„Alice befiehl – wir folgen dir… Moment mal!“
In einem früheren Beitrag habe ich mal geschrieben, dass die Amerikaner intelligent sind wie eine Tüte toter Mücken. Das war vielleicht ein wenig ungerecht gegenüber den Mücken – zumindest biologisch betrachtet. Denn selbst eine tote Mücke hatte einmal einen evolutionären Zweck. Sie saugt Blut, nervt beim Schlafen und schafft es immerhin, uns mit einem Summen wachzuhalten. Was genau aber ist der evolutionäre Zweck von über 20 % meiner deutschen Mitbürger, die bereitwillig dem intellektuellen Fliegengewicht einer Alice W. und ihren Parteigenossen hinterhertraben, als sei sie die Reinkarnation von Jeanne d’Arc auf Speed?
Da steht sie, Alice, stets empört, stets entrüstet, stets bereit, mit zusammengekniffenen Lippen und rhetorischer Betonsäge in jedes Mikrofon zu krächzen, das man ihr hinhält. Ihr Blick: eine Mischung aus beleidigter Leberwurst und kalter Hausmeisterin nach drei Espresso zu viel. Ihr Vokabular: ein agitatorischer Eintopf aus „Volksverräter“, „Remigration“, „man wird ja wohl noch sagen dürfen“ und dem neuesten Tagesbefehl aus dem „Kampf gegen das Linksgrünversiffte“.
Und was macht ein nicht unerheblicher Teil unserer Bevölkerung? Er nickt. Zustimmend. Wie Wackeldackel auf der Hutablage eines getunten Opel Manta. Alice befiehl – wir folgen dir!
Moment mal… hatten wir das nicht schon mal?
Doch, hatten wir. Nur damals war die Uniform brauner, das Pathos noch klebriger und das Ende… na ja, Geschichte, wie man so schön sagt – aber offenbar nicht die Geschichte, die man in der Schule aufmerksam verfolgt hat. Sonst käme ja keiner auf die Idee, einem Haufen politischer Resterampe hinterherzulaufen, der „das Boot ist voll“ ruft, während er gleichzeitig versucht, das Rettungsboot zu versenken.
Die Rede ist von Menschen, die der Meinung sind, dass man in Deutschland nicht mehr sagen darf, was sie täglich sagen. Im Fernsehen. Im Radio. In Talkshows. Auf Twitter. In Telegram-Gruppen. Auf Wahlplakaten. In Landtagen. Im Bundestag. Auf Marktplätzen. In Podcasts. Beim Bäcker. Im Baumarkt. Kurz: überall. Aber wehe, jemand widerspricht – dann ist es Zensur! Oder Cancel Culture! Oder Meinungsfaschismus! (Und ja, dieser Begriff ist so widersinnig, dass er vermutlich im Satireunterricht verboten wäre.)
Natürlich könnte man sagen: „Ignoriert sie doch einfach!“
Aber das ist ungefähr so effektiv wie „Ignorier die Wespe beim Picknick!“ – spätestens wenn sie im Apfelsaft schwimmt oder in die Limo gestochen hat, ist das Gejammer groß. Und so ist es auch mit der AfD und ihrer Ikone Alice: Erst belächelt man sie, dann wundert man sich über zweistellige Wahlergebnisse, und plötzlich debattieren seriöse Nachrichtenformate über Deportationsphantasien als „Teil des demokratischen Diskurses“.
Was ist da los in unserem Land?
Vielleicht ist es Überforderung. Vielleicht ist es Angst. Vielleicht ist es einfach kollektive Denkfaulheit. Wer keine Lust mehr hat, differenziert zu denken, greift eben zur Parole. Wer sich abgehängt fühlt, nimmt eben das erstbeste politische Trostpflaster – auch wenn es braun stinkt und hässlich klebt.
Und wer glaubt, dass „Deutschland zuerst“ etwas anderes bedeutet als „Menschlichkeit zuletzt“, hat entweder eine kognitive Blockade oder ein verdammt schlechtes Gedächtnis.
Natürlich wird man jetzt wieder hören: „Man wird ja wohl noch Kritik üben dürfen!“ Ja. Darf man. Muss man sogar. Aber Kritik ist nicht dasselbe wie Hetze. Und Demokratie ist nicht das, was übrig bleibt, wenn man Minderheitenrechte zusammenfaltet und den Rechtsstaat auf ein Mindestmaß schrumpft.
Aber klar: Für die Mückentüten-Fraktion klingt das vermutlich alles zu kompliziert.
Bleibt die Frage: Was tun?
Ganz einfach: Hirn einschalten. Wählen gehen. Aufstehen, wenn jemand wieder das Wort „Systempresse“ in den Mund nimmt. Und bitte – ganz wichtig – niemals aufhören, an der Menschlichkeit festzuhalten. Auch wenn’s manchmal anstrengend ist. Auch wenn der Nachbar AfD wählt. Auch wenn Alice wieder ein Mikrofon findet.
Denn sonst stehen wir eines Tages wieder auf einem Marktplatz und fragen uns: „Wie konnte das passieren?“ – während Alice von oben herab lächelt und ruft: „Ich hab’s euch doch gesagt.“
Nur diesmal bitte nicht: „Wir haben von nichts gewusst.“
Denn wir wissen. Und das ist verdammt noch mal auch unsere Verantwortung.
4 Antworten
Danke für die warmen Worte
Das ist so ziemlich genau das was ich auch denke
Und wir sollten nicht müde werden unsere Meinung zu sagen
sehr schöner Beitrag. Da mag ich nicht widersprechen.
Leier werden diejenigen die es lesen müssten es nicht verstehen. Dumm sein ist wie tot sein. Die die es betrifft merken nix und die Anderen haben den Kummer.
Zweifelsohne schön gemacht, Deine Satire.
Inhaltlich zwar nicht mehr als das, was ein gehäkelter Klopapierhut unter sich verbirgt, aber immerhin gut geschrieben.
Und nicht vergessen: Demokratie lebt von Meinungsvielfalt.
Watn beleidigendes, unnötiges, linkes Gesülze, hätte sich einer in ähnlicher Form über die Grünen oder gar deren einzelne Figuren geäußert, wäre der Beitrag längst gelöscht worden.
Guter Spruch!