern durch Gaskammern nicht zuletzt deshalb eingeführt wurde um die psychischen Belastungen für die Täter zu reduzieren. Davor war das Morden Handarbeit, die Juden wurden in Massen in die Wälder geführt, wo sie die großen Massebgräber ausgeben mussten um dort mit Maschinengewehren oder dem Karabiner einzeln erschossen zu werden. Die Schützen bekamen große Alkoholrationen und waren tagelang betrunken. Trotzdem konnten viele ihre eigenen Taten nicht ertragen und reagierten sehr auffällig und verschieden. Einige wurden sogar für die SS zu sadistisch, andere aufrührerisch. Viele brachen zusammen, schließlich standen sie ihren Opfern Auge in Auge gegenüber. Es waren ja alle zu töten, nicht nur Männer und gleichaltrige, auch Frauen und ihre Kinder. Ein normaler Mensch, normal sozialisiert, ermordet keine Menschen, schon gar nicht so. Nicht einmal dann, wenn er politisch indoktriniert oder gar überzeugter Nazi. Viele wurden also krank, es gab auch Selbstmorde. Es ist ein komplexes Thema, dass etliche Philosophen, Psychologen und Forscher beschäftigt, wie wirklich ganz normale Männer zu Massenmörder werden. Dazu brauchten es keine (!) Nazis gewesen sein oder Judenhass empfinden. Das Hamburger Polizeibattalion 101, ältere Polizisten, Familienväter, hatte zigtausende Menschen ermordet und nur wenige entzogen sich dem Morden.

Dennoch waren für die SS-Führung die "Ausfälle" genauso ein Problem, wie die niedrige Moral und Disziplin der Täter. Daher brauchte es in ihren Augen bessere, effektivere aber vor allem unpersönlichere Mordmethoden.

Denn auch bei Soldaten ist bekannt: das Töten fällt erheblich leichter, wenn die Opfer dabei nicht zu sehen sind. Während amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg nur etwa zu 30% überhaupt schossen (wohlgemerkt in Kampfhandlungen), warfen 100% Bomben auf deutsche Städte. Die Tötungshemmung, über die jeder normal sozialisierter Mensch verfügt, sinkt eben mit dem Abstand zum Opfer. Zudem konnte sich jeder Beteiligter als ein nur kleines Rädchen im Getriebe führen. "Es ändert ja nichts, ob ich nun die Juden in den Raum treibe oder nicht." Eigene Handlungen kann man so moralisch bagatellisieren.

Durch das geplante und viel normiertere Ermordung mit gleichen Abläufen und Routinen, die Einbindung von jüdischen Häftlingen bei den besonders grauenhaften Arbeiten (Sonderkommando - Räumung und Verbrennung der Getöteten) und dem System an sich, blieben für die SS die Ausfälle und dergleichen im sehr überschaubaren Rahmen. Zwar gab es dennoch immer wieder welche, die sich lieber zur Front meldeten, aber allgemein funktionierte das System schrecklich gut.

du solltest noch wissen, dass es nicht bekannt ist, dass je ein SS-Mann verurteilt oder bestraft wurde, wenn dieser sich dem Morden verweigert hatte und das kam auch durchaus vor.

schelm1  26.04.2024, 12:57
 Die Tötungshemmung, über die jeder normal sozialisierter Mensch verfügt, sinkt eben mit dem Abstand zum Opfer. Zudem konnte sich jeder Beteiligter als ein nur kleines Rädchen im Getriebe führen. 

Vom Ballerspielschützen im Privaten Haushalt zum offiziell Dienstverpflichteten Homeoffice-Drohnen-Killer als feiger Mörder fernab des Geschehens.

Scheint Trend zu werden; dabei wolle ich das meinem Enkel gerade untersagen.

Aber die USA lassen grüßen:

Die US-Regierung dürfte bei ihren Drohneneinsätzen in den vergangenen Jahren entgegen eigenen Darstellungen von Präzisionsschlägen bewusst Tausende zivile Opfer in Kauf genommen haben, berichtet die New York Times. Die Zeitung beruft sich auf über 1.300 vertrauliche Regierungsdokumente über zivile Opfer, darunter zahlreiche Kinder. In nur wenigen Fällen seien die militärischen Einschätzungen dazu öffentlich gemacht worden, heißt es in den Civilian Casualty Files.
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Dass abgerichtete Mörder einen Dachschaden haben, ist sicher unbestritten. Aber man hätte sich mehr um die überlebenden Opfer kümmern müssen, die traumatisiert waren.

Viel SS-Mörder waren nach dem Krieg wieder in Amt und Würden.

https://www.sueddeutsche.de/politik/holocaust-ss-himmler-verbrecher-nazi-1.4351786

Eisenkrieger  26.04.2024, 07:13

Das ist sicher schön moralisch aber trifft nicht ansatzweise die Realität. Soziale wissenschaftliche Experimente und die Erfahrungen zeigen, dass die wenigsten Beteiligten eine psychische Störung hatten. Es brauchten nicht einmal Nazis gewesen zu sein und es war auch nicht der Hass, welche normale Menschen zu Mördern machte.

Ich empfehle fie Verfilmung mit Moritz Bleibtreu.. "das Experiment". Der Film nimmt Bezug zum berühmten Philadelphiaexperiment.

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Nofear20  26.04.2024, 07:31
@Eisenkrieger

Das war die erschreckende Erkenntnis nach dem 2. Weltkrieg, dass auch der normale Durchschnittsbürger zum Täter werden konnte, wie das berühmte Milgram-Experiment zeigte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment

Trotzdem würde ich nochmal differenzieren zwischen "normalen" Soldaten und den abgerichteten Kampfhunden der SS.

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Eisenkrieger  26.04.2024, 10:25
@Nofear20

Du hast absolut recht! Aber mit deinem jetzigen Kommentar bestätigst du im Prinzip meine Aussage, die ich in Meiner Antwort auch ausführlicher behandelt hatte. Es waren eben normale Menschen, keine Gestörten.

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Nofear20  26.04.2024, 10:28
@Eisenkrieger

Na ja, bei SS, Gestapo und Konsorten waren schon viele Gestörte dabei. Anders sind die grausamen Brutalitäten nicht zu erklären.

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Eisenkrieger  26.04.2024, 11:52
@Nofear20

Das hat nichts mit "gestörten" zu tun .. .nochmal - es sind normale Menschen, siehe das Polizeibatallion 101

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Nofear20  26.04.2024, 12:00
@Eisenkrieger

Spontan fällt mir da Blösche ein, der ein ekelhafter Sadist war. Sicher gab es auch viele, die "nur" Befehle ausgeführt haben. Aber es gab auch viele, die von sich aus mehr gemacht haben, als man von ihnen erwartet hat und sich durch besondere Grausamkeiten hervortaten.

Selbst ein Eichmann hat sich nur als Befehlsempfänger verkaufen wollen, als kleines Rädchen im Getriebe des Nationalsozialismus. Als normal kann man solche Leute nicht bezeichnen.

Was das Milgram Experiment gezeigt hat, war, dass man auch an sich harmlose Durchschnittsbürger und Familienväter in einem entsprechenden Umfeld zu grausamen Verbrechen verleiten konnte.

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Die "SS" war eine Eliteeinheit und deren Soldaten besonders überzeugte Anhänger des Nationalsozialismus.

Demnach haben diese den Nationalsozialismus auch besonders überzeugt und grausam vertreten.

Den Ausdruck oder die Diagnose PTBS gab es damals nicht.

Ich denke PTBS wie wir sie heute kennen ist zu vergleichen mit der damaligen Kriegneurose. Diese war jedoch nur bei Soldaten bekannt die von der Front heimgekehrt sind.

Ein SS-Mann in einem Internierungslager wird sowas nicht gehabt haben.

Die SS war wirklich grausam. Vielleicht mag es vereinzelt Personen gegeben haben die ihre Taten nach dem Krieg bereut haben, wobei das die allerwenigsten gewesen sein dürften.

Über Soldaten allgemein hat man zum min genug Daten das man sagen kann Menschen zum Krieg zu zwingen oder zum töten oder sonstwie dazu zu bringen macht sie behämmert irgendwann.