Denkt ihr, dass in Europa das Christentum an Wichtigkeit verloren hat und wir deswegen unseren „Wertekompass“ verloren haben?
Ich finde, es gibt kaum noch Zusammenhalt in Europa und ich bin mir sicher, dass es etwas mit dem schwindenden Glauben zu tun hat und wir deshalb unser Glück z.B. im Konsum suchen.
50 Stimmen
9 Antworten
Jein.
Eine gute wie auch komplexe Frage, deren Antwort wohl ganze Bücher füllen könnte und aufgrund der Komplexität nur einen kleinen Auszug zeigen könnte bzw. eine sehr allgemeine Antwort.
Das Christentum hat definitiv an Einfluss auf Staat bzw. Politik und Gesellschaft verloren. Nicht nur haben andere Religionen und Atheismus an Einfluss gewonnen. Auch unter Christen wird die Bibel liberaler ausgelegt und weniger gelebt (wobei ich aber nicht alle Christen meine). Aber Christen wird es in Europa höchstwahrscheinlich immer mehrere Millionen geben...wenn auch weniger in Kirchen bzw. organisierter Religion, sondern mehr individuell gelebt. Auch sind Gesellschaften heutzutage weniger autoritär und mehr egalitär als z.B. im Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Es ist seit der Reformation immer mehr individuelle Auslegungssache geworden und tatsächlich gibt es dort auch Gemeinden und Individuen, die richtig gut (selbst-)reflektiert sind. Außerdem waren Kirchen in Skandale verwickelt, z.B. Kindesmissbrauch, Finanzskandale) und haben sie sich aufgrund der Mode auch manchmal angebiedert anstatt bei der Bibel zu bleiben, auch wenn dies weniger fortschrittlich erschien.
Bei der großen Masse verbleiben christliche Traditionen und einige Glaubensideen. Zum Glück wird aber im Christentum nicht mehr so wie im Mittelalter und Frühen Neuzeit wegen dem Christentum getötet (anstatt dessen eher für die "Ersatzreligion" Nation bzw. Nationalismus). Mehrere Glaubensideen werden heutzutage auch nicht mehr als typisch christlich, sonder eher universell angesehen (u.a. die Goldene Regel), z.B. auch bei anderen Religionen und Philosophien gesehen, z.B. im Konfuzianismus oder Buddhismus (ob richtig oder falsch ist nochmal eine andere Frage). Zudem spielen Kirchen im Stadtbild immer noch eine sehr prägnante Rolle und sind auch karikativ gut unterwegs. Eine interessante und mMn auch positive Entwicklung von innerer Einstellung zeigte sich in der Flüchtlingskrise, als die Kirchen viel für nicht-christliiche Flüchtlinge taten und diese willkommen hießen. Definitiv christlicher bzw. näher an den Ideen und Einstellungen von Jesus und Paulus als die Kirchen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit, vom 2.Weltkrieg ganz zu schweigen. Ein Rückschlag sind da natürlich die Ansichten des Moskauer Patriarchen Kyrill, der voller Hass ist und damit das genaue Gegenteil von Jesus.
Diese ganze Unart von Gewalt gegen Andersgläubige hat seinen Anfang genommen mit der Vermischung von staatlicher Gewalt und Kirche unter Konstantin dem Großen und insbesondere unter Theodosius I. Und das waren keine 2000 Jahre, denn in den ersten JahrhundertEN wurden die Christen selbst verfolgt.Zum Glück hat es durch die Trennung zwischen Kirche und Staat wieder abgenommen, was nicht nur für Politik und Gesellschaft, sondern auch für die christlichen Kirchen besser ist.
Um moralisch und respektvoll zu sein, braucht man keinen Gott.
Dass es aus evolutionärer Sicht Sinn ergibt, dass Menschen miteinander leben und arbeiten und somit auch respektvoll miteinander umgehen, dürfte klar sein.
Und Moral ist ja auch ständig im Wandel und schon immer gewesen. Es sind halt die Werte, auf die sich eine Gesellschaft einigt.
No god required.
Wenn sich die Gesellschaft darauf einigen würde, dass Mord in Ordnung ist. Wäre Mord dann moralisch richtig?
Das ist natürlich ein extremes und ziemlich unrealistisches Beispiel. Das wir Mord falsch finden ist uns angeboren. Das hat sich über Millionen von Jahren in uns verwurzelt (Evolution, Kultur, Vernunft usw.).
Ich denk mal, dass es bei den sehr frühen Menschen noch anders war und die erst lernen mussten, was richtig und falsch ist und anfangs wohl eher die Moral eines Raubtieres hatten.
Außerdem, wenn Moral von Gott käme, warum gibt es dann so ziemlich in jeder Religion einen eigenen Wertekompass? Und ich spreche hier von Fragen wie: Ist Homosexualität ausleben moralisch verwerflich oder nicht.
Du hast Recht es ist ein extremes Beispiel um es zu verdeutlichen. Moral ist eben nicht nur das, was die Mehrheit als richtig empfindet sondern "angeboren". Ich sage es ist in uns "hineingelegt" Gott hat uns die Erkenntnis darüber gegeben.
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Man weiß nicht genau wie die ersten Menschen gehandelt haben.
Weil Religion von Menschen kommt. Gott ist nicht die Religion. Und in der christlichen Religion gibt es eine ziemlich klare Moral die unsere westliche Gesellschaft stark geprägt hat. Unsere wichtigsten Werte in der Gesellschaft wurden von Christen in der Verfassung festgelegt. Das gleiche auch in den USA. Deswegen unterscheiden sich unsere Werte auch teilweise sehr stark von denen anderer Kulturen.
Also bist du schon dabei das Moral, zumindest ein Stück weit, aus de Gesellschaft kommt bzw. von Menschen gemacht ist, aber ein paar Grundwerte halt von Gott kommen, ja?.
Für mich ist angeboren halt nicht direkt gleich Gott. Aber da könnten wir uns noch ewig drüber unterhalten, ohne auf einen Nenner zu kommen, denk ich.
Ja dem würde ich soweit zustimmen. Ich denke schon dass der Mensch zwischen Gut und Böse unterscheiden kann (In der Bibel ist das mit dem Sündenfall begründet) aber Grundwerte von Gott gegeben sind.
Dennoch ist meines Glaubens nach auch das unterscheiden zwischen Gut und Böse von Gott geschenkt. Aber das ist Glaubenssache.
Danke für das gute Gespräch und alles Gute noch. Achso und einen guten Rutsch xD morgen ist ja schon 2025
Ja, da ist schon ein bisschen was dran. Innerhalb der letzten 30 Jahre hat sich schon einiges verändert, was für den Glauben nicht in allen Bereichen förderlich ist. Eine Rückbesinnung zu den alten christlichen Traditionen und Werten währe daher durchaus erstrebenswert.
Deine Prämisse bestreite ich schon.
Es ist andauernd von irgendwelchen Pansenwerten die Rede, weshalb wir uns wieder durchbumsen lassen müssen.
Was das Christentum sein soll wurde von den Kirchen geprägt, insbesondere der Katholischen, und das hat recht wenig zu tun mit der ursprünglichen Botschaft von Jesus, der das Judentum seiner eigenen Zeit zu mehr Menschenfreundlichkeit und weniger Radikalität (siehe heutige Ultraorthodoxe in Israel) reformieren wollte und gar keine neue Religion gründen.
Viele unserer heutigen Werte wie die Menschenrechte und der Humanismus wurden im Kampf gegen die Vorherrschaft der Kirchen errungen, denk an die Französische Revolution und die vielen Freidenker dieser Zeit, auch in Deutschland (Feuerbach und andere). Der Zusammenhalt in Europa ist heute weitaus stärker als in vergangenen Jahrhunderten, als sich Deutschland, England und Frankreich noch Kriege geliefert haben, weil jeder die vorherrschende Macht in Europa sein wollte, heutzutage unvorstellbar.
In den Zeiten wo die Religion in Europa noch die stärkste Macht war, ging es dem größten Teil der Bevölkerung ziemlich dreckig, waren Hungersnöte, Seuchen und Kriege der "christlichen" Fürsten an der Tagesordnung. Verbesserung der Verhältnisse und allmählicher Machtverlust der Kirchen gingen Hand in Hand, unter anderem durch Entstehung einer selbstbewußten Bürgerschaft, die sich weder vom Adel noch vom Klerus noch viel sagen ließ, durch die Aufklärung (ganz wichtig!) mit dem Aufstieg der Wissenschaften und auch das Zeitalter des Kolonialismus, durch das plötzlich die ganze Welt erreichbar schien. Wem die Unterdrückung im eigenen Land nicht mehr gefiel, der wanderte aus zu neuen Ufern, siehe Entstehung der USA.
Der "Werteverlust" heutzutage geht eher auf zu lasche Erziehung zurück, wo Fehlverhalten nicht mehr bestraft, sondern im Gegenteil verhätschelt wird. Jugendliche Intensivtäter die tausendmal Bewährung bekommen gab es früher nicht, die wurden bei Straftaten genauso wie Erwachsene verurteilt und aus dem Verkehr gezogen, und bei den Schimpfworten die heute auf Schulhöfen zu hören sind, wäre erst durch die Lehrer und später noch mal durch die Eltern der Watschenbaum umgefallen, ggf. sogar die bösen Mäuler mit Seife ausgewaschen worden, damit die häßlichen Wörter weggespült werden. Wer ein Zurück zu alten Werten wie Anstand, Moral, Ehrlichkeit etc. haben will, muß auch zurück zur strengen Erziehung früherer Zeiten.
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort :)