Über eine Merkwürdigkeit des US-amerikanischen Wahlsystems
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Trump hat alle sieben heiß umkämpften Präsidentschaftswahlkreise für sich entschieden und so 312 Wahlmännerstimmen gegenüber 226 für Harris gewonnen. Um die Präsidentschaft zu erringen, sind 270 Stimmen erforderlich.
Das Verhältnis 312 : 226 dürfte deutlich größer sein als das wirklich entstandene Verhältnis ( Zahl der Wähler für Trump : Zahl der Wähler gegen Trump ).
Wie mir scheint, ist das demokratische System in den USA wohl deutlich dringender reformbedürftig, als man so auf den ersten Blick glauben könnte. Was sagen US-Amerikaner dazu?
5 Antworten
Es war schon bei Hillary Clinton vs D. Trump, dass Hillary zwar mehr Waehlerstimmen hatt, Trump aber die electoral colleges gewann.
Was die Amis zum US Wahlsystem sagen? Well, ich lebe in den USA und es gab nicht einen einziger Ami, der mir das System "electoral colleges" erklaeren konnte. 'Ist halt so, und das wars. Interessiert keinen Menschen.'
Die "tollste" Demokratie der Welt hat ein antidemokratisches Wahlsystem. Das ist schon länger bekannt, hat aber einen historisch gewachsenen Hintergrund.
Zu Beginn der USA wurden die Wahlmänner erfunden um die reibungslose und seriöse Wahlabwicklung zu gewährleisten in einem sehr, sehr großem Land.
Heute natürlich schon längst nicht mehr zeitgemäß.
Erst einmal folgendes: es werden sich sicherlich nur wenige US-Bürger in einem deutschsprachigen Forum aufhalten, und wenn ja, werden sie sich von keinem Deutschen Vorlesungen darüber anhören, wie Demokratie zu funktionieren hat…🤣
Nun zum eigentlichen Thema: Solange Linke von einem Mehrheitswahlrecht profitieren, so, wie zuletzt Labour in Grossbritannien, die mit 1/3 der Stimmen 2/3 der Parlamentssitze geholt haben, ist das natürlich vollkommen in Ordnung und wird als grosser Sieg der Demokratie gefeiert.
Abgesehen davon, hat Trump dieses Mal auch die Mehrheit im Popular Vote, vermutlich sogar mehr als 50% geholt, so dass sogar das übliche linke Jammerargument, er sei ja gar nicht richtig legitimiert, wegfällt.
Wir sind hier in Deutschland und nicht in den USA - und dass in den USA ländliche Staaten bei den Wahlmännern überrepräsentiert sind, hat gute Gründe: ansonsten würden die USA ausschliesslich über die Wählerstimmen aus New York, Kalifornien, Florida und Texas regiert werden.
Abgesehen davon, sieht man diese Ungleichbehandlung der Wertigkeit von Stimmen ebenfalls sowohl in Deutschland als auch in der EU - Mini-Bundesländer wie Bremen sind im Bundesrat vollkommen überrepräsentiert, während Deutschland im EU-Parlament mit seiner riesigen Bevölkerung massiv unterrepräsentiert ist.
Aber das ist natürlich vollkommen in Ordnung für die „Demokratie-Dozenten“…🤣
Na super, du rechtfertigst gerade eine Ungleichbehandlung.
"ansonsten würden die USA ausschliesslich über die Wählerstimmen aus New York, Kalifornien, Florida und Texas regiert werden."
Kalifornien hat viele Einwohner, da ist es völlig normal, dass der Einfluss größer ist als da, wo es weniger Einwohner hat. Der Punkt ist, dass "the winner takes it all" und das Wahlmännersystem antiquiert und unfair sind.
Und das mit dem Bundesrat ist ein berechtigter Einwand! Das macht das US-System aber nicht besser. Ich stimme dir zu, dass das auch nicht ganz in Ordnung ist.
Und wie sieht‘s mit der EU aus - die hast Du mal ganz geflissentlich unter den Teppich gekehrt. Gemäss seiner Bevölkerung müsste Deutschland 135 Sitze im EU-Parlament haben, tatsächlich sind es 96 - das nenne ich mal echte Unterrepräsentanz. Wenn das, was hier für die USA gefordert wird, auch für die EU umgesetzt würde, dann würden die vier grossen Nationen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien gemäss ihres Bevölkerungsanteils die EU regieren mit dem Rest als Anhang - analog zu Kalifornien, New York, Florida und Texas in den USA. Es gibt gute Gründe, warum das auch hier nicht der Fall ist.
Dazu fällt mir immer folgende Redewendung ein: den Splitter im fremden Auge sehen, aber den Balken im eigenen nicht…
Ich wollte damit ja auch sagen, dass du bezüglich Deutschland und dem Bundesrat recht hast. Ich will doch nur (als Ziel), dass es überall gerecht zugeht, ich behaupte gar nicht, dass Deutschland perfekt sei.
Daher stimmt das mit dem "Balken im eigenen Auge nicht sehen" nicht, ich bin auch für Kritik am deutschen Wahlsystem offen.
Nur ändert das auch nichts am Missstand in den USA. Eine Ungerechtigkeit macht die andere nicht ungeschehen. Ich hoffe, dass das meine Position klarer gemacht hat. Danke für deinen Beitrag.
Und was die Antiquiertheit des Mehrheitswahlrechtes angeht: ist nach Grossbritannien vor kurzem erst in Italien und Frankreich eingeführt worden - in Deutschland koaliert man sich stattdessen lieber zu Tode…
Besser Koalitionen als dieser unsägliche Person vs. Person Wahlkampf in den USA. Das ist dermaßen primitiv und unsachlich, wie es da zugeht (soll kein Vorwurf an deine Position sein).
Übrigens scheinen viele Amis das System selber nicht zu kapieren. Tolle Sache.
Ich kritisiere ja auch nicht, wie das Wahlsystem hier in Europa funktioniert - aber ich kenne die USA sehr gut, und die Menschen dort sind mit ihrer Demokratie im Grossen und Ganzen zufrieden, was hierzulande vollkommen verzerrt wiedergegeben wird. Was mir zudem extrem missfällt, ist, mit welcher Arroganz die ganze Sache stets aus Europa und insbesondere aus Deutschland heraus betrachtet wird, einem Kontinent (und insbesondere einem Land), von dem in den letzten 150 Jahren eigentlich nur Leid über die Welt gebracht worden ist…
Naja, dafür, dass die Leute dort angeblich zufrieden sind, gibt es doch sehr viele Proteste (aktuell gegen Trump). Das kenne ich aus Deutschland so nicht, dass man direkt nach einer Wahl gegen den frisch gewählten Bundeskanzler demonstrieren würde.
Auch gibt es in Deutschland nicht diese "Wahlfälschungs-Vorwürfe".
Zumindest nicht von ganz oben.
Auch wurde bei uns nicht der Bundestag gestürmt (das war in den USA auch kein Zeichen von Zufriedenheit).
Ich erinnere nur an die Erstürmung des Reichstages durch Querdenker und Vorfälle in anderen Ländern Europas - denn hier muss man Europa als Ganzes sehen, da etwa so gross wie die USA…
Ja, das stimmt auch wieder. Das sollte man nicht vergessen. Hast recht.
Trump hatte 58% der Wahlmänner und 50,4% der Stimmen bei nur gut 60% Wahlbeteiligung...
https://de.wikipedia.org/wiki/Präsidentschaftswahl_in_den_Vereinigten_Staaten_2024
Der Kniff an der Sache ist ja, dass der das jeweils ändern könnte, für eben jenes System gewonnen hat = also warum sollte er ...
...nur weil wir es doof finden? ;o)
Nur zur Sicherheit: nicht dass ich es gut fände oder Trump toll fände oder gar das was er jetzt womöglich anstrebt...
Ich denke auch, dass das Wahlsystem der USA reformiert werden sollte, einfach schon aus dem Grund weil es ein ungerechtes System ist, bei dem nicht automatisch der gewinnt, der die meisten Stimmen bekommen hat.
Trump wäre 2016 nicht Präsident geworden, wenn es nach dem prozentualen Anteil der Stimmen gegangen wäre.
Dieses Jahr hat Trump allerdings auch in absoluten Stimmen deutlich gewonnen.
Auch einiges andere am System in den USA ist merkwürdig. In welchem Land sonst gibt es nur zwei große Parteien, die zur Wahl stehen?
Unfairness bei der Wahl Trump/Clinton ist kein "Jammerargument", sondern ein völlig sachlicher Einwand. Oder würdest du das auch in Deutschland akzeptieren (dass jemand mit weniger Stimmen gewinnt, nur weil er die "wichtigen" Stimmen gewonnen hat)?
Es gibt keinen Grund, warum eine Stimme aus Wyoming mehr zählen sollte als eine aus Kalifornien.
In welchen Staaten ist das denn noch so?
Mag ja sein, dass es dieses Mal so war, dass Trump deutlich mehr Stimmen hatte, das ändert an dem Problem nichts (und der Ursprung des Problems liegt nicht bei Trump, sondern liegt viel weiter zurück).