Darf man den Bundespräsidenten öffentlich kritisieren?
Bundespräsident Steinmeier hatte zur Feier des 9. November 1989 den Schriftsteller Marko Marin eingeladen, der selbst aus der DDR geflohen war. Marin verzichtete aber auf das übliche Dankesrede mit Würdigung der Lebensleistung seiner früheren Landsleute und unserer Politprominenz.
Kritisch nahm er zur heutigen Gesellschaft im Osten Stellung. Aber auch gegenüber dem Westen und speziell den Politkern von SPD und CDU nahm er kein Blatt vor dem Mund. Schröders bestehende Freundschaft gegenüber Putin und seine Würdigung durch die SPD blieb nicht unerwähnt. Doch auch Steinmeier selbst bekam sein Fett weg. Der Bau von Nord Stream und der Freundschaft zu Putin hätte diesen noch zum Krieg ermutigt.
Der Bundespräsident, der wohl mit salbungsvollen Worten gerechnet hatte, war sichtlich angefressen.
Was meint ihr, sollten Sonntagsreden immer lieb und freundlich sein, oder hat ein kritischer Autor auch das Recht, unangenehme Inhalte zu verkünden?
7 Antworten
Mit der Kritik wird der Bundesuhu wohl leben müssen. Ob so eine Veranstaltung der richtige Ort und Zeitpunkt ist, darüber kann man streiten.
Ein kritischer Autor hat, meiner Auffassung nach, nicht nur das Recht sondern sogar eine Art Verpflichtung (gegenüber der Gesellschaft), unangenehme Inhalte aufzugreifen und auch Missstände anzuprangern. Schließlich muss es ja jemanden geben, der die Leute auf solche Dinge aufmerksam macht.
Und um deine Frage zu beantworten: selbstverständlich ist es in der Bundesrepublik erlaubt, Personen des öffentlichen Lebens und somit auch den Bundespräsidenten zu kritisieren.
Das ist vollkommen legitim und kann man machen. Die Rede ist sehr hörenswert und auch die weniger beachtete folgende Rede zu Nazis im Westen vor der Wende.
Mit dieser Rede hat sich der Autor natürlich nicht gerade um eine erneute Einladung beworben, aber das hält Bundespräsident und das Amt aus.
Natürlich, der ist in dieser Beziehung ein Bürger wie jeder andere.
Das Recht zu Kritik hat jeder, aber der Ton macht die Musik. Es gibt einen Unterschied zwischen Kritik und Beleidigung.
Gerade im öffentlichen Raum kann man auch von einer Verpflichtung reden.
Bei aller Kritik ist die Rede (ich hab sie gerade geleden) auch ein Kompliment an unsere freiheitliche Gesellschaft und damit auch an Herrn Steinmeier, der in dieser Gesellschaft ein hohes Amt bekleidet. Denn auch wenn Herr Marin hier auch Herrn Steinmeier offen und öffentlichkeitswirksam kritisiert, dann signailiert er doch auch: "Das darf man hier sagen. Als Bürger darf ich die Regierenden für ihre Handlungen offen kritisieren, ohne Angst vor Verfolgung oder Mundtotmachung. Herr Steinmeier, ich traue Ihnen zu, dass Sie die Kritik ertragen und vielleicht sogar etwas positives daraus mitnehmen."
Sehr lesenswerte Analyse.