Bin ich wirklich zeitlebens für das verantwortlich, was ich mir vertraut gemacht habe?

40 Antworten

Ich halte die Aussage als eine allgemeine, nicht eingeschänkte oder auf einen bestimmten Zusammenhang oder Bereich begrenzte Aussage für zu weitgehend.

Sich mit jemandem/etwas vertraut gemacht zu haben bedeutet, jemand/etwas gut kennengelernt zu haben/eine gute Bekanntheit/Kenntnis herbeigeführt zu haben/ein inniges Verhältnis geschaffen zu haben/eine enge Freundschaft erreicht zu haben. Das Wort „Vertrauen“ steckt in dem Ausdruck. Wer vertraut, hat die Überzeugung, sich auf etwas/jemanden verlassen zu können. Der Vorgang des Sich-Vertraut-Machens ist eine Hinwendung und Annäherung und kann das Entwickeln von Zuneigung darstellen.

Verantwortlich sein heißt Verantwortung tragen. In dem Wort steckt, auf eine Frage zu antworten. Dabei tritt die Anforderung auf, Rechenschaft geben (Gesichtspunkt der Rechtfertigung) und damit bestehen zu können (rechtlich oder nach einem ethischen Maßstab).

Verantwortung ist ein Relationsbegriff (Beziehungsbegriff). In dem Begriff liegen Verweisungen:

a) jemand ist verantwortlich (Subjekt, Träger der Verantwortung)

b) für etwas (Objekt) besteht Verantwortung, nämlich für die eigenen Handlungen (sowohl Tun als auch Unterlassen, soweit auf einer Entscheidung beruhend), in Bezug auf Personen wie auch auf Sachen

c) gegenüber etwas (einer Instanz) besteht Verantwortung

Bei Verantwortung geht es um eine Zurechnung. Verantwortung kann ich nur für etwas übernehmen, das mir zurechenbar ist. Verantwortung setzt im Grunde Willensfreiheit voraus.

Verantwortlichkeit besteht nur für etwas, das Personen beeinflussen können, nicht für etwas, das nicht in ihrer Verfügungsmacht steht. Inwieweit jemand verantwortlich ist, hängt auch von den Fähigkeiten ab.

Etwas, mit dem sich jemand vertraut gemacht hat, ist nicht unbedingt etwas, bei dem eine Beeinflussungsmöglichkeit vorhanden ist (mit Gesetzmäßigkeiten von Naturkräften, logischen Gesetzen oder geschichtlichen Ereignissen vor der eigenen Lebenszeit können Menschen sich z. B. mehr oder weniger gut bekannt machen, aber sie nicht abändern).

Die weitere Anforderung, zeitlebens Verantwortung zu tragen, kann auch nicht uneingeschränkt gelten. Zutreffend kann eine Verantwortlichkeit nur sein, insoweit das eigene Handeln Auswirkungen hat und dies etwas betrifft, bei dem es gut und schlecht, etwas das sein soll, und etwas, das nicht sein soll, gibt. Manche Aufgaben werden nur für bestimmte Zeit übernommen, Verträge und Zuständigkeiten können befristet sein. Beispielsweise ist ein Amtsinhaber für die eigene Führung der Amtsgeschäfte (mit denen er sich – hoffentlich – vertraut gemacht hat) verantwortlich, nicht für die Führung der Amtsgeschäfte durch einen Nachfolger (außer wie auch andere Personen unter bestimmten Umständen für ein Geschehenlassen).

Wenn ein Bezug auf die eigene Innnenwelt hergestellt wird, können in ihr auch Veränderungen geschehen. Bei dem, was nicht bleibt, kann nur für die Vergangenheit und Auswirkungen in ihr liegender Handlungen Verantwortlichkeit bestehen. Denken kann zu Handlungen in einem weiten Sinn gezählt werden und für sich aus dem eigenen Denken ergebende Einstellungen und Gefühle kann Verantwortlichkeit geltend gemacht weden, insofern sie gegenwärtig gehegt werden.

Bei Beziehungen/Freundschaften sind Aufmerksamkeit, Pflege, Behutsamkeit wünschenswert, sowohl für ein gutes und angenehmes Miteinander als auch für ein dauerhaftes Bestehen. Bei der Verwendung des Zitats kann möglicherweise eine Stellungnahme gegen die Mentalität einer „Wegwerfgesellschaft“ vorliegen, bei der ein Mangel an Liebe und fehlende Achtung vor Werten auch persönliche Beziehungen beeinträchtigen.

Allerdings können gerechtfertigte Gründe, Nahverhältnisse zu beenden, nicht absolut ausgeschlossen werden.

Die zur Frage gestellte Übernahme von Verantwortung für andere Menschen scheint mir auf einen anderen Begriff hinauszulaufen, den einer Pflicht zur totalen Sorge für das Dasein/das Wohlergehen von anderen, obwohl diese mündig sind. Verantwortung ist dabei in die Zukunft gewendet.

Ich stimme dem Standpunkt zu, nach dem Menschen im Kern für sich und ihr Leben verantwortlich sind. Personen sind Subjekte mit einem eigenen Willen und Fähigkeiten. Gegenseitige Fürsorge, Unterstützung, Ratschläge und Anregungen sind möglich, aber die Sorge um sich selbst ist eine eigene Aufgabe. Das Ich ist in einer Person auf eine Weise, wie sie anderen Menschen nicht erreichbar ist.

Es kann eine Fürsorgeverantwortung (in einem unterschiedlich großen Ausmaß) geben, wenn andere auf einen angewiesen sind, weil sie nicht ohne eine solche Fürsorge auskommen. Bei erwachsenen Menschen ist dies ein Ausnahmefall (wenn körperliche oder geistige Fähigkeiten für eine eigenständige Gestaltung des Lebens nicht ausreichen).

teddybaeruj 
Fragesteller
 14.11.2010, 10:43

Lieber Albrecht, das ist ausführlich, fundiert, geistreicht und hilfreich.

Und dafür danke ich dir sehr.

0

Verantwortung heisst auch Hege und Pflege, jede Beziehung muss gepflegt werden wie eine zarte Pflanze. Für Kinder bist Du verantwortlich. Für Deine Tiere und für jedes was Du Dir vertraut gemacht hast bist Du zeitlebens verantwortlich.

Denk mal drüber nach. In dem wunderschönen Buch von Antoine de Saint-Exupery steht viel viel Wahres!

teddybaeruj 
Fragesteller
 28.11.2010, 13:40

Es ging in meiner Frage ausdrücklich nicht um Kinder, sondern ausschließlich um Erwachsene.

Trotzdem vielen Dank für die Antwort.

0

Grundsätzlich ist schon jeder für sein Leben verantwortlich. Aber in einer Gemeinschaft können sich Situationen ergeben, wo einer die Verantwortung für den anderen übernehmen muss. Z.B. bei Krankheit, schwerer Verletzung durch Unfall u.ä.

Für mich ist es oft nicht nachzuvollziehen, dass Menschen ihren Partner verlassen, wenn dieser plötzlich durch ein körperliches Gebrechen eine Veränderung erfahren hat.

teddybaeruj 
Fragesteller
 13.11.2010, 17:24

Klare Antwort, tolle Ansicht. Danke.

0

Da hast du dir mal wieder eine tiefgreifende Frage ausgesucht, mein Lieber, die nicht einfach zu beantworten ist.

-

Man könnte jetzt sagen, jeder ist für sich selbst verantwortlich, was in gewissem Sinne auch stimmt. Keiner kann sich für das Tun eines anderen verantwortlich machen lassen, wenn derjenige im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist.

-

Wenn es um Haustiere und Kinder geht, ist ganz klar, dass wir für sie verantwortlich sind.

-

Ich denke aber, dir geht es mehr um die partnerschaftliche Beziehung. Es wurde ja auch schon erwähnt, dass dieser Spruch oft bei Hochzeiten benutzt wird.

Ich gebe zu bedenken, dass Antoine de Saint-Exupery diesen Satz zu einer Zeit geschrieben hat, als die Frau noch mehr in der (finanziellen) Abhängigkeit des Mannes gestanden hat wie heute.

Allerdings würde ich das für heute so interpretieren, dass man, wenn man "sich vertraut" gemacht hat, also sich ganz auf einen Partner eingelassen hat, auch insoweit für ihn verantwortlich ist, dass man nicht bei jeder Kleinigkeit (Krankheit schon gar nicht) auseinanderläuft.

Dass man also zueinander hält und dass man dafür verantwortlich ist, wie sich die Beziehung gestaltet und dass man sich auch gegenseitig vertrauen (können) sollte.

.

Ich finde, dass es sich viele (selbstverständlich nicht alle) zu einfach machen und sich zu schnell bei Schwierigkeiten scheiden lassen.

-

Allerdings: Wenn es einfach nicht mehr geht, dann ist ein schneller, gerader Schnitt sicher das Beste. Das muss man von Fall zu Fall entscheiden.

teddybaeruj 
Fragesteller
 13.11.2010, 22:33

Du hast Recht: Ich meine ausdrücklich erwachsene Menschen in Beziehungen, sowohl Liebe, wie auch Freundschaft oder Bekanntschaft.

Ich habe in letzter Zeit mit sehr vielen Menschen gesprochen, die sich für ihre Partner oder Freunde verantwortlich fühlen.

Notwendige Entscheidungen können zu Freude oder Tränen führen, aber können wir deshalb den Entscheider dafür verantwortlich machen. Ist jemand dafür verantwortlich, wenn ich mich freue oder wenn ich leide?

Es mag sein, dass ein Partner oder Freund die Ursache für Lachen oder Weinen ist, aber ich glaube einfach nicht (mehr!), dass jemand anders dafür verantwortlich ist, als ich selbst, der ich in derselben Situation bin und mich in Freiheit für diese Beziehung entschieden habe.

Das scheint aber sehr schwer zu verstehen zu sein.

0
Lilly2643  14.11.2010, 00:40
@teddybaeruj

Hab mir jetzt nochmal deine Frage und deine Kommentar durchgelesen.

Ich glaube, das wir (ich eingeschlossen) oft den Fehler machen, zu viel zu Grübeln, wie etwas bei dem anderen ankommt, was sich der andere dabei denkt, wenn ich etwas bestimmtes tue oder sage.

Aber ich bin wohl nicht dafür verantwortlich, wie der andere es versteht. Wenn der anders reagiert, wie ich mir vorgestellt habe, kann ich nichts dafür.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich bei deiner Frage jetzt auf dem richtigen Weg bin.

.

Ich glaube auch, dass man eine solche Frage in einem persönlichen Gespräch besser erörtern könnte. Dabei kann man ganz anders und ohne mögliche Missverständnisse auf den Geprächspartner eingehen. Ich hoffe, wir können dir hier trotzdem helfen.

.

Ach, wenn Marion doch hier wäre. Die kann mit solchen Fragen immer wunderbar umgehen.

0
icke01  15.11.2010, 10:21
@Lilly2643

@ Lilly
Aber ich bin wohl nicht dafür verantwortlich, wie der andere es versteht. Wenn der anders reagiert, wie ich mir vorgestellt habe, kann ich nichts dafür.
Dem stimme ich nur bedingt zu. Man sollte sich schon bemühen richtig verstanden zu werden und deutlich machen, wie man etwas meint. Das ist doch im eigenen Interesse. Selbstverständlich kann ich Reaktionen nicht immer vorausahnen. Aber ich kann mich vergewissern, dass es richtig ankommt, nachsetzen im Zweifelsfall und nochmal erklären. Bei Wichtigem können Missverständnisse üble Folgen haben, und das kann doch keiner wollen.

0
Lilly2643  15.11.2010, 19:06
@icke01

Da hast du sicherlich Recht. Gleichwohl sollte sich auch der Gesprächspartner Gedanken machen, wie etwas gemeint ist und nicht evtl. von vornherein einfach beleidigt sein. Auch der Gesprächspartner kann nachfragen, wie etwas gemeint ist.

0

Verantwortung im Handeln und Tun des anderen Menschen kann man nicht übernehmen..nein nein, das geht einfach nicht!!

Jeder erwachsene Mensch sollte dafür eigenständig verantwortlich sein und ich könnte auch niemals einen anderen Menschen für meine Handlungsweise verantwortlich machen.. tu es auch nicht.

Ich kann mir Rat und Hilfe bei Freunden holen, muß aber trotzallem dann selbst entscheiden, was aus Ratschlägen für mich dann anwendbar ist und sollte ich trotzdem verkehrt entschieden haben.. ist es sicher nicht auf den Ratgebenden abzuwälzen.

Stecke momentan tatsächlich selbst in einer schwierigen Phase und würde mich hüten andere für eine, im nachhinein verkehrte Entscheidung die ich getroffen habe, verantwortlich zu machen.

teddybaeruj 
Fragesteller
 13.11.2010, 12:22

Liebe amdros, ich danke dir für deine Antwort und wünsche dir von Herzen gute Entscheidungen.

1