HSS oder SSS (Gitarre/Tonabnehmerbestückung)?

5 Antworten

Hallo,

der Klassiker: Geh' in einen Musikladen und spiel Instrumente an! Auch wenn dann nicht Harley Benton (Thoman Eigenmarke) auf der Kopfplatte steht, günstige Stratocaster Kopien wirst du wohl in jedem Musikladen finden. Da kannst du dir den Unterschied zwischen billigem Humbucker und billigem Singlecoil geben.

In der 79,-€ Klasse muss man halt ein paar Abstriche machen. Das geht halt bei der sehr einfachen Holzqualität los, über die einfache Qualität der Hardware und natürlich wird auch an der Elektronik gespart inkl. der Tonabnehmer.

Beide Tonabnehmer-Typen werden in diesen Gitarren nach Vorallem einem Punkt gefertigt: Es muss billig sein.

Eines vorweg: Ein Singlecoil brummt von sich aus nicht. Er wandelt aber durchaus auch Einstreuungen (z.B. 50Hz Brummen des Stromnetz) in eine Spannung; wenn solche Einstreuungen da sind. Sind die nicht da; hörst du die auch nicht; weil der Singlecoil von sich aus nicht brummt.

Der Klassische Stratocaster Singlecoil Tonabnehmer hat sechs Stabmagnete. Tatsächlich ist das Magnetfeld von diesen Tonabnehmer auch recht stark. Starkes Magnetfeld heißt, dass bei Bewegung der Saite innerhalb des Magnetfeldes auch eine recht starke Spannung induziert wird. Eine relativ starke Spannung analog zur Saitenbewegung heißt auch, dass man ein besseres Verhältnis von Nutzsignal (Saitenklang) zu Störsignal (Brummen) hat.

Will man so einen Singlecoil billig bauen macht man erstmal eins; man nimmt nicht sechs einzelne Stabmagnete sondern einen einzelnen Barrenmagnet. An diesem einzelnen Magneten werden dann Stahlstäbe (analog zu den Stabmagneten) installiert, die das Magnetfeld so beeinflussen/richten, dass die Saiten auch einen Einfluss darauf haben. Selbstredend nimmt man dabei billige Keramikmagnete (Ferrite) und keine teuren AlNiCo-Magnete (Eisenlegierung mit Aluminium/Nickel/Cobalt; das klassische Magnetmaterial für Strattonabnehmer). Das Ding dabei ist, das die Felddichte bei AlNiCo mit steigendem Abstand nicht so rapide abfällt, wie sie es bei den Keramikmagneten in den billigen Tonabnehmern macht. Die billigen Magnete haben weniger Zwischentöne; lösen weniger fein auf. Auch hat man schlicht ein schwächeres Magnetfeld und so im Endeffekt ein schwächeres Nutzsignal.

Dazu kommt natürlich der Draht. Wenn man ein Werk hat in dem am Tag der ein oder andere Tonabnehmer möglichst billig gefertigt werden soll nimmt man natürlich nur so viel Draht wie irgendwie nötig. Vielleicht nimmt man auch nicht diesen teuren Draht. Reines Kupfer kostet halt mehr als ein Draht mit Kupfer und irgendetwas anderem. Damit man eine Spule sinnvoll wickeln kann muss der Draht isoliert werden. Emaille ist ziemlich cool, weil das ein wirklich guter Isolator ist. Aber irgendein billiger Kunststoff ist halt billiger. Der billige Draht hat einen höheren Widerstand und die billige Isolation macht die Spule zu einem Kondensator. Dazu kippt man gerne Wachs um die Spule, damit der Tonabnehmer nicht mikrofonisch wird (Das würde sich daraus ergeben, dass die Spulenwicklungen sich leicht bewegen). Wachs wird auch als Elektrolyt in Kondensatoren genutzt.  Zack fertig: RC-Glied. Die Tonabnehmerspule als Kondensator mit der nachfolgenden Elektronik bildet einen Hochpass; schwächt also die Tiefen ab. So baut man effektiv einen Singlecoil der dünn klingt. Ein schlechtes Verhältnis zwischen Nutz-/Störspannung hat und so wenig Output, dass man das recht stark verstärken muss; was allerdings üblicherweise mit zunehmenden Rauschen der Verstärkerstufe verbunden ist.

Den billigen Humbucker baut man fast genauso. Der klassische Gibson-Humbucker nach Seth Lover wurde aber tatsächlich um einen einzelnen Barrenmagneten designt. Allerdings auch hier wieder um eine AlNiCo-Legierung. Der Humbucker ist so verschaltet, dass sich (fast) identische Spannungen auslöschen. Die Auslöschung entsteht durch destruktive Interferenz. prinzipbedingt killt man so aber auch die Höhen - Da die Wellenlänge der hohen Frequenzen quasi zwischen die Spulen passt und so auch von beiden aufgenommen wird und in Folge dessen durch die Verschaltung ausgelöscht wird. Deshalb klingt ein Humbucker eher bedeckter als ein Singlecoil, was aber per se nicht schlecht ist. Neben der destruktiven hat man im Humbucker aber auch noch die konstruktive Interferenz. Was durchaus dazu führt, dass Mitten und Tiefen angehoben werden. Da die Spulen aber wie beim Singlecoil auch recht gute Kondensatoren darstellen und keinen geringen Widerstand haben, baut man auch hier wieder einen Filter. Der billige Humbucker ist also noch mehr im Frequenzverlauf beschnitten und verbogen als der billige Singlecoil. Dafür wird Brummen nicht an den Verstärker weitergeleitet und man hat etwas mehr Output.

Was man übrigens gegen muffige und/oder adipöse Humbucker machen kann: Die Polpices ein wenig aus dem Tonabnehmer herausführen. Klassische Humbucker haben Polschrauben, die sich im Abstand zu den Saiten verändern lassen. Das hat der billige Humbucker in der verlinken billigen Stratocaster nicht. Ich hätte ja nichts gegen eine Stratocaster mit einem Steghumbucker. Aber bei einem Gibson-Style Humbucker nach Seth Lover will ich die Polpices (bzw. Polschrauben) einstellen können. So ein Humbucker kann erfrischend lebendig klingen, wenn man die Spulen nicht super nah an den Saiten hat und die Polschrauben etwas herausgeführt sind.

Generell wäre mir der billige Singlecoil lieber; der ist irgendwie ehrlicher; wenn auch trotzdem eher so mittel.

Kurz: Es ist die Wahl zwischen einem hyperaktiven Klolibri (Humingbird = Brummvogel) ohne Arsch und einem adipösen Dodo, der zwar nicht Brummt, dafür aber auch sonst nicht so viel macht.

yasuoZ 
Fragesteller
 02.09.2019, 19:24

Ausführlich und gute Antwort.

Soll man sich als E-Starter 'ne 5k Guitar holen? 😁

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KarlKlammer  02.09.2019, 19:48
@yasuoZ

Wenn dich eine 5.000€ Gitarre glücklich macht; dann mach' das halt. Wegen mir musst du das nicht tun. Ein guter Tonabnehmer muss auch gar nicht so sehr teuer sein. Ich habe in einer Gibson SG Std am Hals einen P90 Singlecoil von Rockinger der neu 70€ kostet, was tatsächlich eher günstig ist und am Steg einen für mich handgewickelten P90 von Amber-PUs der irgendwas um 200€ gekostet hat. Ich bin mit dem günstigen Rockinger PU in der Halsposition völlig zufrieden und ich habe an der Stelle auch deutlich teurere Tonabnehmer getestet. Eine 5.000€ Gitarre kostet halt in den seltensten Fällen wegen der Tonabnehmer so viel Geld. Aber gut; alles ist relativ: Für den Preis der Tonabnehmer in meiner beschriebenen Gitarre bekommst du drei der verlinkten Instrumente...

So um die 200€ - 300€ bekommt man schon ganz brauchbare neue E-Gitarren. Die Squier Instrumente über der Affinity und Bullet Serie sind durchaus brauchbar und haben auch durchaus anständige Tonabnehmer für das Geld. Neben Squier gibt es aber auch andere Firmen die gute brauchbare Instrumente für ein schmales Budget anbieten.

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Das ist eine reine Klangfrage. Im zweifel würde ich HSS nehmen, da du hier etwas vielseitiger aufgestellt bist was genre und co geht.

Es gibt zuviele Musik die orginal mit einem Humbucker gespielt wird als das man das komplett rausnehmen würde, dinge die normalerweiße mit einem bridge singelcoil gespielt werden kannst du tonal auch gut mit nem mittleren SC hinbekommen. Sachen die aber mit nem Bridge humbucker gespielt werden sind mit nem SC praktisch unmöglich klanglich so hinzubekommen.

Wichtig: Es geht hier nur um den Sound den die Gitarre macht, spielen kannst du mit beiden Gitarren selbstverständlich alles.

Grüße.

yasuoZ 
Fragesteller
 02.09.2019, 13:54

Ich glaube ich nehme die only Singlecoil Variante. Danke

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Kommt darauf an was man mit seiner Gitarre spielen will. Wenn man total auf Singlecoil-Sound steht will man den natürlich auch am Steg haben.

Wenn man allerdings Wert auf eine besonders vielseitige Gitarre legt, mit dem man mehr unterschiedliche Sounds spielen kann, dann sollte man schon einen Humbucker haben.

Ich persönlich würde am Steg eigentlich immer Humbucker bevorzugen, aber mir gehts auch nicht darum z.b. 100%ig wie Mark Knopfler zu klingen.

das kommt ganz darauf an was du spielen willst. für metal oder ähnliches HSS und für rock/funk etc eher SSS

yasuoZ 
Fragesteller
 02.09.2019, 13:54

Danke für deine Hilfe

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Eromzak  02.09.2019, 20:22

Genau die Ansage wollte ich vermeiden. Jazz und rock nutzt z.b. vermehrt auch Humbucker - es ist nicht so das humbucker im metal exklusiv wäre. Du hast die von Country bis progressiv metal in jedem genre, auch gerne mal in country ähnlichen Dingen und so weiter. Der Singlecoil in der Bridge ist in jedem Fall eigentlich spezieller als es jetzt ein Humbucker wäre.

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KarlKlammer  02.09.2019, 21:09
@Eromzak

Ein Haufen meiner Lieblings-Funk-Songs wurden mit Humbuckergitarren eingespielt und auf Black Sabbaths frühen Aufnahmen hört man Singlecoils an der Gitarre. Zum Singlecoil in der Bridge-Position: Man muss nur einen passenden Singlecoil haben. P90-PUs oder dicke Tele-PUs sind sicher weniger Speziell als der 0815 Bridge-PU einer Stratocaster.

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Ich bin kein Freund der SSS Konfiguration.

Der Single Coil Tonabnehmer fördert den dünnen quakigen Sound (was nicht heißen soll das er schlecht klingt). Zudem klingen die Saiten in der Stegposition ohnehin dünn und quakig. Für mich ist beides zusammen zuviel des Guten. Selbst bei teuren Customshop Fenders finde ich den Klang in dieser Konstellation noch sehr dünn. Deswegen bevorzuge ich dort einen Humbuker, weil dieser eher den warmen und nicht so stark höhenlastigen Sound fördert.

Jedoch ist das ganze auch ne Genrefrage. Für Funkfreunde die den hellen ultra offenen Klang mögen, dürfte SSS sicherlich was sein. Für Rocker und Metaller dagegen wird zudem noch das Problem hinzukommen, dass Single Coils bei Verzerrung und elektromagnetischen Einstreuungen gerne brummen.

PS: Die Harley Benton ST-20 SB ist eine 79€ Gitarre. Ich wage mal die These das du damit nicht sehr lange Freude haben wirst. 79€ ist selbst für Harley Benton echt wenig. Da rate ich dir etwas mehr auszugeben, wenn du nicht bald wieder im Gitarrenladen stehen möchtest.

Grüße