Wie weit darf eine Verschärfung der Grenzkontrollen und der Abschiebung gehen?
Während des Zweiten Weltkrieges verschärfte die Schweiz ihre Grenzkontrollen, um den zunehmenden Flüchtlingsstrom einzudämmen, der sich ergab, als das NS-Regime zur systematischen Judenvernichtung überging.
Ein dokumentierter Fall ist der von drei staatenlosen Juden, die am 22. August 1942 an der Schweizer Grenze von Grenzwächtern festgenommen wurden und über die französische Grenze abgeschoben wurden:
"Als die Flüchtlinge die deutschen Grenzpolizei erblickten, sprangen sie in die Rhone und schwammen zurück ans Schweizer Ufer. Dort, flehten sie verzweifelt um Asyl. Ohne Erfolg. Einer versuchte, sich die Schlagadern zu öffnen. Seinem Suizidversuch zuvorkommend, schleppten Schweizer Grenzwächter und Soldaten die drei aneinandergeklammerten Männer vom Ufer weg, um sie den bereitstehenden deutschen Beamten zu übergeben. Die Auslieferung erwies, sich aber als undurchführbar. Da man aufsehenerregende Zwischenfälle vermeiden wollte, vereinbarte Daniel Odier, Polizeioffizier des Genfer Territorialkreises, mit den deutschen Grenzbeamten, eine offizielle Übergabe der Flüchtlinge auf dem Boden des besetzten Frankreichs. Dort wurden die drei Juden von der deutschen Grenzpolizei verhaftet und – wie andere Flüchtlinge später berichteten – ins Gefängnis von Gex gebracht. Am 18. September 1942 wurden Eduard Gos, Hubert und Paul Kan über Drancy nach Ausschwitz deportiert.“
Der Zwang, der damals von der Schweiz ausgeübt wurde, war legal. Meine Frage: Kann die damalige Schweizer Politik für das heutige Deutschland ein Vorbild sein?
5 Antworten
Der Stempel eines großen "J" im Pass der deutschen Juden war eine "Erfindung" der Schweizer. Es wurden auch Juden, die es bereits in die Schweiz geschafft hatten "remigriert". Manchmal direkt nach Theresienstadt oder Auschwitz.
Er war aber auf Grund von Forderungen der Schweiz UND Schwedens eingeführt worden
Die Erfindung des Judenstempels wurde lange der Schweiz angelastet, insbesondere dem damaligen Chef der Fremdenpolizei Heinrich Rothmund. Entsprechende Vorwürfe erhob Peter Rippmann in einem Artikel, der am 31. März 1954 in der Zeitschrift Der Schweizerische Beobachter erschien. Neuere Forschungen zeigen allerdings, dass der J-Stempel zwar aufgrund eines Abkommens zwischen der Schweiz und Deutschland[4] eingeführt wurde, dass dieser aber auf einen Vorschlag der deutschen Behörden zurückgeht, welche damit die Einführung der vom Schweizer Bundesrat verlangten Visumpflicht für sämtliche deutsche Staatsangehörige verhindern wollten.[5] Entsprechend relativierte auch der Beobachter 1998 seinen Vorwurf an Rothmund.[6]
In der Wikipedia heißt es gegenwärtig im Zusammenhang mit der Grenzschließung am 13.2.42: "Für die schweizerische Flüchtlingspolitik waren zwei Jahre von zentraler Bedeutung: 1938 weigerten sich auf der Konferenz von Évian alle Zweitaufnahme-Staaten, künftig einen Teil der von der Schweiz aufgenommenen Flüchtlinge zu übernehmen. 1938 war die Schweiz an der Kennzeichnung der Pässe deutscher Juden durch den «J»-Stempel beteiligt. " (Wikipedia) Daraus wird deutlich, dass die Schweiz viele Juden aufgenommen hatte und dass die Zweitaufnahmestaaten jede Solidarität verweigerten. Insofern war die Schweiz (anders als Deutschland heute) viel mehr in einer Zwangslage. Daher ist die Frage, ob Deutschland sich ebenso scharf abschließen und Flüchtlinge ebenso scharf abschieben sollte.
Wenn der Satz "1938 war die Schweiz an der Kennzeichnung der Pässe deutscher Juden durch den «J»-Stempel beteiligt" falsch ist, bitte ich um einen Beleg, damit ich ihn in der Wikipedia begründet verändern kann.
Danke für die Information! (Da habe ich nicht genügend in der Wikipedia recherchiert.)
Da die betreffende Stelle im Artikel zur Schweiz im Zweiten Weltkrieg etwas unklar ist, habe ich jetzt dort auf den von dir angeführten Artikel "Judenstempel" verlinkt.
Salue
Ich weiss nicht, ob man die Lage der Schweiz im 2. Weltkrieg wirklich mit jetzigen Lage Deutschlands vergleichen kann.
Die Schweiz hatte damals, in Bezug auf ihre Grösse und Einwohnerzahl am meisten Juden aufgenommen als alle anderen Länder dieser Welt. Dies in einer "Insel-Situation", da die Schweiz von Nazi dominierten Länder umgeben war.
Bis kurz vor Ende des Krieges durften Juden, die von ihren Angehörigen eingeladen wurden, in die Schweiz einreisen. Die meisten Flüchlinge, die an der offiziellen Grenze abgewiesen wurden, sind dan einfach über die grüne Grenze illegal eingereist und wurden dann nicht mehr ausgeschafft.
Erst kurz vor Ende des Krieges machte die Schweiz die Grenze komplett dicht. Die Flüchtlinge, die nun an der Grenze standen, waren SS-Leute und Angehörige der Wehrmacht, die nun um Asyl anfragten. Die wollte man auf keinen Fall aufnehmen.
Ich glaube, die Situation Deutschlands im Moment lässt sich kaum vergleichen.
Tellensohn
Nein!
Damals war die Situation mit der heute überhaupt nicht vergleichbar.
Dem Nein stimme ich zu. Die Situation war damals ganz anders. - Aber schon diese Aussage bedeutet einen Vergleich.
So wie die Kontrollen zur Zeit verstärkt wurden, ist schon mal die richtige Richtung
Die Entscheidung der Schweiz, jüdische Flüchtlinge abzulehnen und teilweise sogar an die Nazis auszuliefern, trug indirekt zur systematischen Ermordung dieser Menschen bei, dies stellte einen schweren moralischen Verstoß dar. Die Schweiz verletzte mit ihrer Politik grundlegende humanitäre Prinzipien und die Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen. Die damalige Situation war einzigartig und lässt sich nicht einfach auf die heutige Zeit übertragen. Die Schweiz war von NS-Deutschland umgeben und befand sich unter Druck, dennoch rechtfertigt dies nicht die Verletzung humanitärer Werte.
Das heutige Deutschland hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und ist zu einem Land geworden, das sich für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzt und die Menschenrechte hochhält, die deutsche Flüchtlingspolitik der letzten Jahre ist ein Beispiel dafür.
LG aus Tel Aviv
Die Zeitung, die damals diese Zeitungsente über die Erfindung des Judenstempels durch die Schweiz veröffentlichte, hat sich Jahre später dafür entschuldigt. Diese Entschuldigung fand aber nie ein Interesse in der Öffentlichkeit.
Tellensohn