Atommüll?

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Grundsätzlich geht das. Ich bezweifle allerdings, daß irgendetwas davon praxisrele­vant ist — Nanostrukturen können kaum mehr erreichen als chemische Bindung, sie verändern nämlich die energetische Lage von Valenzorbitalen, und die hat nur bei ex­trem leichten Elementen eine meßbare Auswirkung auf die Halb­wertsz­eit. Ich kopiere eine alte Antwort von mir:

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Manche leichte Atome zeigen β⁺-Zerfall: Darunter versteht man, daß sich ein Proton im Kern in ein Neutron verwandelt, und die positive Ladung als Positron abgestrahlt wird (zusätzlich entsteht noch ein Elektron-Neutrino). Das Positron zerstrahlt mit ei­nem Elek­tron aus der Umgebung:

p⁺ ⟶ n + e⁺ + νₑ

e⁺ + e⁻ ⟶ 2 γ

Wenn man diese beiden Prozesse zu einem zusammenfaßt, dann heißt er Elektro­nen­einfang:

p⁺ + e⁻ ⟶ n + νₑ

Die Zerfallswahrscheinlichkeit des Protons im Kern (also die Halbwertszeit des β⁺-Pro­zes­ses) kann man nicht wirklich beein­flus­sen, weil sie von der inneren Wechsel­wir­kung aller Kernbestandteile abhängt; aber das eingefangene Elektron in der zwei­ten Va­ri­an­te kommt ja aus der Elektronenhülle, und da läßt sich chemisch durchaus etwas erreichen. Ein Beispiel ist ⁷Be:

⁷Be ⟶ ⁷Li + νₑ

Dieses Isotop zerfällt durch Elektroneneinfang aus dem 1s- oder 2s-Orbital, die Halb­werts­zeit beträgt ungefähr 53 Tage. Aber je nachdem, ob das Beryllium als Element oder als Verbindung vorliegt, beobachtet man eine leicht unterschiedliche Halb­werts­zeit (≈1%), weil die Elektronenhüllen eben von der chemischen Bindung beeinflußt wer­den.

Das war jetzt relativ wenig spektakulär, aber jetzt kommt der wesentlich weniger be­kann­te Hammer: Einen vergleichbaren Effekt gibt es auch beim β⁻-Zerfall, nur daß er wesentlich größer ist. Aber auch viel schwerer zu realisieren.

n ⟶ p⁺ + e⁻ + ν̄ₑ

Beim β⁻-Zerfall entstehen ja aus einem Neutron ein Proton, ein Elektron und ein Anti­neu­tri­no. Das Elektron fliegt gewöhnlich einfach weg, aber was ist, wenn es in der Elektronenhülle des Atoms gebunden bleiben kann? Das würde den ganzen Prozeß erleichtern, weil ihm die Bindungsenergie des Elektrons an den Kern zur Verfügung steht.

Die kinetische Energie, die das Elektron beim β⁻-Zerfall mitbekommt, ist typischer­wei­se mindestens Tausende Male größer als die Bindungsenergie eines Valenzelek­trons, al­so spielt das keine Rolle. Aber das sieht sofort anders aus, wenn man tiefer­lie­gen­de Or­bi­ta­le be­trach­tet, denn deren Bindungsenergie wird bei schweren Elemen­ten ge­wal­tig groß und kommt in den Bereich der Gesamtenergie des β⁻-Zerfalls. Stellt man dem β⁻-Pro­zeß diese Zusatzenergie zur Verfügung, dann kann er sich ex­trem be­schleu­­ni­gen.

Normalerweise sind diese tief­liegenden Orbitale natürlich besetzt, so daß kein weite­res Elektron dort Platz hat. Aber man kann (durch einfaches Erhitzen) ein Atom sein­er Elek­tro­nen berauben (Ionisierung). Wenn man genug erhitzt, dann gehen alle Elek­tro­nen weg, und man bekommt die nackten Atomkerne. Chemiker sind es ja ge­wöhnt, die Ionen­ladung rechts an das Element dranzuschreiben, z.B. Fe²⁺ (ein Eisen­atom, dem zwei Elektronen fehlen; es hat also nur noch 24). Experimentell ist es aber kein großes Pro­blem, Fe²⁴⁺ herzustellen (ein Eisenatom mit nur noch zwei Elek­tro­nen) oder so­gar Fe²⁶⁺ (ein Eisen­atom ganz ohne Elektronen, also ein nackter Eisen-​Kern). Sol­che Teil­chen kom­men auch in der Natur vor, z.B. im Inneren von Sternen (dort ist es ja schön warm).

Sehen wir uns das Isotop ¹⁸⁷Re an. Das hat 75 Protonen und 112 Neutronen. Es zer­fällt nach

¹⁸⁷Re ⟶ ¹⁸⁷Os + e⁻ + ν̄ₑ

und zwar mit einer Halbwertszeit von satten 41 Milliarden Jahren — das meiste, das ir­gend­wann im Universum entstanden ist, hatte also bis jetzt gar keine Gelegenheit zum Zer­fall. Das ändert sich aber dramatisch, wenn wir das Atom vollständig ioni­sie­ren: Dann wird das Elektron nicht abgestrahlt, sondern landet im 1s-Orbital:

¹⁸⁷Re⁷⁵⁺ ⟶ ¹⁸⁷Os⁷⁵⁺ + ν̄ₑ

(Os hat 76 Protonen, daher hat Os⁷⁵⁺ genau ein Elektron in der Hülle), und die Halb­werts­zeit sinkt auf spektakuläre 33 Jahre. Der Effekt ist also gewaltig.

Noch spektakulärer schlägt derselbe Effekt beim ¹⁶³Dy zu: Dieses Isotop ist stabil ge­gen­über β⁻-Zerfall zu ¹⁶³Ho, weil der Zerfall Energie verbrauchen und nicht frei­setzen würde:

¹⁶³Dy —×⟶ ¹⁶³Ho + e⁻ + ν̄ₑ

aber der Energieverbrauch ist relativ gering. Wenn das gebildete Elektron im 1s- oder 2s-Orbital des Holmiums Platz findet, setzt der Prozeß insgesamt Energie frei. Wenn man das ¹⁶³Dy also vollständig ionisiert, dann wird es also plötzlich radioaktiv und zer­fällt mit einigermaßen kurzer Halbwertszeit (47 Tage) zu ¹⁶³Ho.

Zuletzt gibt es auch noch die GSI-Anomalie, von der man nicht genau weiß, ob sie über­haupt existiert und wenn ja, wie man sie erklären kann.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
Monazit  12.01.2024, 10:21

Danke für diesen sehr interessanten Beitrag; Thermodynamik im Sinne von physikalischer Chemie oder anders geartet?

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Wir sind immer noch wesentlich besser beim "K"-Anteil von "KI". ChatGPT und Kollegen können inzwischen auf um viele Größenordnungen mehr Daten zugreifen als ihre Vorgänger, aber ob sie im "wirklichen" Verstehen besser sind als die greise Eliza, wird ziemlich stark angezweifelt.

Außerdem "bemüht" sich ChatGPT, auf die Stichworte der Frage einzugehen - der berüchtigte Beitrag zu eierlegenden Elefanten soll dadurch (gezielt) proviziert worden sein, dass ChatGPT gefragt wurde, welche Säugetiere die größten Eier legen. Würde mich mal interessieren, woher du die Information hast, und was der Wortlaut der Antwort und noch mehr der Wortlaut der zugehörigen Frage war.

Woher ich das weiß:Hobby – seit meiner Schulzeit; leider haupts. theoretisch
adminflool 
Fragesteller
 12.01.2024, 11:26

Es ist für ein Schul Projekt und mein Freund hat das chat gpt gefragt deshalb kann ich dir das gerade leider nicht sagen

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Dann sollte ChatGPT das mal erklären, wie das gehen soll... vielleicht bekommt die KI dann dafür den Nobelpreis :-)))

Kisam88  12.01.2024, 09:25

wer weiß was die zukunft bringt - hat nicht ein KI bereits einen Künstlerwettbewerb gewonnen ? Wer weiß, ob iwann mal der Nobelpreis winkt

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hologence  12.01.2024, 10:05
@Kisam88
Künstlerwettbewerb

was bedeutet das in einer Welt, in der preisgekrönte Künstler malen wie Vierjährige im Kindergarten?

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