Authentisch Berlinern als Wessi und lohnt es sich denn?
Moin Leute,
wie ihr anhand der Frage schon ablesen könnt, frage ich mich, ob ich als Berliner aus dem Westen authentisch Berlinern könnte.
Zu mir: Ich bin schlicht und einfach nur ein Wessi mit Migrationshintergrund. Ich finde Dialekte ganz toll und bin der Meinung, dass sie uns mit der Heimat/Kultur verbinden, weshalb ich mich mit meinem regionalen Dialekt auseinandergesetzt habe. Meine ausländischen Wurzeln möchte ich nicht vernachlässigen! Ich bin stolz auf sie. Jedoch vertrete ich sicherlich die Meinung vieler, wenn ich sage, dass deutsche mit Wurzeln ab und zu mal mit ihrer Identität zu kämpfen haben. Ich habe lange nach meiner Antwort gesucht und gebe mich damit zufrieden, 2 Herzen in mir zu tragen (3 um genauer zu sein, ich bin nämlich gemischt 🙂).
Nun zum eigentlichen Thema:
Berliner Schnauze erlernen
An sich bin ich ja mit dem Wortschatz und der Grammatik vertraut. Ich bin damit auf jeden Fall auch aufgewachsen, da man hier trotz Westen immer noch Ur-Berliner in der Stadt hat(Bäcker, Busfahrer etc.). Also dachte ich mir, dass ja vielleicht die Chance besteht, dass ich es vernünftig praktizieren und anwenden könnte. Jetzt stellte man mir aber vor kurzem die Frage, wieso eigentlich? Verglichen zu anderen Dialekten die ja für Außenstehende kaum zu verstehen sind und somit fast wie eine eigene Sprache wirken, ist die Berliner Schnauze ja eher nur eine Art Hochdeutsch mit Plattdeutschen Elementen und trotzdem für Hochdeutschsprecher zu verstehen. Somit hat es also Objektiv gesehen keinen logischen Nutzen. Für viele Personen aus meinem Umfeld also ein Grund, weshalb es nicht viel Sinn ergeben würde. Ich persönlich verbinde damit meine Heimat und würde dieser gerne damit etwas näher kommen. In Bayern ist bayrisch zu erlernen sicherlich sinnvoller als in Berlin Berlinerisch, was ich wie oben erklärt auch total verstehen kann. Des Weiteren würde mich interessieren, was denn denen von euch die echt Berlinern, eigentlich davon halten? Wirkt es unsympathisch und unauthentisch(Fake)? Ich habe schon Sprüche zu hören bekommen wie "Du erschaffst dir dadurch doch nur eine falsche Identität" Was haltet ihr eigentlich zu dem ganzen? Einfach mal austoben, ich lese es mir echt gerne durch.
2 Antworten
Berlinern = Hochdeutsch mit plattdeutschen Elementen? Ne, das nun wirklich nicht! Aber egal.
Nein, ich halte nicht viel davon, wenn du versuchst, dir die Berliner Art zu reden anzueignen. So 'was muss "janß von alleene" kommen, richtig von innen, sonst ist das doch nicht authentisch. Klar, du kannst Schrippen kaufen gehen oder Hackfleisch für Buletten, denn die einfachen Brötchen heißen in Berlin nun mal so und Frikadellen sind Buletten. Aber sag' nicht, wenn du nach Hause kommst: „Ick wa ma ehmt Buletten koofen.”
Also, versuch nicht auf Krampf zu berlinern, nur weil du in Berlin lebst. Wenn sich nach und nach einige Berliner Begriffe bei dir einschleichen, wenn aus 'nem Pfannkuchen irgendwann ein Eierkuchen wird, damit es mit Berlinern (hier: Personen!) nicht zu Missverständnissen kommt, wenn vielleicht ab und zu bei dir "wat" und "dit/det" zu hören ist, dann ist das ok. Aber wenn plötzlich die "Elf" zur "Ölf" mutiert, dann wirkt das aus deinem Mund vermutlich eher komisch als echt.
Ich verstehe nicht wieso die eigene regionale Mundart immer noch so stigmatisiert wird
Findest du das? Ich denke, das ist in den letzten Jahrzehnten viel besser geworden - so eine Art "Revival" der Dialekte. In meiner Heimatregion, wo auf dem Land Platt (= kein Dialekt!) gesprochen wird, ist auf den Behörden neben Deutsch auch Plattdeutsch Amtssprache. Natürlich verlangt man von Zugezogenen, die auf den Ämtern arbeiten, nicht, dass sie Plattdeutsch lernen, aber es gibt in allen Bereichen Mitarbeiter, an die sich diejenigen Bürger wenden können, die auf Platt kommunizieren möchten. In der Region, in der ich den größten Teil meines Lebens zu Hause war, wird fleißig Badisch gschwätzt (großräumig Alemannisch). In Öhringen oder Heitersheim auf dem Markt schwäbelt's, die Köllner tun sich keinen Zwang an und Bairisch hörst du nicht nur im Biergarten. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass sich die Leute ihres Dialekts schämen.
Übrigens, ich habe auch mein Leben lang "fümf" gesagt, obwohl ich nicht aus Berlin stamme. Ich denke, das tun 50 % der dt. Bevökerung.
Gerne. Ein "Revival" wäre super. Ich denke mal das mit der "Fümf" ist typisch faule Zunge 👅
Ist aber ganz normal. Du liest schließlich keinen Text für ein Diktat vor und bist kein Schauspieler im (antiken) Theater. Du sagst ja auch nicht "siebenundzwanzig", sondern verschleifst das zu "siemunzwanzig". Das muss auch ein Deutschlerner üben, wenn er nicht sofort als Ausländer erkannt werden will.
Ich halte von der Idee nicht viel. Nachträglich "erlerntes" Berlinerisch klingt immer etwas falsch. Besonders in TV-Serien und Filmen wirds meist falsch gemacht. Wenn nicht echte Berliner Schauspieler wie Günther Pfitzmann dabei sind, ist es meist murks.
Aber tu dir keenen Zwang an und versuchet. Mehr als schief jehn kannet ja nich. Ick gloobe aba nicht, dett eener ausm Westen und denn ooch noch mit Migrationshintergrund glaubwürdig berlinern werden kann. Mein Tipp: Wenijer is mehr.
Den Teil mit dem Westen kann ich total nachvollziehen. Was genau hat aber mein Migrationshintergrund damit zu tun? Es gibt ganz viele Ossis mit Migrationshintergrund. Berlinern tun sie alle.
Nö. Pauschalisieren sollteste ooch als Berliner nich. Und ick hab ja keene Ahnung, woherde migriert bist. Et jibbt Leute mit viel Sprachtalent und -jefühl und welche mit wenich.
Du hast recht, ich habe an dieser Stelle ganz klar pauschalisiert. Nehme ich zurück. Du schriebst nur an einer Stelle "und denn ooch noch mit Migrationshintergrund glaubwürdig berlinern werden kann.". Klingt so als ob du damit aussagen wollen würdest, dass meine Genetik mir im Weg stehen würde.
Das hat nichts mit Genetik, sondern mit Sprachkompetenz zu tun.
Bist nicht auf meine Frage eingegangen, aber alles gut. Deinen Tipp "Weniger ist mehr" werde ich mir zu Herzen nehmen, das klingt gut. Danke.
Erstmal vielen Dank für deine Antwort.
Bei meinen Recherchen hat sich herausgestellt, dass ich einige Berliner Begriffe wohl im Alltag verwende, von denen ich garnicht wusste, dass sie überhaupt zum Berliner Wortschatz gehören. Hammwa statt haben wir, wa statt wir, se statt sie und fümf statt fünf. Tatsächlich klingt meine Elf auch eher nach einer Ölf. Ich dachte eher immer, dass es zum Jugendslang gehören würde. Ich bin auf jeden Fall derselben Meinung, dass solange sowas nicht von alleine kommt, es nicht authentisch wäre und das wäre alles andere als typisch für einen Berliner. Ich muss es wohl oder Übel so hinnehmen, dass ich von klein auf nicht damit großgeworden bin, was ziemlich schade ist. Ich verstehe nicht wieso die eigene regionale Mundart immer noch so stigmatisiert wird. Für mich stellt sie ganz klar die Verbindung zur Heimat und Kultur dar.