Chiral oder achiral?

3 Antworten

  • Das erste Molekül ist ein Bromchlorfluoriodmethan. Es ist chiral, weil es offen­sicht­lich überhaupt keine Symmetrie hat — alle Atome sind verschieden, also kann man nichts auf irgendetwas anderes abbilden, und daher gibt es kein Symmetrielement jenseits der Identität.
  • Dein zweiter Vogel ist meso-2,3-Dibrombutan. Es ist achiral, auch wenn das nicht ganz leicht zu sehen ist. Wenn man ein Auge dafür hat, sieht man sofort die Punkt­spieglung am Mittelpunkt der zentralen CC-Bindung. Wenn man kein Auge dafür hat, dann dreht man das Molekül um 180° (jede Achse ist erlaubt) und spiegelt an­schließend an einer Ebene senkrecht zur Drehachse. In jedem Fall wird das Mole­kül auf sich selbst abgebildet, also kann es nicht chiral sein, den beiden asymmetrischen C-Atomen zum Trotz.
  • Dein nächster Vogel ist 2-Amino-2-chlorpropan. Es hat eine Spiegelebene, die durch das zentrale C, das N und das Cl geht, und ist daher achiral.
  • Dann haben wir noch den letzten Vogel, Chlormethanthiol. Auch dieses Molekül ist achiral, weil es eine Spiegelebene hat — ganz analog zum vorangehenden Fall geht sie durch die Atome S,C,Cl.

Du könntest jetzt folgenden Einwand haben: Ob die Moleküle wirklich chiral sind, hängt doch auch von der Konformation ab. Wenn Du z.B. im Chlormethanthiol das H-Atom der SH-Gruppe um die C–S-Bindung rotieren läßt, dann stellst Du fest, daß fast alle möglichen Positionen des H in einer chiralen Struktur resultieren, nur 2 mögliche Diederwinkel (die beiden Stellungen anti und syn zum Chlor) sind achiral. Im Prinzip ist das ein richtiger Einwand, aber in der Praxis spielt er meist keine Rolle: Im realen Molekül sind die Atome ständig in Bewegung, und daher treten in einer Stoffprobe alle möglichen Diederwinkel Cl–C–S–H gleichzeitig auf, und daher mittelt sich die Chirali­tät aller dieser Strukturen aus.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

Chirale Moleküle zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Drehspiegelachse aufweisen. D.h. wenn man das gesamte Molekül um eine Achse rotiert, anschließend spiegelt und sich das Molekül auf diese Weise wieder auf sich selbst abbilden lässt, liegt keine Chiralität vor.

Streng genommen ist die oben rechts gezeichnete Struktur chiral, weil sie keine Drehspiegelachse aufweist, aber nur wenn sie in dieser Konformation "eingefroren" wäre. Tatsächlich lassen sich die Atome um die C²-C³-Einfachbindung rotieren und das Molekül kann somit auch in einer Konformation auftreten, die eine Drehspiegelachse als Symmetrieelement aufweist. Das Molekül ist daher achiral!

Bei dem Molekül in der oben rechts dargestellten Konformation kann man sich vorstellen, dass man zunächst eine Hälfte des Moleküls um die C²-C³-Einfachbindung um 180° rotiert. Nun liegen Br¹, C², C³ und Br² in der Papierebene. Man rotiert nun das gesamte Molekül um 180° um eine gedachte Drehachse, die in der Papierebene liegt und dabei die C²-C³-Bindung senkrecht schneidet. Anschließend spiegelt man das gesamte Molekül über eine Spiegelebene, die senkrecht zur Papierebene steht, wobei die vorherige Drehachse genau auf der Schnittgeraden zwischen Spiegel- und Papierebene liegt. Insgesamt werden durch diese Drehspiegelung alle Atome wieder auf sich selbst abgebildet. Damit liegt keine Chiralität vor.

Ein Sonderfall würde übrigens vorliegen, wenn die Rotation um die C²-C³-Einfachbindung, die wir vorhin angenommen haben, nicht stattfinden könnte. Z. B. wenn das Molekül sehr sperrige Reste aufweisen würde. Dann wäre das Molekül in der gezeichneten Konformation "gefangen" und ein Spezialfall von Chiralität, Atropisomerie, würde vorliegen (hier aber nicht der Fall, weil die verschiedenen Konformere leicht ineinander übergehen können).

Das Molekül oben rechts ist achiral, weil es die meso Form ist. Beide KohlenstoffAtome sind genau spiegelbildlich substituiert.


Elias6354  20.03.2025, 23:00

Man kann dazu noch sagen, dass das eine Stereozentrum rechtsdrehend und das andere Stereozentrum linksdrehend ist (wie du sagtest Meso-Form). Das führt zu einem optisch inaktiven und damit achiralen Produkt.

pchem  21.03.2025, 01:20
@Elias6354

"Links-" und "rechtsdrehend" bezieht sich auf die Richtung, in welche eine Substanz die Polarisationsebene von linear polarisierten Licht dreht. Das sind Angaben zu einer experimentell ermittelten physikalischen Eigenschaft der Substanz. Die einzelnen Stereozentren bezeichnet man mit (R)- oder (S)-Deskriptoren.