Bandendiebstahl: Können Kinder auch als Teil einer Bande zählen?
Moin,
es gibt ja den Bandendiebstahl in § 244 StGB:
Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt
Folgender Beispielfall:
Eine Gruppe von zwei 12-jährigen und einem 14-jährigen unternimmt regelmäßig Einbrüche in Geschäfte. Dort gefundene Gegenstände werden verkauft und davon gemeinsame Ausgaben (Alkohol, PC-Spiele etc.) beglichen.
Kann der 14-Jährige jetzt wegen Bandendiebstahls bestraft werden (dann würden die Kinder als Bandenmitglieder) oder "nur" wegen normalen Diebstahls (dann würden sie nicht als Bandenmitglieder zählen)?
Was meiner Ansicht nach gegen die Annahme spricht, dass die Kinder als Bandenmitglieder zählen: Die Kinder handeln ja schuldlos und werden deshalb nicht bestraft, woraus man schließen könnte, dass sie keine Bandenmitglieder im strafrechtlichen Sinne sein können.
Aber was ist eure Meinung dazu? Können Kinder als Bandenmitglieder zählen oder lehnt ihr das ab? Bitte nur Antworten mit Begründung.
Falls jemand etwas Argumentationsstoff braucht oder sich weiter belesen will: Ellbogen, Wichmann: Bandendelinquenz bei Strafunmündigkeit einzelner Beteiligter, JuS 2007, 114
4 Antworten
Endlich mal wieder eine Frage, bei der es tatsächlich Spaß macht, eine Antwort zu schreiben und mal etwas länger über diese nachzudenken, danke dafür!
Die Tatsache, dass eine Tat nicht verfolgt werden kann, bedeutet nicht, dass das strafunmündige Kind nicht tatbestandsmäßig und rechtswidrig i. S. d. § 11 I Nr. 5 StGB handeln kann. Nach dieser Ansicht kann die Eigenschaft eines Kindes als Bandenmitglied bejaht werden (so jedenfalls RGSt 19, 192).
Auch der bereits von dir angesprochene Aufsatz in der JuS kommt zu dem Schluss, dass es nicht darauf ankommt, ob alle Bandenmitglieder bestraft werden können (ebenso Exner JURA 2013, 103; TK-StGB/Bosch § 244 Rn. 24).
Nach a. A., die ich persönlich überzeugend finde, ist es sowohl falsch, die Eigenschaft eines Strafunmündigen als Bandenmitglied gänzlich zu verneinen, als auch diese stets anzunehmen. Vielmehr ist eine Betrachtung des konkreten Einzelfalls erforderlich und u. a. darauf abzustellen, ob das Kind tatsächlich tatbestandsmäßig und rechtswidrig agierte (vgl. Flemming, Die bandenmäßige Begehung, S. 171).
So kann eine Bande bspw. unproblematisch bejaht werden, wenn – wie in deinem Beispiel – mehrere Kinder und Jugendliche gemeinsam Diebstähle begehen, im Gegensatz hierzu aber nicht, wenn es lediglich die Kinder sind, die Straftaten begehen und die älteren Köpfe der Bande diese bloß anleiten oder gar zu den Taten nötigen (mit konkreten Beispielen Flemming a. a. O., S. 318 ff.).
LG
Ich schätze mal, dass es trotzdem als Bande gewertet wird, auch wenn dies für die Kinder keine Strafe bedeutet.
Sie haben aber trotzdem als Bande gehandelt.
Zu 100% sicher bin ich mir aber nicht.
Danke für die Aufklärung. Im Fall der Fälle einfach vorlegen und dann soll sich damit jemand anderes beschäftigen, der besser bezahlt wird :)
Hallo,
bereits in älteren Entscheidungen des BGH wurde klargestellt, dass der strafrechtliche Bandenbegriff nicht die Strafmündigkeit sämtlicher Mitglieder voraussetzt. Vielmehr kann sich eine Bande im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 2 durchaus auch aus Heranwachsenden, Jugendlichen oder – wie hier – strafunmündigen Kindern zusammensetzen (BGH, Urt. v. 4.10.1966 – 5 StR 416/66; ebenso Hilgers-Klautzsch in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, 87. Lfg. 2025, § 373 AO, Rn. 78). Entscheidend ist mithin allein die von der Gruppierung ausgehende Organisations- und Durchsetzungskraft, nicht die individuelle Schuldfähigkeit jedes Einzelnen.
Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung des hier vierzehnjährigen T, der gemeinsam mit zwei strafunmündigen Zwölfjährigen fortgesetzt Einbrüche verübt und die Beute gemeinschaftlich verwertet, rechtlich eindeutig: Die Drei-Personen-Konstellation erfüllt bereits dem Wortlaut nach das personelle „Mindestmaß“ der Bande („Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus … ein ‚gefestigter Bandenwille‘ oder ein Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse ist nicht erforderlich“, BGHSt 46, 321 [334 f.).
Die wiederholte Tatbegehung in gleich gerichteter Interessenlage dokumentiert zugleich die für die Bandenabrede erforderliche zeitliche Verstetigung. Dass K1 und K2 aufgrund ihres Alters nach § 19 StGB schuldunfähig sind, steht der Qualifikation nicht entgegen. Sie nehmen – wenn auch straflos – an Planung und Ausführung teil und verstärken dadurch die kollektive Gefahrenlage, die der Gesetzgeber im Strafrahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 2 sanktionieren will. Damit wird das Merkmal „Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds“ in jedem Einzelfall erfüllt, sobald wenigstens einer der Zwölfjährigen in Vorbereitung, Durchführung oder Fluchtphase einen tatrelevanten Beitrag leistet. Denn seit der genannten Grundsatzentscheidung genügt hierfür jede Form des Zusammenwirkens; eine Anwesenheit mehrerer Mitglieder am Tatort wird nicht mehr verlangt (BGHSt 46, 321 [338 f.]).
Konsequenz: Der vierzehnjährige T verwirklicht – für jede Tat, an der mindestens einer der Zwölfjährigen planend, unterstützend oder ausführend beteiligt ist – den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Seine Strafbarkeit beurteilt sich nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Der einschlägige gesetzliche Strafrahmen (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) bildet gemäß § 18 Abs. 2 JGG die Bemessungsgrundlage für eine Jugendstrafe. Im Einzelfall bleibt bei geringerem Organisationsgrad oder bloß marginalen Tatbeiträgen der Kinder ein minder schwerer Fall im Sinne des § 244 Abs. 3 StGB denkbar. Die Zwölfjährigen selbst bleiben straflos, können jedoch jugendhilferechtlichen Maßnahmen (§ 3 ff. JGG) unterzogen werden. Mithin kann festgehalten werden: Kinder können im materiellen Sinne sehr wohl „Bandenmitglieder“ sein, ihre Strafunmündigkeit lässt die Qualifikation des strafmündigen Mittäters jedoch unberührt.
Sie sind es ja immer wieder. Strafrechtlich werden sie natürlich anders behandelt.
Ist wohl eine sehr theoretisch Frage, die einzig konkrete ober- oder höchstrichterliche Rechsprechung, die ich hierzu finden konnte, ist noch vom Reichsgericht. Mindestens bei „Jugendbanden”, wie im Beispiel der Frage, würde man das Ganze wohl tatsächlich bejahen.