Beschimpfen beim Duzen wirklich leichter als beim Siezen?
Ich bin ein großer Freund davon, dass das Siezen in Teilen unserer gesellschaftlichen Kommunikation erhalten bleibt.
Aber mit einem Argument fürs Siezen kann ich nicht viel anfangen. Viele sagen, fürs Beschimpfen sei beim Sie die Hürde höher, "du A**chloch" käme einem leichter über die Lippen als "Sie A**chloch". Beides gehört nicht zu meinem Standardvokabular. Ich habe aber in großem Zorn beides in meinem Leben schon vereinzelte Male gesagt, und bin nicht stolz darauf.
Aber die Male, wo ich es gesagt habe, ging mir "Sie A**chloch" kein bisschen schwerer über die Lippen als "du A**chloch".
WIe ist das bei euch und wie steht ihr zu der Frage?
6 Antworten
Da das Siezen zwar als Höflichkeit gilt, aber eigentlich doch lediglich eine distanziertere Form des persönlichen Umgangs ist, hinter der kein wirklicher Respekt steht, fällt es mir - genau wie Dir - nicht schwerer jemanden in der Sie-Form zu beleidigen.
Wir leben nicht mehr in der Ständegesellschaft, wo die Beleidigung von Adel und Klerus einen Angehörigen des dritten Standes den Kopf kosten konnte.
Es hängt wohl eher mit der eigenen Stellung und der Stellung des Gegenübers zusammen. In der finnischen Firma in der ich einmal tätig war haben sich alle geduzt. Trotzdem wusste ich wessen Vorgesetzter ich war und wer mein Vorgesetzer war. Den Geschäftsführer zu beleidigen hätte negative Konsequenzen für mich gehabt. Da wäre ich trotz "Du" nicht auf die Idee gekommen den zu beleidigen.
Wenn eine Kassiererin im Supermarkt hingegen unverschämt zu mir ist, habe ich kein Problem damit diese eventuell zu beleidigen auch wenn ich beim Sie bleibe.
Ist natürlich besser. Aber es gibt Situationen wo ich mich beleidigt fühle und dann gibt es eben eventuell eine Retourkutsche - je nach Tagesform.
Verstehe ich schon, ich habe auch nicht immer alle Empathieressourcen der Welt für angemessene Reaktionen zur Verfügung. Mir war es nur wichtig, auf die Problematik des sozialen und beziehungsmäßigen Gefälles aufmerksam zu machen.
Allerdings ist die Hemmschwelle bei einem "Du" geringer und das Mundwerk lockerer, als bei einem " Sie".
Wobei Beschimpfungen immer unangebracht und respektlos sind.
Viele sagen, fürs Beschimpfen sei beim Sie die Hürde höher, "du A**chloch" käme einem leichter über die Lippen als "Sie A**chloch".
Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach ist es so, dass wenn man eh vor hat jemand Anderes, Fremdes zu beleidigen, dass die Hürde, dann auch noch DU zu sagen deutlich geringer ist.
Das "du" wird bei einer Beschimpfung als weitere Herabsetzung verwendet, denn mit du redet man Kinder, Tiere und geistig Minderbemittelte an. "Sie" ist eine Höflichkeitsform, die will man garantiert nicht wenn es um Beleidigungen geht - außer in Spezialfällen, wenn man den angeblich hohen Rang des Beleidigten zusätzlich karikieren will (reich, Vorgesetzter, Beamter etc.)
Ah ok, ist bei mir ganz anders. Ich duze aus Prinzip alle Leute, die ich für über 16 halte und die mir fremd sind. Ich habe überhaupt kein Problem damit, eine Person, für dich ich gerade nichts als Verachtung übrig habe, zu siezen.
ich wollte natürlich sagen: Ich sieze aus Prinzip alle Leute, die ich für über 16 halte und die mir fremd sind.
Da hast du recht. Das hat vielleicht etwas damit zu tun das die Umgangssprache und Schimpfwörter so verbreitet sind.
Früher war es natürlich fast jede Erwachsene oder Ältere Person zu Siezen.
genau, ich duze auch heute noch jede Person, die ich für über 16 halte und die mir fremd ist. "Sie" drückt für mich einfach nur Fremdheit aus, aber keinen Respekt.
ja, das sehe ich sehr ähnlich. Ich würde jedoch nie im Supermarkt eine Kassiererin beleidigen. Ich habe zwar auch schon einzelne Male erlebt, wie eine unverschämt zu mir war (ehrlich gesagt noch mehr bei männlichen Kassierern), aber ich habe unergleichlich öfter den umgekehrten Fall erlebt: Die Person, die kassierte, erlebte Unverschämtheiten seitens der Kundschaft. Da in diesem meist nicht doll bezahlten Knochenjobs die Person an der Kasse es sich kaum leisten kann, Kundschaft zu beleidigen, auch wenn sie allen Anlass der Welt und jedes moralische Recht dazu hat, verzichte ich als Kunde lieber auf das Privileg, beleidigen zu können und sage statt dessen, dass mich die Ansprache gerade sehr gestört und verletzt hat.