Wenn Moral objektiv ist, ist die Natur dann gut oder böse?
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Moral ist ja bekanntlich auf zwei Komponenten zurück zu führen. Da gibt es zum einen das angeborene Moralverhalten. So hat der Mensch extreme Hemmungen, auf Kranke, Schwache, Behinderte oder Kindern spontan aggressiv zu reagieren.
Die andere, und weit bedeutendere Komponente ist das (speziell in der Kindheit und Jugend durch Sozialisation) erlernte Moralverhalten. Hierher gehören die vielen Verhaltensweisen, die uns in eine Gesellschaft einpassen helfen, dass man akzeptiert und wertgeschätzt wird, dass einem geholfen wird und dass man als Teil seiner Gemeinschaft auch Liebe bekommt, da man viele vertraute Verhaltenskomponenten des Mitmenschen spiegeln kann.
Ein ganz anderes Problem steckt im zweiten Teil deiner Frage, ob die Natur in den Kategorien "gut" und "böse" einzufangen sei. Das ist sicher nicht der Fall, da die "Natur" völlig wertfrei agiert. Ein Raubtier ist nicht dadurch "böse", dass es seine Beute jagt und verzehrt, und ein Singvogel ist nicht dadurch gut, dass er Morgens einen erfreulichen Gesang hören lässt. Die Natur folgt ausschließlich den darwinistischen Gesetzen, d.h. dem Kampf ums eigenen Überleben und das gedeihliche Leben der Partner, nahen Verwandten und Kinder.
Ob es in der Natur Moral gibt ist zweifelhaft. Es gibt aber Konsequenzen für jedes Handeln und Verhalten.
"In der Natur gibt es weder Belohnung noch Strafe, nur Folgen."
Aber auch: Der Natur ist es kurzzeitig egal, ob wir ihren Gesetzen folgen. Sie befolgt ihren innewohnenden Gesetze konsequent.
Eine objektive Moral ergibt sich nur dann, wenn der Mensch die gleichen Moralregeln befolgt, wie jeder; bzw. wenn sie jeder befolgt, ist sie objektiv, also nicht subjektiv im Sinn von eigensinnig, vorwiegend eigennützig.
Es gibt die objektive einfache Mathematik. 2 und 2 ist für alle gleich, egal ob Mann oder Frau, für Menschen in China, Afrika, Indien, Europa oder in Russland.
Eine Moral mit dieser konstanten Bedeutung könnten Teile der 10 Gebote sein.
Oder der Grundsatz, wie du von anderen behandelt werden möchtest, behandle andere.
Desweiteren ist eine eingeschränkte Moral keine Moral: Wenn sie nur für mich und meinesgleichen gilt, aber nicht für andere oder umgedreht, wenn sich andere daran orientieren sollen, ich selbst aber nicht.
Von Belang ist auch der Umgang mit Moral und dem Gegensatz, der Unmoral.
Wenn sich mein allerbester Freund unmoralisch verhält, dann ist er eben unmoralisch. Ist man eher auf der Seite des Freundes, auch wenn er unmoralisch ist, "verrät" man ja die Moral, heißt, man achtet etwas Unmoralisches (den Freund) mehr, als die Moral. Und das ist das größte Problem, weil eben auch das eigene Ego, die Selbstbezogenheit, die Selbstsucht fast immer die Moral links liegen lässt.
In diesem Sinn gibt es dann ,keine objektive Moral, weil sie austauschbar, ausblendbar, erniedrigt wird.
Die Natur kennt weder gut noch böse, noch agiert sie so.
Aber auch die Natur hat Grundsätze. Sie lügt z.B. nicht. Wen soll sie auch anlügen? Müsste sich ja selbst anlügen.
Genau das jedoch ist nur ein allzu menschliches Attribut. Sich etwas vormachen, etwas nicht wahr haben wollen, heucheln, täuschen, rechtfertigen vor allem bei Dingen, die schon als "nicht richtig" erkannt sind.
Menschliche Moral wandelt sich mit der geistigen Reife des Menschen. Das heißt jedoch nicht, dass alle Menschen eine gleichartige moralische Reife besitzen.
Die Moral der Natur ist seit ihrer Existenz beständig. Vielleicht in der Form: Es gibt nichts Beständiges, außer der Unbeständigkeit: Also Wandel, Evolution, Pluralität, Gesetzestreue und Unbeugsamkeit darin, es niemals statisch zu verrichten.
Sie tut alles in ihrem Interesse, zu leben und wann immer möglich, Ungleichheit wieder in ein ausgeglichenes Niveau zu überführen.
Gut und bös gibt es in der Natur nicht. Nur Gerechtigkeit im weitesten Sinn.
Alles, was aus ihr heraus geschieht, trägt niemals die Frucht der finalen Selbstvernichtung.
Ich verstehe, was du meinst und hab genau überlegt, ob ich es so schreiben soll.
Wir nennen es täuschen und tarnen, weil wir davon ausgehen, dass dies auch im Tierreich eine subjektive geistige Entscheidung ist.
Wenn wir das Lügen, Täuschen und Tarnen daraus ableiten, dass es ja Gang und Gäbe in der Natur sei und es deshalb ja moralisch richtig sein muss, "natürlichem" Willen Folge zu leisten bzw. Lügen als von Natur aus legitimiert zu verstehen, gibt es in jeder Hinsicht moralische Absolution: Alles ist OK.
Wenn ich die Natur meine, dann quasi das gesamte zusammenhängende "Biotop".
Alles darin ist auf alles abgestimmt! Mimikry oder Jagdtricks von Tieren gehören dazu. Auch hierbei gilt, jedes Verhalten bzw. Handeln hat unweigerlich Folgen. Diese Konsequenzen können nicht durch weitere Verdrehung oder Leugnung (=Lüge) von Tatsachen beiseite gewischt, in die Zukunft oder auf andere abgewälzt werden. Zur Konsequenz gehört auch Unmittelbarkeit. Jeder Flügelschlag eines Schmetterlings wirkt unmittelbar ohne Aufschub auf die Umwelt. Es ist wie mit den Dominosteinen. Wenn der erste fällt, gibt es keinen Intervall mit Pausen. Die Natur hat keine Methode, diese Gesetzmäßigkeit aufzuhalten. Es folgt konsequent dem Ursache/Wirkung Prinzip. Es gibt ebenfalls kein Mitglied des Ganzen, das sich dem entziehen kann. Im religiösen Kontext nennt man es vielleicht Die Mühlen Gottes mahlen langsam (aber stetig). Ich ersetze hier Gott durch die Natur. Im Endeffekt basiert also alles wiederum auf Ursache und Wirkung, nichts kann durch Leugnung auch nur ansatzweise für eine Zeit lang ausgesetzt werden.
Eine Lüge, wie sie der Mensch tätigen kann, verändert auch niemals diese "Mühlen" bzw. die Verknüpfung von allem.
Wenn er lügt, er habe diesen Menschen nicht getötet (Beispiel), bleibt die Tatsache, dass er ihn nun mal getötet hat. Er lügt, weil er damit die Folgen der Tatsache mitsamt Konsequenzen "in diese Lüge integrieren möchte". Heißt: Mit der Leugnung=Lüge möchte er erreichen, dass es keinen Dominoeffekt gibt: Kein Mord (kein erster fallender Stein), keine weiteren, die umfallen, keine Verurteilung usw.
Und das ist eben der Trugschluss, der Wahn, die eigene "Ausgrenzung" aus den Gesetzen der Natur, wie ich zuvor darlegte! Weil ich lüge, muss sich die Natur nach den Vorstellungen von mir beugen, also keine Konsequenzen ausbilden.
DAS ist das Wesen der Lüge!
Die Natur lügt nicht in diesem Sinn. Auch Täuschen und Tarnen sind jederzeit mit tatsächlichen Folgen verbunden. Nichts, weder in den Tieren noch im Wesen der Biologie (außer im menschlichen Geist) intendiert dazu, sozusagen eine "Parallelwirklichkeit" zu entwickeln, modern auch bekannt als alternative Fakten, was jedoch auch schon eine Lüge ist, denn es gibt nur tatsächliche Fakten, keine (andersartigen) alternativen. Es gibt nur Tatsachen oder Lügen, die aber niemals Tatsachen sind).
Selbstverständlich gibt es im Tierreich Jagdmethoden, Balzrituale oder Veränderungen der visuellen Erscheinung, um als Nahrungstier nicht sogleich ausgemacht werden zu können. Doch im Grunde sind es dann unmittelbar nur Jagdstrategien, Balzrituale, Versteckstrategien.
Ein Löwe, der sich geschickt getarnt anschleicht, ist in diesem Moment ein geschickt anschleichendes Raubtier, er IST diese Tatsache! Ein Pfau IST beim Balzen der bunte Vogel. Wo ist da eine Lüge?
Ein Mörder ist aber nicht unschuldig, auch wenn er leugnet, ein Mörder zu sein. Im Kontext zu den Tieren müsste er im Augenblick der Leugnung kein Mörder sein. Und das ist nicht der Fall! Oder ein Kind, das spielt, es sei ein Indianer (Kinder sind so vertieft, sie glauben das eher, als ein Erwachsener, der sich im Fasching so kleidet) ist trotzdem kein Indianer.
Ein Oktopus, der sich der Farbe der Umgebung anpasst, auch ein Chamäleon, ist in diesem Zustand eben ein tatsächliches Wesen, das die gleiche Oberfläche wie die Umgebung ausweist. Es tut nicht nur so! Er ist keine Unwahrheit!
Ein Mann der seiner Frau vorlügt (und somit vormacht, sich verstellt), er sei treu, ist trotzdem nicht treu. Und eine Frau, die lügt, sie sei nicht übergewichtig (in Wirklichkeit hat sie Adipositas) macht diese Lüge nicht wirklich schlanker; wohingegen eine harmlose Fliege, die wie eine Biene aussieht, auch immer noch eine harmlose Fliege ist. Das beweist, dass nicht nur Bienen so ein Outfit haben und nicht, dass die Fliege täuschen möchte. Ich weiß, auch das wird kolportiert. Ich halte deshalb dagegen, dass Krokodile im seichten Wasser nicht ihr Outfit haben, damit sie von trinkenden Antilopen oder sonstigen durstigen Tieren für Baumstämme gehalten werden, mit dem sie vortäuschen, sie seien keine Krokodile. Ihr Jagdstrategie würde auch wirken, wenn sie wie ein flacher Stein aussehen würden. Die möglichen Folgen in der Natur sind aber die eines Krokodils, und nicht die eines Baumstammes.
Die Natur lügt nicht. Was wir als Lügen und Täuschungen definieren, sind keine. Es sind Tatsachen.
Danke für Ihre kluge Antwort! Das Wort von Robert Green Ingersoll, übrigens, hat meiner Meinung nach die gleiche Bedeutung: die Evolution in der Natur hat keinen Zweck und keine Richtung.
Naja, wenn sie keinen Zweck hätte, wäre sie dann überhaupt existent?
Welchen Zweck hat die Entstehung eines Kristalls, einer Eisblume, Ebbe und Flut, die Planetenkonstellationen, wenn es kein Zweck hat, sie zum Zwecke des Seins plus Enwicklung überhaupt entstehen zu lassen?
Des Seins wegen! Oder nicht?
Ich verstehe, du meinst eher die Evolution. Aber auch hier, denke ich, der Zweck ist das Neu- und Umgestalten. Das Gegenteil wäre ewige Statik. Und wenn alles aus dem Nichts kommt, wäre es dann eben das Nichts, das statisch, also unveränderlich sein muss! Ist aber beweisbar wohl nicht so!
Im religiösen Kontext ist vielleicht das gemeint, was man "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" beschreibt. Ewig ohne Anfang und Ende, nur eine andauernde Wiederkehr nach dem Nichts. Oder - gleich gültig: Andauerndes Beenden eines Zustandes hin zur Neuentstehung. ;-)
Die Natur ist kein Subjekt von Moralsystemen, kann daher auch nicht gut oder böse sein.
Wir können natürlich auch wieder Tiere oder gar Tote verurteilen, wie teilweise im Mittelalter. Oder das Meer auspeitschen lassen, wie Xerxes.
Moral ist etwas subjektives, von Menschen geschaffenes und beruht auf Wertvorstellungen.
Die Natur als Entität kann nicht gut oder böse sein. Die menschlichen Begriffe von Moral, gut und böse lassen sich nicht auf die Natur übertragen.
Moral als Bewusstsein von Gut und Böse gibt es im Tier- und Pflanzenreich natürlich nicht.
Unsere Maßstäbe von Moral kann man trotzdem spaßeshalber an die Natur anlegen. Moralisch ist, was dem Fortbestand unserer Art oder gesellschaftlichen Gruppe hilft und nicht schadet.
So gesehen handeln Tiere und Pflanzen von Natur aus "moralisch".
Der Intellekt und der gesellschaftliche Entwicklungsstand machen es überhaupt erst möglich, gegen gesellschaftliche Interessen zu handeln. Deshalb tritt an die Stelle des Instinkts die Moral, gegen die man verstoßen kann.
Ich denke aber, dass es immernoch weitgehend Instinktsache ist, die uns nicht von Grund auf beigebracht werden muss. Dass es nicht gut war, das andere Kind auf dem Spielplatz hinzuschubsen, lernen wir nicht erst dadurch, dass wir von Mutti darauf hingewiesen werden, sondern einfach daraus, dass es weint.
Es gibt zu deiner langen Antwort erheblichen Diskussionsbedarf. Einen Punkt möchte ich davon hervorheben, wo du schreibst, dass die Natur nicht lügen würde. Das ist komplett falsch, da das Täuschen und Tarnen zu den eindeutigen Überlebensstrategien vieler Tiere gehört, und jede Täuschung ist ja eine unwahre Handlung, die zur Erlangung eines eigenen Vorteils eingesetzt wird, womit sie also eine klare Lüge ist.