Wie stellen sich die privaten Großagrarier (Forstbesitzer) zum Waldumbau? Im Fernsehen wurde heute erzählt, sie sind dagegen, weil sie Fichten haben wollen?

5 Antworten

weil sie Fichten haben wollen?

und ich möchte Kokospalmen haben.

Doch es geht nicht danach, was jemand möchte, sondern was zukünftig gut wächst.

Die Fichte hat auch jetzt schon Probleme, wegen der Borkenkäfer, die die Fichten absterben lassen, weil es mehrere Jahre zu warm und zu trocken war.

Die Kunst besteht darin, Bäume zu finden, die zukünftig mit dem Klima und den Schädlingen zurechtkommen.

Wie sagte einst ein berühmter Mann: "Prognosen sind immer schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen."


... weil sie Fichten haben wollen?

Diese Privatwaldbesitzer müßten es eigentlich besser wissen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben die alliierten Sieger als "Reparationskosten" in Deutschland das Holz von fast ganzen Mittelgebirgen abgeräumt und in ihre Heimat abtransportiert. Die Wiederaufforstung haben sie den deutschen Förstern überlassen. (Die zunächst jahrelang auch keine Schußwaffen tragen durften. Deswegen kam es alsbald zu einer Wildschweinplage).
Die Förster hatten in ihrer Not kaum eine andere Wahl, als den schnellwachsenden Brotbaum Fichte großflächig anzubauen, auch an vielen Standorten, für die Fichte von ihrer Herkunft her gar nicht geeignet war.
Die Bäume wuchsen schnell. Aber ebenso schnell auch die Probleme mit diesem Baum. Ab den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es durch Stürme zu Windbrüchen ganzer Fichtenwälder. Hektisches Abräumen. Unfalltote Waldarbeiter. Borkenkäferinvasion.
Und mit dem zusätzlichen Dürren der Gegenwart Vertrocknung.
Leider nicht nur der Fichtenbestände.

Die deutschen Privatwaldbesitzer haben nichts zu lachen!
Baumfällauflagen wegen Borkenkäfern.
Nicht kostendeckende Preise auf dem Holzmarkt.
Defizite, wohin man blickt.
Daß da wieder nach der Fichte gerufen wird, die den größten Ertrag verspricht, kann man nachvollziehen.
Aber die Fichte hat sich als nicht standortgerecht und nicht "Klimaänderungsgerecht" geoutet.
Ich liebe Wald.
Aber aus wirtschaftlichen Gründen bin ich froh, daß ich keinen habe.

Schwierige Frage. Beim Wald handelt es sich ja nicht nur um ne Holzplantage. "Der Wald" hat sich in Jahrhunderttausenden an die Böden, das Klima, die Durchschnittstemperaturen angepasst. Und er ist eingebettet in ein gesamtes Ökosystem, das auch die Insekten, Mikroorganismen und Kleinstlebewesen umfasst, die im Wald und mit ihm leben. Forschungen haben ja gezeigt, daß Bäume nicht nur einzelne Pflanzen sind. Sie sind soziale Lebewesen. Sie kommunizieren miteinander, warnen sich vor Schädlingen, bilden Frassgifte, beschützen und fördern ihren Nachwuchs. Und sie leben in enger Symbiose mit Bodenpilzen. Über deren Mycel scheinen sie sogar zu kommunizieren. Also ein "www", - Wald-Wide-Web". Ob man einzelne Baumarten einfach so austauschen kann wie Legoklötzchen, weiss ich nicht. Wie kommen unsere Bodenpilze und Insekten mit fremden Baumarten klar. Wenn sich alles neu aufeinander einpendeln muss, dürfte das mindestens Jahrhunderte, oder länger dauern. Ich denke mir, das Holz als Baustoff und Papierrohstoff wohl teurer werden dürfte. Ob ein Blauglockenbaum neben einer Eiche, oder Buche einfach so gedeiht, weiss ich nicht. Vielleicht wird man Zedern und Sequoia anbauen können. Kastanien wachsen, je nach Boden auch gut. Jedenfalls sollten die Forstbesitzer die Hände am Puls der bezüglich Forschung haben. Und der Klimawandel könnte in einigen Jahrtausenden wieder in die entgegengesetzte Richtung schwingen.

Das ist eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist.

Die Fichte hat nach wie vor ihre Befürworter, allerdings ist immer die Frage, wie viel forstliches Wissen da noch dahintersteckt. Da diskutieren viele Leute mit, die davon recht wenig Ahnung haben. Große Waldbesitzer sind in der Regel nicht selbst Leute mit forstlicher Ausbildung, sondern sind entweder Adelige oder zumindest mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Die haben zwar dann forstliches Personal, aber die müssen logischerweise auch die Interessen der Eigentümer umsetzen. Sprich: Geld. Jagd. Status.

Der Waldumbau ist eine gewaltige Herausforderung. Man hat eine enorm fichtenlastige Situation, mit der man jetzt arbeiten muss. In vielen Bereichen läuft man heute schon dem Borkenkäfer hinterher, sodass der "geregelte" und geplante Umbau nur noch eingeschränkt vollzogen werden kann.
Warum aber hat die Fichte dann noch ihre Fans?

Nun, es fehlt allein schon mal die Alternative. Der "Universalretter", die Baumart für fast alle Standorte. So, wie man die Fichte jahrzehnte- und jahrhundertelang eingesetzt hat. Was man aus heutiger Sicht übrigens nicht wirklich verurteilen sollte. Es bringt nichts, auf vergangene Förstergenerationen zu schimpfen, die unter vollkommen anderen Bedingungen wirtschaften konnten, als wir das heute tun. Man sucht die Retter-Baumart im Klimawandel vergeblich. Und sie sterben uns eine nach der anderen Weg. Ich erinnere mich an meine Anfangszeiten in der Forstbranche, da war die ganze Hoffnung auf der Buche. Heute geht selbst sie schon an vielen Standorten wegen Trockenheit und Hitze ein. Die Eiche plagt sich ebenfalls mit Trockenheit und Insektenschädlingen herum. Die Tanne ist standörtlich auch begrenzt und ist fast nur zu verjüngen, wenn das Jagdkonzept stimmt. Selbst die Kiefer, die das Ökogramm sogar auf Extremstandorten vorsieht, kränkelt ordentlich.

Die Lösung liegt aber nie in einer einzigen Baumart. Man muss mit Mischwäldern arbeiten. So ist man weniger anfällig gegen Schwächen einer einzigen Baumart, Schädlinge verbreiten sich wesentlich weniger gut und wenn man weg kommt von den Wäldern, wo alle Bäume gleich alt sind, senkt man Risiken für großflächige Zerstörungen erheblich. Das sind auch Konzepte, die z.B. der Staatswald in Bayern seit Langem verfolgt.
Der Haken daran ist aber, dass die Bewirtschaftung viel aufwändiger ist als bei einem reinen Fichtenforst. Letzteren kann man standardisiert bewirtschaften, ganz einfach mit Harvester. Hohe Leistungszahlen, entsprechend geringe Kosten bei der Holzbereitstellung, weniger Planungsaufwand. Dazu wächst die Fichte recht schnell. Klar trauert man der Fichte nach, wenn es um die Erwirtschaftung von Geld geht.

Der ideale Wald nach dem Umbau sollte strukturreich sein. Also: Bäume jeder Altersstufe gleichzeitig auf der Fläche. Das bedeutet aber dann, dass man sich einzelne Bäume zur Ernte suchen muss und nicht mal eben ein paar tausend Quadratmeter planmäßig zur Holzerntefläche erklären kann. Dazu kommt, dass sich zum Beispiel eine 120jährige Buche nicht so einfach per Harvester bearbeiten lässt, wie eine gleich alte Fichte - allein schon dadurch, dass die Buche nie so schnurgerade wächst, wie die Fichte.

Und dann kommt da noch ein ganz anderes Problem: Die Gesellschaft braucht Holz. Für alles Mögliche. Bauen, Möbel, Papier, Verpackungsmaterial, Paletten, Parkettböden, Furnier oder zum Heizen.
Die Fichte bringt uns dabei fast alles. Bauholz sowieso. Papier, Paletten, Verpackung und Brennholz kommt da auch mit raus, ein Baum wächst schließlich nicht als fertiger Balken. Aber: Die Fichte wächst sehr gerade. Ideal, wenn man lange, gleichmäßige Holzsortimente braucht.
Buche ist da schon problematischer. Keiner baut mit Buche. Man kann nicht einmal Leimbinder daraus machen, da kaum ein Klebstoff Buchenholz verlässlich verbindet. Dazu ist der Ertrag an hochqualitativem Holz allein durch die Wuchsform wesentlich geringer.
Eiche kann ein sehr wertvolles Furnierholz sein, aber dafür muss sie erst einmal mehr als 200 Jahre wachsen. Zum Bauen ist sie zu schwer - von Spezialanwendungen abgesehen.

Und was ist mit den ganzen fremdländischen Baumarten? Mit denen fehlt in der Regel schlicht die Erfahrung. Wie muss man sie pflanzen? Schadet sie den heimischen Wäldern? Bringt sie Schädlinge mit? Wie verhält sie sich in unseren Klimabedingungen? Kann man mit dem Holz etwas anfangen?
Positive Beispiele wären Roteiche und Douglasie. Man spielt auch viel mit Baumhasel, Schwarzkiefer und Robinie - wobei man bei letzterer immer noch darüber diskutiert, ob sie nun invasiv ist oder nicht.

Die Prognosen und Studien sind auch immer vorsichtig zu deuten. Man arbeitet in der forstlichen Praxis, z.B. in der Beratung von Privatwaldbesitzern, schon lange mit Prognosen. Zum Beispiel vergleicht man die Baumarten darin, welches Anbaurisiko sie im Jahr 2100 haben werden - auch basierend auf Modellrechnungen. Eine schlechtere Prognose sagt aber nicht, dass man die Art komplett streichen muss. Nein, man arbeitet durchaus noch weiter damit, aber nur in geringen Anteilen im Mischwald. Man gibt keine Baumart komplett auf. Allerdings sorgen diese Prognosen auch oft für Verunsicherungen.

Fazit: Die Fichte ist flächendeckend auf dem Rückgang. Der Waldumbau kommt sowieso, wenn nicht schon vom Menschen gemacht, erledigt ihn die Natur jetzt von selbst. Die Alternativen sind aber kostenintensiver, viel aufwändiger, schwer umzusetzen und auch die Vermarktung ist viel schwerer. Zudem ist nicht garantiert, dass die Alternativbaumart dem Klimawandel unbedingt weiter standhalten kann - eine nach dem anderen kränkelt momentan. Auch sie haben ihre Schädlinge und auch sie werden von den Extremwetterereignissen weiter geschädigt. Warum also sträuben sind manche (Groß-)Privatwaldbesitzer ein wenig, ihren Waldumbau so voranzutreiben, wie das z.B. mancherorts der Staatswald seit Langem tut? Weil es Geld kostet und auch risikobehaftet ist.
Und mancherorts passt das Jagdkonzept nicht. Grade der adelige Großprivatwald züchtet regelrecht das Wild - und mit hoher Wilddichte sind besonders Laubbäume und die Tanne kaum pflegbar. Die Fichte ist unempfindlicher, sie wird viel seltener verbissen.

Der Artikel, den du verlinkst, ist aber allgemein extrem pessimistisch geschrieben. Ja, wir haben schon heute mit Schwierigkeiten bei der Bewirtschaftung zu kämpfen und man stellt sich schon heute die Frage, welche Art man auf manchen Standorten noch pflanzen soll. Man darf aber nie vergessen, dass die prinzipiell natürliche Vegetation Mitteleuropas großflächig der Wald wäre. Und das wird sich bis auf einige Extremstandorte auch nicht ändern. Es wird immer Baumarten geben, die wieder aufwachsen. Unsere Aufgabe ist nur, zu verhindern, dass große Flächen kahl werden. Und dafür müssen wir dann eben auch mit Baumarten spielen, die nicht europäisch sind. Die Studie beschränkte sich nämlich explizit darauf. Dabei spielt die forstliche Praxis längst auch mit Arten, die nicht heimisch sind. Eben: Douglasie und Roteiche (Nordamerika), Zedern (Afrika), etc.

Und die Aussage dass Großprivatwaldbewirtschafter sind gegen Waldumbau sträuben, weil sie Fichten wollen, ist so verallgemeinert erst einmal falsch. Klar gibt es die, aber alle über einen Kamm zu scheren, macht keinen Sinn.
Und wenn man Aufwand, Kosten, Erträge (und bei älteren Leuten) und die Erinnerungen an vergangene Zeiten, wo die Waldwirtschaft noch anders war, betrachtet, kann ich manchem eine gewisse Nostalgie nicht übel nehmen. Auch wenn klar ist, dass jeder, der heute forstlich ausgebildet ist und draußen in der Praxis mit dem Waldumbau kämpfen darf, nicht mehr von Fichtenreinbeständen schwärmt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Vogtland740 
Beitragsersteller
 29.10.2024, 10:17

Na ja in Ost5deutschland hat Stalin reines Schiff gemacht, vielleicht braucht auch Westdeutschland einen Stalin, der größtenteils Staatswald schafft ?

ichbinich2000  29.10.2024, 21:06
@Vogtland740

Auch das ist nicht das Allheilmittel.

Zum einen ist die Fläche enorm, zum andern auch nicht jede Staatsforstverwaltung in der gleichen Richtung unterwegs. Die Organisationsstrukturen und die Wirtschaftsarten unterscheiden sich je nach Bundesland.
Zudem dürfen die Waldumbaukosten gerne die tragen, die lange mit Fichten gutes Geld verdient haben - so ehrlich muss man sein. Der Steuerzahler zahlt ohnehin schon genug am Waldumbau, z.B. über die ganzen Förderungen im Privatwald.

In Bayern zum Beispiel sind Staatswald und Kommunalwald per Gesetz der vorbildlichen Waldbewirtschaftung verpflichtet. Allerdings scheiden sich die Geister sehr oft, wenn es darum geht, "vorbildlich" zu definieren. Zudem wären auch die anderen Waldbesitzer einer nachhaltigen, waldschonenden Bewirtschaftung verpflichtet - das regeln die Waldgesetze. Ohne sichere Lösungsstrategie ist es aber schwer, Verstöße zu ahnden. Politisch arbeitet man da seit langem mit Förderungen, um auch den Privatwald etwas zu "erziehen".

Soviel ich weiß werden vermehrt douglasien gepflanzt. Dabei wird nach Erfahrungen aus den Herkunftsländern dieses Baumes geforscht. Douglasie wächst auch in unseren Breiten sehr gut,extrem hitze,-trockenheitsresistent und widerstandsfähig gegen Krankheiten und Schädlinge. Fichten und Tannen werden verschwinden in Deutschlands Wäldern. Auch die Pappel hat ausgediehnt,keine Verwendung für das holz und vielerorts Bruch und Sturzgefährdet.

Woher ich das weiß:Hobby – Lebe nachhaltig wie eben möglich